„La madriguera", Schlupfwinkel nennt Francesc Grimalt (45) seine Bleibe, die er selbst umgebaut, im „Zigeuner-Stil" eingerichtet und mit allerhand Wunderlichkeiten ausgestattet hat, zum Beispiel mit einem kreisrunden Fenster, das wie eine Kamerablende funktioniert. Seine Zaubervilla ist eine Anspielung auf das Anwesen „The Burrow" (Fuchsbau) aus „Harry Potter", steht verloren auf einem Acker etwas außerhalb von Santa Maria del Camí und könnte glatt aus einer seiner Zeichnungen gefallen sein. Mit dieser kunstvollen hölzernen Empore auf geschnitzten Säulen, mit Schränken voller Bücher, Staffeleien, alten Kachelöfen, Hockern mit bunten Kissen, Masken, Bildern und Zeichnungen an den Wänden. Und mittendrin in einem Puppenbett schläft eine dreibeinige Katze.

Nicht nur das Haus, auch Francesc Grimalt steckt voller Überraschungen. Und Talente. Gerade ist er schwer nervös, weil er Tag und Nacht auf die Zusage einer Produktionsfirma aus Kanada wartet, die vorhat, den von ihm gezeichneten 3-D-Film „The Cubical ­Theatre" zu produzieren, ein Film, in dem Terror für Zuschauer hautnah erlebbar wird.

Keine Geheimnisse zwischen den Bewohnern

Aktuell arbeitet der Illustrator und Autor an seinem dritten Kinderbuch, das in Kürze veröffentlicht wird. Es gehört zu einer Reihe, funktioniert aber auch ohne die zwei Vorgänger-Bände. In „Sanatoria" (2014) geht es um Kinder, die in einem Sanatorium wohnen, weil sie von den Erwachsenen für unbequem und auffällig gehalten werden. In Wirklichkeit gehören sie zu der letzten Spezies mit übernatürlichen Fähigkeiten. Der zweite Band „Míseres" (2015) spielt in einem merkwürdigen Dorf auf einem Berg.

Aus Platzmangel fehlen Wege und Straßen, daher sind alle Häuser miteinander verbunden, und es gibt keine Geheimnisse zwischen den Bewohnern. Im Kopf des Autors steckt noch genügend Material für weitere Bände: „Das sind Geschichten, die ich früher meinem kleinen Neffen erzählt habe", sagt Francesc Grimalt, der nicht vorhatte, seine fantastischen Abenteuer je zu veröffentlichen, bis er eines Tages, während einer Filmpause, anfing zu schreiben.

Wo das Leben ihn hinführt

Sein Motto: Dorthin gehen, wo das Leben ihn hinführt. Nach dem Studium der Kunst und Philosophie in Barcelona lebte der Mallorquiner eine Weile in Paris und Valencia und arbeitete zehn Jahre als Porträtmaler. Die alten Meister und ihre Techniken faszinieren ihn bis heute, wie in der Renaissance löst er für seine Porträts Farbpigmente in Wasser auf und bindet sie mit Eigelb. 2010 bekam er das Angebot, ein Buch zu illustrieren, und da der Kunstmarkt gerade kriselte und viele Galerien schlossen, fing er als ­Quereinsteiger mit Illustrationen an. Inzwischen bewegt sich Francesc Grimalt mit seinen Zeichnungen für die Science-Fiction- und Fantasywelt auf internationalem Niveau. Vor ein paar Monaten arbeitete er mit Regisseur Terry Gilliam („Das Leben des Brian", „Brazil") für dessen neuen Film „The Man Who Killed Don Quixote" zusammen.

„Mein Stil hat nichts Mallorquinisches", sagt Francesc Grimalt, er zeichne nicht mediterran, hell und leuchtend. Seine fabelhaften Wesen, Automaten und Puppen wirken eher geheimnisvoll, dunkel und mysteriös. Vorbilder für seine mit Bleistift und Aquarell auf Papier gezeichneten Figuren findet er in alten Büchern, anschließend scannt er sie ein und bearbeitet sie am Computer.

Ideen beim Laufen und Autofahren

„Die besten Ideen kommen beim Laufen und beim Autofahren", sagt Francesc Grimalt, „doch am meisten lerne ich in Zusammenarbeit mit anderen Kreativen." 2015 war er ein halbes Jahr in China, um an dem Kinofilm „Asura" von Regisseur Peng Zhang mitzuwirken. Dort traf er auch die neuseeländische Kostümbildnerin Ngila Dichson, die für ihre Kostüme in „Der Herr der Ringe" einen Oscar gewann. Francesc Grimalt zeichnete die Kostüme für mehrere Filmfiguren, die für die Schauspieler noch angepasst werden mussten. „Eine Idee entwickelt sich im Team ständig weiter, das ist wie ein wunderbarer, organischer Prozess, dem du dich öffnest, und dann fließt es", so Francesc Grimalt.

Was er mache, sei im Grunde nur eine Verlängerung seiner Jugend, findet der Illustrator: „Ein Spiel, bei dem ich mir Geschichten und Figuren ausdenke, nur vielschichtiger als vor 30 Jahren." Seine blühende Fantasie habe er dem Mangel an Spielsachen und Filmen zu verdanken: „In den 80er-Jahren gab es nichts auf Mallorca und noch längst kein Internet", sagt Francesc Grimalt. „Also haben wir uns selbst Geschichten ausgedacht und die Figuren aus Spielfilmen nachgezeichnet oder nachgebaut."In der Filmwelt ist nichts planbar

Sein größter Wunsch: ein Kinofilm mit seinen Figuren. „Nichts ist unmöglich", weiß er. Nachdem er mit Regisseur Terry Gilliam arbeiten durfte, könnte morgen Guillermo del Toro anrufen („Hellboy", „Der Hobbit") und ihn für seine nächstes Drehbuch engagieren. „In der Filmwelt ist nichts planbar", sagt Francesc Grimalt, „doch wenn du einmal den Fuß in der Tür hast und sie wissen, wie du arbeitest, spricht sich dein Name herum."

Bis es mit dem eigenen Film so weit ist, kann er weitere Bücher schreiben. Sein Neffe, für den er die Geschichten einst erfand, ist inzwischen 21 Jahre alt und studierte wie sein Onkel Malerei und Philosophie. Und wenn er mal älter ist, möchte er auch in einem zauberhaften Schlupfwinkel wohnen.