Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Schaukelstühle von Mallorca: typisch, stylisch und gemütlich

In der verstaubten Tischlerei „Balancins Gelabert“ in Manacor geht es noch so zu wie vor über 70 Jahren. In dritter Generation werden hier typisch mallorquinische Schaukelstühle gefertigt. Besuch bei zweien, die Freude an guter Arbeit haben

Miquel Gelabert (links) und sein Sohn Pep in dem Familienunternehmen für Schaukelstühle in Manacor auf Mallorca Nele Bendgens

Die Scheiben der Glastüren am Eingang der Werkstatt in Manacor auf Mallorca sind mit einer feinen Schicht aus Holzstaub bedeckt. Allein das schlichte Schild mit der Aufschrift „Balancins Gelabert“ deutet darauf hin, dass sich hinter der wenig einladenden Fassade auch ein Verkaufsraum befindet, in dem Besucher willkommen sind. Erst vor etwa drei Jahren hängte Pep Gelabert das Schild auf, um Laufkundschaft anzulocken. Dabei gibt es den kleinen Betrieb schon seit 1950. In dritter Generation fertigt Gelabert hier typisch mallorquinische Schaukelstühle an, jedes Stück ein Unikat. „Wir wollen, dass die Menschen zu uns hereinkommen. Je mehr persönlicher Kontakt, desto besser“, sagt Gelabert, der den Betrieb von seinem ebenfalls anwesenden Vater Miquel Gelabert übernommen hat.

Herein also in Räume, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Wer über die Schwelle tritt, steht zunächst in der Verlängerung eines kleinen Lagers. Bis zu den Decken stapeln sich die nackten Holzgerüste der Schaukelstühle. Nur ganz vorne steht rund ein Dutzend davon fertig gepolstert und verkaufsbereit. Daneben liegen ein paar Stoffmuster aus, ansonsten sieht hier alles nach einer Werkstatt aus. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie bereits Peps Großvater und Namensvetter 1950 die kleine Schreinerei eröffnete. Zu Beginn stellte er auch normale Stühle her – ein kleiner Tischlereibetrieb, wie es damals noch so viele gab in Manacor. Tatsächlich sind die Säge- und Schleifmaschinen, mit denen Pep Gelabert heute hinten im Werkraum arbeitet, noch immer die aus jener Zeit. „Diese hier hat sogar mein Großvater damals schon aus zweiter Hand gekauft. Sie ist deutlich älter als 70 Jahre, aber sie erfüllt immer noch ihren Zweck“, so der 38-Jährige.

Vollblut-Handwerker

Die Kunden können aus zahlreichen Inselstoffen auswählen. |

Er ist Handwerker nicht nur aus familiärer Verbundenheit, sondern auch aus Leidenschaft, das merkt man nach wenigen Sätzen. „Ich lasse mir von den Händlern nicht vorschreiben, wie ich zu arbeiten habe“, betont er immer wieder. Seine balancins, wie die Schaukelstühle auf Mallorquinisch heißen, oder mecedoras, wie man sie auf Spanisch nennt, sind beliebt, und das nicht nur in den zahlreichen Einrichtungsläden der Möbelstadt Manacor, sondern auf der ganzen Insel. Viele Geschäfte rissen sich darum, die guten Stücke im Sortiment zu haben, erzählt Pep Gelabert. „Aber viele von ihnen versuchen auch, mich zu überreden, die Produktion weniger aufwendig zu gestalten und mit weniger hochwertigen Materialien zu arbeiten, um die Preise zu drücken. Das kommt für mich aber nicht infrage.“

Gelabert arbeitet so, wie er es von klein auf gelernt hat. Aus massivem Holz fertigt er das Gerüst der Schaukelstühle an, jede Proportion, jeder Schwung im Design ist seit Jahrzehnten erprobt. Er verwendet nur die besten Nägel, Schaumstoffpolsterung und immer zwei Lagen Stoff, die er ausschließlich von den drei mallorquinischen Traditionsläden – Biel Riera in Lloseta, Bujosa in Santa Maria und Tejidos Vicens in Pollença – bezieht. „Wenn man den Schaukelstuhl gut behandelt, hält das Gerüst ein Leben lang. Den Stoff muss man nur alle 20 Jahre neu beziehen“, versichert er. Alles macht er selbst, ohne Mitarbeiter, ohne moderne technische Raffinessen. „In der industriellen Produktion drücken sie doch heute nur noch auf Knöpfe, und die Maschinen machen alles alleine. Ich bin wirklich in Kontakt mit dem Holz.

14

Zu Besuch beim Traditionsbetrieb für Schaukelstühle auf Mallorca, Balancins Gelabert in Manacor Nele Bendgens

Deutsche auf den Geschmack gekommen

Den Umgang damit lernte er von seinem Vater, das Bepolstern von seiner Mutter. Gut 200 Euro zahlen Kunden für einen fertigen Schaukelstuhl, je nach Stoffart auch etwas weniger. Kinderschaukelstühle sind für rund 180 Euro zu haben. „Wem eines unserer Ausstellungsstücke gefällt, kann es mitnehmen, aber die meisten Kunden geben eine individuelle Bestellung auf, und dann mache ich alles nach ihren Wünschen“, so der Mallorquiner. Etwa eine Woche brauche er bis zur Fertigstellung. „Reich werde ich damit nicht. Aber es genügt mir, wenn ich gute Arbeit mache und davon leben kann.“

Leicht ist das angesichts steigender Rohstoffpreise und der Konkurrenz durch große Firmen nicht. Andererseits, erzählt er, gebe es immer mehr Menschen auf der Insel, die das alte Handwerk wieder zu schätzen wüssten. „Gerade auch deutsche Residenten oder Zweithausbesitzer, die etwas Originales von hier suchen.“ Sein Vater Miquel nickt. „Immer mehr Ausländer interessieren sich für uns“, pflichtet der 69-Jährige bei.

Eigentlich ist er vor knapp vier Jahren in Rente gegangen. Doch sich gänzlich aus der Werkstatt herausziehen, das schafft er nicht. Zu sehr liegt auch ihm der Betrieb am Herzen. „Dabei habe ich es meinem Sohn immer freigestellt, beruflich etwas anderes zu machen.“ In diesem Fall hätte der kleine Handwerksbetrieb dichtmachen müssen, so wie so viele andere in der Region vor ihm. „Allein auf dieser Straße gab es, als ich mit 15 Jahren in den Betrieb meines Vaters einstieg, fünf Tischler und zwei Polstereien“, sagt Pep Gelabert. Insgesamt waren in Manacor etwa 430 Schreinerbetriebe ansässig, viele stellten Möbel für Hotels oder Türen für Stadthäuser her. „Wenn man durch die Innenstadt ging, hörte man es an jeder Ecke sägen und hämmern“, erinnert sich Miquel Gelabert.

Einer der wenigen, die überlebten

Gemütlich, traditionell und original von hier

Ein bisschen Wehmut schwingt in seiner Stimme mit, wenn er an diese Zeiten zurückdenkt. Kaum ein Betrieb hat sich gehalten, alleine seit der Wirtschaftskrise von 2008 verschwanden auf Mallorca mehr als 200 Tischlereien. Dass sein eigener Betrieb nicht dazugehört, liegt neben seinem engagierten Sohn auch an der Fokussierung auf das Produkt. Schon 1967 spezialisierte sich das Unternehmen ausschließlich auf die Schaukelstühle. Und die sind seitdem nie wirklich aus der Mode geraten. „Früher, als mein Vater noch den Betrieb geleitet hat, gehörten sie in jedes bessere mallorquinische Haus“, weiß Miquel Gelabert. Selbst vom Festland kamen viele Spanier, um die Unikate von Mallorca einzukaufen. „Gerade in Katalonien waren und sind sie sehr angesagt.“ Deshalb sei es auch gar nicht nötig gewesen, die Stühle im Laufe der Jahrzehnte groß zu verändern. Abgesehen von minimalen Details. „Aktuell wollen die Leute keine Schnörkel mehr, deshalb setzen wir nur noch auf klare, wenn auch leicht geschwungene Linien.“

Vergangenes Jahr hat Pep Gelabert ein Patent für das Design des Holzgerüsts anmelden lassen. Dass er seit einigen Jahren kein mallorquinisches Kiefernholz mehr verwendet wie sein Vater und sein Großvater, sondern stattdessen auf französische Rotbuche setzt, hat dabei praktische Gründe: „Als die Holzpreise in die Höhe schossen, verkündete mir unser langjähriger Lieferant, dass er fortan lieber an Paletten-Produzenten verkaufe“, sagt Pep Gelabert. Er scheint deshalb noch immer persönlich gekränkt. „Ich musste also umschwenken.“ Doch er sei zufrieden mit dem Holz aus Frankreich. „Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, ist es im Umgang ergiebiger. Es ist härter, stabiler und hochwertiger.“

Auch im Internet

Unter den Mallorquinern ist „Balancins Gelabert“ inselweit bekannt – eben weil hier auch schon die Großeltern ihre Schaukelstühle kauften. Um noch mehr Zugezogene auf den Geschmack zu bringen, setzt Pep Gelabert mehr und mehr auch auf eine ansprechende Website und auf soziale Medien. Ein bisschen mit der Zeit gehen muss eben auch ein Traditionsbetrieb. „Wir liefern sogar ins Ausland. Aber am besten ist es natürlich, wenn die Kunden selbst herkommen. Nur so können sie genau erkennen, welcher Stoff und welche Holzbehandlung ihnen zusagt.“ Entscheiden sich die Kunden für eine schlichte Ölung des Holzes, dann ist es Gelabert selbst, der diese aufträgt. Transparente oder farbige Lackierungen dagegen gibt er bei einem Malereibetrieb in Auftrag. Genau wie einst sein Großvater.

Balancins Gelabert“ liegt in der unauffälligen Seitenstraße Carrer del Bonjesús, 56 im Zentrum von Manacor. Mehr Infos auf balancinsgelabert.com

Artikel teilen

stats