Jean Paul Gaultier-Ausstellung auf Mallorca: Was ist heute noch wirklich rebellisch?

Von der Leinwand auf den Laufsteg und zurück: Im CaixaForum erzählt Jean Paul Gaultier, wie Bilder und Styles entstehen

Jean Paul Gaultier bei seinem Besuch auf Mallorca anlässlich der Ausstellung „Cine y Moda“. | FOTOS: B. RAMON, CAIXAFORUM

Jean Paul Gaultier bei seinem Besuch auf Mallorca anlässlich der Ausstellung „Cine y Moda“. | FOTOS: B. RAMON, CAIXAFORUM / Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Als er ein Junge war, habe er einen Film gesehen, der sich als wegweisend für sein Leben herausstellen sollte, erklärt Jean Paul Gaultier. Der 71-jährige französische Modedesigner spricht auf der Bühne des Auditoriums im CaixaForum zu Journalisten und ein paar geladenen Gästen. Der Film, „Falbalas“ von Jacques Becker aus dem Jahr 1945, ist eine Geschichte um eine Affäre in der Pariser Modewelt. Der Modeaspekt war für den 13-jährigen Gaultier damals deutlich eindrucksvoller als die Liebesaffäre. „Als ich das sah, wusste ich: Das ist, was ich machen möchte.“

Metall als Kleidung: Schaufenster in der Ausstellung „Cine y Moda“. |

Metall als Kleidung: Schaufenster in der Ausstellung „Cine y Moda“. | / Patrick Schirmer Sastre

Doch auch die Verbindung zum Kino sollte ein Leitmotiv für den Mann bleiben, der lange als Regelbrecher und Enfant terrible wahrgenommen wurde. Neben seinen eigenen Modekollektionen und seiner Arbeit für Marken wie Hermès hat er auch immer wieder das Kostümdesign für Filme übernommen. Zu den bekanntesten gehören Luc Bessons „Das fünfte Element“ und Pedro Almodóvars „La mala educación“.

Gaultier ist selbst der künstlerische Leiter der Ausstellung „Cine y Moda“ (Kino und Mode), die seit vergangenem Samstag (30.9.) im CaixaForum im Zentrum von Palma zu sehen ist. Es ist keine klassische Retrospektive der Arbeiten des Modedesigners, wie man vielleicht erwarten könnte. Stattdessen suchen die beiden Kuratoren Florence Tissot und Matthieu Orléan Anknüpfungspunkte zwischen dem Schaffen Gaultiers und der Kinogeschichte im Allgemeinen. Das heißt: Weder sind alle in der Schau behandelten Filme von Gaultier ausgestattet worden, noch stammen alle Kleidungsstücke, die man sieht, von ihm.

Das führt dazu, dass auf den ersten Blick alles ein wenig durcheinandergewürfelt wirkt. In einem Bereich findet sich etwa die Boxerhose, die Sylvester Stallone in „Rocky IV“ getragen hat, neben einem Kostüm, für das sich Gaultier beim Endzeit-Action-Klassiker „Mad Max“ inspiriert hat. Dreht man sich um, erblickt man eine Original-Hose aus dem Film „Arizona Bill“ (1910) sowie auf ein Kleid, das Marilyn Monroe um 1950 bei den Promo-Terminen für „All About Eve“ getragen hat.

Geschlechterrollen auf der Leinwand

Wobei die Ausstellungsmacher betonen, dass es nicht darum gehe, die wechselseitige Abhängigkeit von Mode und Kino zu analysieren, sondern vor allem darum, die Darstellung von Geschlechterrollen auf der Leinwand und in der Kleidung zu erkunden. Und so ist die Schau auch in fünf Themengebiete aufgeteilt, beginnend mit den Anfängen von Gaultiers Karriere, also mit „Falbalas“ und dessen Bedeutung für die Darstellung von Mode.

Der zweite Bereich hinterfragt die Darstellung von Geschlechteridentitäten in der Mode anhand von Beispielen wie Marlene Dietrichs Vorliebe für Anzüge, der Weiblichkeit der bereits erwähnten Marilyn Monroe oder Marlon Brandos durch das weiße Unterhemd in „A Streetcar Named Desire“ ausgedrückte Männlichkeit. Ebenso werden durch Superhelden dargestellten Stereotype behandelt.

Gaultier in jungen Jahren im legendären Bretonhemd-Look.

Gaultier in jungen Jahren im legendären Bretonhemd-Look. / Patrick Schirmer Sastre

Im dritten Bereich steht wieder mehr Gaultier im Mittelpunkt und seine Freude am Regelverstoß, gerade in Sachen Anstand und Geschlechternormen. Der Designer hatte eine Vorliebe für die rohe Ausdruckskraft des Punk sowie für die Darstellung von Körpern, die nicht den gesellschaftlichen Ansprüchen von Schönheit entsprechen. Zu sehen sind etwa Kostüme Gaultiers aus „La mala educación“ sowie seine ikonischen Seemannshemden.

Der vierte Bereich analysiert die Darstellung von Metall in Filmen und Kostümen. Hier werden Parallelen zu den Arbeiten von Paco Rabanne gezogen und mehrere Metallkleider Gaultiers ausgestellt, die von Filmen inspiriert sind. Zum Abschluss steht dann die Mode selbst im Mittelpunkt. Auf einer länglichen Bühne wird eine Art Catwalk inszeniert, bei denen man unter anderem Entwürfe von Cristóbal Balenciaga und Anaïs Romand sieht.

Gaultier taucht eher sporadisch auf

„Cine y Moda“ ist eine bunte Ausstellung, abwechslungsreich, in manchen Momenten gar laut. Es stellt sich teils die Frage, ob sie nicht zu viel Mode für diejenigen enthält, die sich für Kino interessieren und zu viel Kino für die, die sich für Mode interessieren. Und ein wenig ist es schade, dass das Schaffen von Jean Paul Gaultier eher sporadisch auftaucht. Der rote Faden scheint bisweilen abzureißen.

Jean Paul Gaultier ist sich jedenfalls seines Erbes bewusst. Ihm ist heute alles viel zu kommerziell, erklärt er im CaixaForum. Die Mode. Das Kino. Die Popmusik. „Es ist ein Jammer.“ „Barbie“ etwa habe ihn schwer enttäuscht, erbost sich der alte Punker. „Was ist heute noch wirklich rebellisch?“ Es ist eine Frage, über die sich diskutieren ließe. Die Ausstellung im CaixaForum ist es jedenfalls nicht.

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