Rund hundert Jahre ist es her, dass einem Beamten im spanischen Verteidigungsministerium in Madrid beim Durchsehen der Post vor Erstaunen das Monokel aus dem Auge gerutscht sein dürfte. Ein gewisser Pere Sastre Obrador aus Llucmajor bat damals in einem Schreiben um staatliche Finanzierungshilfe für eine Erfindung, welche die zivile, aber auch militärische Luftfahrt in absehbarer Zeit geradezu revolutionieren könne.

Cometagiroavió nannte Obrador die eineinhalb Meter lange Konstruktion. Das Fahrgestell bestand aus zwei torpedoförmigen Kufen, über denen neben einem vertikalen Propellermotor auch eine Art riesiger Deckenventilator als Rotor angebracht war. Statt wie ein Flugzeug auf einer Startbahn abzuheben, sollte der oder das cometagiroavió damit senkrecht in die Luft starten können - und in gleicher Weise natürlich auch wieder landen.

Die Heimatgemeinde Llucmajor gedenkt dem Erfinder

Aus Anlass dieses historischen Bittstell­gesuches an die spanische Regierung zum Bau des womöglich ersten Hubschraubers der Welt veranstaltet Obradors Heimatgemeinde Llucmajor in den kommenden Wochen eine Reihe von Veranstaltungen, um dem 1965 im Alter von 70 Jahren gestorbenen Erfinder zu gedenken. Vorgesehen sind unter anderem zwei Theateraufführungen im Kulturzentrum des ehemaligen Franziskanerklosters Bonaventura, die an die außergewöhnliche Geschichte des ausschließlich unter seinem Spitznamen Pere de Son Gall (auf Deutsch etwa „Peter vom Hühnerhof") bekannten Tüftlers erinnern sollen. Zudem wurde am 15. April ebenfalls in Bonaventura eine Ausstellung zur Geschichte der Luftfahrt auf Mallorca eröffnet.

Pere Obrador Sastre wurde 1895 auf einer kleinen Hühnerfarm etwas außerhalb des Dorfes geboren. Trotz seiner bäuerlichen Herkunft entwickelte er im Laufe der Jahre ein bis dahin in seinen Kreisen eher unübliches Interesse für physikalische Erfindungen und technische Errungenschaften. Allen voran für die Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit einsetzende Entwicklung im internationalen Flugzeugbau. 1917 begann er, die ersten Baupläne eines Apparates zu entwerfen, der sich - im Gegensatz zu einem horizontal startenden und landenden Flugzeug - vertikal vom Boden in die Luft erheben sollte.

Für ein paar Sekunden abgehoben

Noch im gleichen Jahr beauftragte er einen befreundeten Schmied mit der Anfertigung von Fahrgestell und Rotoren für seine Erfindung. Und von einem weiteren Bekannten lieh er sich dessen Motorrad fürs Wochenende aus, um dessen Zweizylinder-Triebwerk auszubauen und als Triebwerk für seinen cometagiroavió umzuschrauben. Irgendwann war die Konstruktion schließlich für den Jungfernflug startklar.

Ob der jemals stattgefunden hat, konnte aufgrund fehlender Augenzeugen nie offiziell bewiesen werden. Obrador behauptete bis zu seinem Tode steif und fest, dass er und sein Urzeit-Helikopter an einem Frühjahrstag 1919 für ein paar Sekunden auf dem elterlichen Bauernhof abgehoben hätten - wenngleich auch nur ein paar Zentimeter hoch.

Um anschließend seine Erfindung zu verbessern, benötigte er allerdings Geld, das er nicht hatte. Also wandte sich Pere schließlich an die spanische Regierung in Madrid, um um finanzielle Unterstützung für den Helikopter zu bitten. Umsonst. Mehr als zwei Jahre lang bot der Mallorquiner seine Erfindung im Verteidigungsministerium wie sauer Bier an, schickte Pläne und Zeichnungen an Behörden und Patentämter im ganzen Land. Und stieß überall auf taube Ohren. In einem Antwortschreiben des spanischen Verteidigungsministeriums hieß es am Ende: „Aufgrund der Unnützlichkeit Ihrer Erfindung für die spanische Armee bitten wir darum, weitere Forderungsgesuche unverzüglichst einzustellen."

Eine unvergessliche Persönlichkeit

Ein Jahr später dann eine erneute Schreckensnachricht für Pere: Der Madrider Ingenieur Juan de la Cierva war mit seinem Autogiró - später als Traghubschrauber bezeichnet - vor zahlreichen Augenzeugen glatte 800 Meter geflogen. Angeblich, so behauptete der Mallorquiner ebenfalls bis zu seinem Lebensende, hätte de la Cierva seine Pläne mithilfe des Verteidigungsministerium kopiert.

„Ob seine Erfindung aus technischer Sicht jemals Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, ist eigentlich zweitrangig", sagt Xisca Lascolas, Kulturdezernentin im Rathaus von Llucmajor. „Für die Gemeinde zählt Pere de Son Gall allein aufgrund der unbeugsamen Entschlossenheit, mit der er versuchte, seine für viele Zeitgenossen scheinbar absurde Idee in die Realität umzusetzen, zu einer unvergesslichen Persönlichkeit." Mit der rund um den Jahrestag geplanten Veranstaltungsreihe wolle man dem cometagiroavió und seinem Erfinder ein kleines Denkmal setzen. Denn das hätten beide mehr als verdient.