Es war einer dieser entscheidenden Momente, die das Leben grundlegend prägen, damals, Anfang der 1960er-Jahre. Einzeln rief Gabriel Morell Font dels Olors seine sieben Kinder zu sich. Vier Söhne, drei Töchter, sie alle sollten ganz unbefangen von der Meinung ihrer Geschwister über das Familienerbe entscheiden. Aufteilen oder gemeinsam weiterführen? Alle sieben waren sich einig: Man wolle zusammen vorantreiben, was die Familie im Laufe der Jahrzehnte erworben und aufgebaut hatte. Es war die Grundlage für die spätere Gründung der Unternehmensgruppe Torre de Canyamel Group.

„Das verdanken wir alles der Initiative unseres Vaters. Und natürlich unser aller Willen“ sagt Luis Morell. Er ist der fünfte der sieben Geschwister, mittlerweile selbst Mitte 80, und Vorsitzender der 1999 gegründeten Unternehmensgruppe. Sie unterscheidet sich in vieler Hinsicht von anderen auf der Insel. Diskret in ihrem Auftritt, ständig im Wachstum – und durch und durch von hier. Zu den ursprünglich zwei Restaurants, die bereits in den 60ern zum Erbe gehörten, nennt die Familie mittlerweile vier Fünf-Sterne-Hotels ihr Eigen: El Convent de la Missió in Palma, Can Simoneta und Pleta de Mar in Canyamel und Fontsanta in Colònia de Sant Jordi. Und natürlich das Aushängeschild, das die Familie seit jeher mit Stolz erfüllt: den charakteristischen Turm Torre de Canyamel.

Einigkeit statt Streit

Wer von der Landstraße Ma-4040 in Richtung des Küstenorts Canyamel abbiegt, der sieht die alte Festung aus dem 13. Jahrhundert linker Hand aufragen. Einst suchten die Bauern der Umgebung dort Schutz vor Piraten, heute ist das Gemäuer beliebtes Fotomotiv und beherbergt ab und an Kunstausstellungen. Das angrenzende Restaurant lockt Gäste von der ganzen Insel. Es war Luis Morells Urgroßvater, der das Grundstück samt Turm Anfang des 19. Jahrhunderts erstand. Vermutlich hätte es ihn gefreut, zu sehen, dass seine Nachfahren die Ländereien nicht nur als Ganzes bewahren, sondern auch noch zu einem Publikumsmagneten machten – ganz ohne Streit. „Wir haben uns damals geeinigt, und tun es bis heute. Alle unsere Vorhaben werden mit dem Geld aller Miteigentümer bestritten“, betont Luis Morell.

Die Torre de Canyamel Group hat aktuell elf Teilhaber. Zwei ältere Brüder von Luis starben bereits, dafür rückten sechs Neffen nach. „Dem Verwaltungsrat gehören sieben Familienmitglieder an, sowie zwei Externe“, berichtet Luis Morell. Die Leitung der Unternehmen obliege dabei externen Fachleuten. So sei es schon immer gewesen, erzählt der 83-Jährige.

Auch sein Vater Gabriel habe 1965 die Restaurierung des alten Festungsturms in die Hände von Experten gelegt, die darauf bedacht waren, möglichst viel vom Original zu erhalten oder nachzubilden. Trotzdem habe der leitende Angestellte im öffentlichen Dienst es sich damals nicht nehmen lassen, nach Dienstschluss ins Auto zu steigen, um die 82 Kilometer von Palma nach Canyamel zurückzulegen, nur um zu sehen, wie die Arbeiten am Turm vorangingen.

Gabriels Sohn Francisco – ein Bruder von Luis – habe dann das angrenzende Restaurant Porxada de Sa Torre gegründet, dessen Spezialität, das Spanferkel, noch immer das beliebteste Gericht im Restaurant ist. Nach und nach brachten sich auch die anderen Geschwister ein. Einer kümmerte sich um die Finanzen, eine Schwester eröffnete eine Strandbar in Canyamel und trug so ebenfalls zum Verdienst des Familienclans bei. „Damals war ich der Einzige, der sich herausgehalten hat“, sagt Luis Morell. Als Anwalt brachte er sich erst später aktiv in das kleine Familienimperium ein.

Weiter expandiert

Das Hotel Pleta de Mar in Canyamel auf Mallorca Torre de Canyamel Group

2005 beschlossen die Geschwister – ihr Vater war damals bereits tot – das alte Ferienhaus der Familie in das Landhotel Can Simoneta umzuwandeln. „Es war ziemlich riskant, viele Leute rieten uns davon ab. Damals war der ländliche Tourismus noch nicht so verbreitet auf Mallorca, vieles drehte sich um große Hotelketten.“ Und doch entschieden sich alle Familienmitglieder dafür, das Anwesen bei Canyamel, das einst als Rückzugsort für einen kranken Bruder des Großvaters erbaut worden war, zu renovieren, damit „der Geist des Ortes“ erhalten blieb. Mit Erfolg: Heute ist das Hotel Can Simoneta ein Inbegriff gehobener Hotellerie.

Davon beflügelt wagte man sich 2012 weiter vor: Die Torre de Canyamel Group übernahm die Leitung und Umgestaltung des Spa-Hotels Fontsana in Colònia de Sant Jordi, Eigentum von Francisco Morells Ehefrau Isabel Oliver. Zwei Jahre später dann der Vorstoß in Palma: Hier wurde die Gruppe Teilhaber von einem der ersten Boutiquehotels in der Balearen-Hauptstadt: dem Convent de la Missió. 2017 errichteten Morells noch ein weiteres Hotel auf eigenem Grund: das Pleta de Mar, nahe des Can Simoneta. Eine weitere Goldgrube.

„Wir haben das Glück gehabt zu erben“, sagt Luis Morell bescheiden. Glück, aber eben auch etwas anderes, das vielen Mallorquinern einst fehlte: den Mut, selbst am Ball zu bleiben, statt das Feld anderen zu überlassen. /somo