Man kann die Sportler fast sehen, wie sie beim Padel-Spielen ihre Ausrüstung kaputt schlagen, wie sie schwere Gewichte stemmen, trainieren und schwitzen. Die Schläger hängen inzwischen in einem Netz über dem Eingangsbereich, die Fenstergläser sind trüb, die Farbe blättert von den Wänden. Daneben hängen große und kleine Leinwände mit leuchtenden Farbexplosionen.

Der Berliner Künstler Christian Awe hat das ehemalige Sportstudio „La Célula“ in der Carrer de Guasp, 23, in Coll d’en Rabassa (Palma) gekauft. Vor 150 Jahren war das Gelände mal ein Steinbruch. Später war es ein Firmengelände, unter anderem von Ashram, am Ende eben ein Sportzentrum, das unter anderem dem in den 70er-Jahren bekannten Torwart Miguel Vallespir gehörte. Awe will daraus jetzt eine „Begegnungsstätte“ für Künstler erschaffen.

Kulturfeste in Coll d'en Rabassa

„Es gibt auf Mallorca viele Galerien und Ausstellungshäuser, aber ein Ort der Begegnung hat mir noch gefehlt“, sagt er. Auf Veranstaltungen und auch mit Ausstellungen sollen sich Künstler unterschiedlichster Gattungen austauschen. Am Osterwochenende hat der 43-Jährige sein neues Projekt bei einem „Kulturfest“ eingeweiht. Eine Opernsängerin gab eine kleine Vorführung, eine Tänzerin ebenso. Kinder malten an die Wände, auf den alten Padel-Feldern wurden wieder Schläger geschwungen. Awe mag solche Events. Und natürlich waren auch seine Bilder ausgestellt.

Awes Kunst in einem ehemaligen Squash-Raum. Marlene Weyerer

Das Sportstudio als Kunstraum passt in gewisser Weise perfekt zu Awe, der neben Kunst auch Sport studiert hat. Der 43-Jährige war an der Universität der Künste Schüler von Georg Baselitz, später Meisterschüler von Daniel Richter. Der Berliner ist ein erfolgreicher Künstler mit Ausstellungen in ganz Deutschland, in Tokio, Stockholm und den USA. Weil er als Jugendlicher Graffiti sprühte und Fassadenmalerei betrieben hat, wird er häufig als Street-Artist betitelt. Eine Bezeichnung, gegen die er sich wehrt: Er sieht sich als Maler und eben Künstler.

Seine Kunst sieht auch nicht wirklich nach Street-Art oder Graffiti aus. Es sind vielschichtige Farbexplosionen. In den expressionistisch anmutenden Formen lassen sich Figuren oder sogar Szenen erahnen. Auch seine großen Fassadenwerke sind nicht gesprüht, sondern gemalt.

Aktuell arbeitet er an einer Serie mit dem Namen Wasserbilder, passend zu Mallorca. In manche Bilder, die er hier malt, sind sogar Pflanzenstückchen aus der Insel eingebaut, die während seiner Arbeit in die Farbe gefallen sind. Einige dieser Bilder sind ganz in Blau gehaltene Gemälde mit Wassertropfen, die plastisch aussehen. Weil die Menschen teilweise dachten, die Bilder seien gedruckt, hat Awe angefangen, Fehler in seine Malerei einzubauen.

"Es ist eher Berlin als Palma"

Awes Kunst ist vor allem städtisch, urban. Und urban ist auch das Sportzentrum, das in manchen Ecken in einem desolaten Zustand ist. Awe will es vorsichtig renovieren, der kaputte Retro-Charme soll bleiben. „Es ist eher Berlin als Palma“, sagt der Künstler. Er führt von dem Empfangshäuschen, in dem kaputte Holzschläger in einem Netz an der Decke hängen, vorbei an Gemälden, an denen er aktuell arbeitet und die an der frischen Luft trocknen, in seinen Lieblingsraum.

„Basketball ist auch eine meiner Leidenschaften“, erklärt er. In dem Raum ist ein Basketballkorb, daneben an einer Wand mit bröckliger Farbe sein Werk „MeerSeher 2022“. An der Decke hängt ein Kletterseil, auf dem Boden liegen Bälle. „Wir haben bisher vor allem viel entrümpeln müssen“, erzählt Awe und grinst.

Fitness wie vor 50 Jahren Marlene Weyerer

Weiter durch die Räume: Im Squash-Raum sind noch die schwarzen Abdrücke der Bälle an der Wand, daneben weitere Bilder. Im ehemaligen Fitnessraum ist nichts aufgehängt, aber die alten Geräte sind auch schon fast eine Ausstellung. „Es sieht aus, als hätte hier schon Rocky Balboa trainiert“, sagt Awe.

Der 43-Jährige mit den mittellangen grauen Haaren redet gern, vor allem von sich und seiner Kunst. Aber er hat auch viel zu erzählen. Ende Mai, Anfang Juni will er eine Ausstellung mit 30 lokalen Künstlern in der Begegnungsstätte organisieren. Später soll es in Wohnungen über dem Studio Platz für „Artists in Residence“ geben. Er wolle einen nicht kommerziellen Raum für Kultur schaffen, verspricht Christian Awe – die Kunst von der Insel gewissermaßen zu einer Art Teamsport machen.

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Über Kunst hinaus

Abdrücke seiner Fasadenmalerei verkauft Christian Awe, um sein soziales Engagement zu finanzieren. Er hat dadurch bereits eine Schule in Kassan in Burkina Faso gebaut, ein Krankenhaus dort ist in Planung. Awe unterstützt außerdem die Kampagne "100 Stimmen gegen Kinderarmut" in Berlin-Lichtenberg.