Es ist kein Geheimnis: Kinder deutscher Einwanderer auf Mallorca sahnen in der Weihnachtszeit besonders ab. Adventskalender, Nikolaus, Christkind, Papá Noel und die Reyes Magos – ein Highlight jagt das nächste. Und zu Ostern? Da geht es mittlerweile ähnlich turbulent zu. Der Osterhase und seine mallorquinischen Kumpane reißen sich dieser Tage geradezu darum, die Kinder zu beglücken – zur unermesslichen Freude der Eltern.

Mal groß und bunt aus Filz, mal krakelig koloriert aus Papier, mal weniger fein säuberlich ausgeschnitten aus Moosgummi – die gesamte Front der Kücheninsel im Hause Schmidt in Cala Ratjada ist voll von Bastelarbeiten. Sie alle zeigen das gleiche Motiv: die Jaia Corema. „Ich nenne sie die Osterhexe“, sagt Anna Schmidt. Jahr für Jahr kramt die deutsche Auswanderin die gesammelten Werke ihrer Kinder hervor – und hilft zwischen Papierschnipseln und Flüssigkleber, neue entstehen zu lassen. Dass die Westfälin lange keine Ahnung davon hatte, dass auf der für sie ja einst entfernten Mittelmeerinsel eine Fantasiegestalt existiert, die die Fastenzeit repräsentiert, und der die Kinder traditionell jede Woche eines ihrer sieben Beine abschneiden, bis Ostern ist, spielt keine Rolle. „Wir wohnen auf Mallorca. Natürlich ist die Jaia Corema dann auch bei uns zu Hause.“

Wobei sie bald Gesellschaft bekommt. Osterhasen aus Schokolade, bemalte – und dann versteckte – Eier und Osternester dürfen natürlich auch nicht fehlen. Und zum Ostersonntag gibt’s Rührkuchen in Lammform mit Puderzucker. „So wie damals bei uns im Ruhrgebiet“, sagt Anna Schmidt.

Backen und Malen

Dass der Osterhase all das nicht allein auf die Beine stellen kann, sondern die Eltern ihm oft nicht unwesentlich unter die Pfoten greifen müssen – sei’s drum. Wer ist nicht voll des Entzückens, seinen Kindern auch in der Osterzeit volles Programm mit Kalorien-Garantie bieten zu können.

Familienleben mit Kleinkindern ist ja sonst überhaupt nicht trubelig. Und Pascua macht doch gleich noch viel mehr Spaß, wenn sich die kleinen, vom Eierbemalen noch leicht eingefärbten Kinderhändchen des Sohnemanns am Karfreitag kurz nach der ausschweifenden Malerei auch in der Teigschüssel austoben. Schließlich wollen noch panades gebacken werden, die typischen Teigtaschen, die auf der Insel einst schon vor der Fastenzeit angefertigt wurden, um das darin eingelegte gesalzene Fleisch haltbar zu machen, das an den Ostertagen nach Wochen des Verzichts endlich wieder verzehrt werden durfte.

Und, oh Freude, auch die Backutensilien, die so mancher Deutscher nach der Adventsplätzchenbäckerei bereits bis zum nächsten Winter verstaut hat, kann man nun vorzeitig wieder hervorkramen: Was wäre denn ein mallorquinisches Ostern ohne crespells (jene typischen Ausstechplätzchen, oft in Form von Frühlingsmotiven, die – zugegeben – echt lecker sind)?

Nun gut, manchmal muss man sie nicht selbst aufs Blech bringen, oft übernehmen zuvorkommende Vor- oder Grundschullehrerinnen diese mehlige Aufgabe vor Ferienbeginn. Und tatsächlich werden auch andere Frühlingsbräuche häufig im Klassenverband abgehandelt. Die Frühlingsfee Fada de Primavera ist meist so freundlich, ihre Freude am Chaos in der Schule statt in Privathäusern auszuleben und dort die Räume erst zu verwüsten und dann mit Blumen zu verzieren.

Mallorquiner haben's auch nicht leichter

Ein kleiner Trost für ausgebrannte Auswanderer-Eltern, die beim Ostervorbereitungs-Marathon dann doch ins Schwitzen kommen: Auch die Mallorquiner haben mittlerweile allerhand zu tun, um ihren Nachwuchs in der Setmana Santa zu begeistern. „Das Panades-Backen ist immer ein großes Event bei uns. Wir machen es stets am Gründonnerstag oder Karfreitag mit der Großfamilie. Onkel, Tanten, Cousins und Großeltern, alle sind dabei“, so die Mallorquinerin Alicia Rodríguez.

Wenigstens um die monas de pascua – fantasievolle Schoko-Gebilde, meist aus teuren Konditoreien – muss sich die zweifache Mutter nicht kümmern. Wie es der Brauch will, bekommen ihre Kinder sie am Ostersonntag von ihren Paten überreicht. Eine andere Tradition, das vorösterliche Gießen der confitera – eine imaginäre Pflanze, die die Kinder bei guter Pflege zu Ostern mit süßen, bohnenähnlichen Leckereien, den confits, belohnt – werde im Hause Rodríguez dagegen gar nicht mehr weitergeführt.

Dafür liegen typisch deutsche Traditionen auch bei den Einheimischen immer mehr im Trend. „Seit wir Kinder haben, gibt es jedes Jahr eine Schokoeier-Suche bei uns im Hof. Dabei kenne ich das aus meiner Kindheit überhaupt nicht“, berichtet Alicia Rodríguez. Doch wen wundert’s, seit Drogeriemarkt-Ketten wie Müller auf der Insel Einzug gehalten haben und seit Wochen mit zum Bersten vollen Regalen von Osterleckereien werben? „Irgendwie fühlt man sich da auch als Mallorquiner im Zugzwang“, sagt Rodríguez.

Vor allem in Küstenorten, wo viele Deutsche leben, wie in Cala Ratjada: Hier veranstaltet die Elternpflegschaft der örtlichen Grundschule seit Jahren am Gründonnerstag eine große Eiersuche – ganz nordeuropäisch, mit echten, bemalten Hühnereiern. Schulter an Schulter werden Alicia Rodríguez und Anna Schmidt auch in diesem Jahr teilnehmen und im Wald hinter dem Cala-Agulla-Strand im Gebüsch herumkriechen, um ihren Nachwuchs zu unterstützen. Ein Halleluja für den Mix der Kulturen!