Nachhall eines tristen Lebens: Fotografien zeigen die Zellen im alten Gefängnis von Palma de Mallorca

Das Casal Solleric präsentiert aktuell wieder die Werke der Finalisten des Kunstpreises der Stadt Palma. Sehenswert ist vor allem die fotografische Arbeit der diesjährigen Siegerinnen

Verlassene Gefängniszellen: ein Foto aus der preisgekrönten Serie „Habeas Corpus“,

Verlassene Gefängniszellen: ein Foto aus der preisgekrönten Serie „Habeas Corpus“, / B. Rohm

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Selten war der Gewinner des mit 12.000 Euro dotierten Preises „Premi Ciutat de Palma“ wohl so eindeutig wie in diesem Jahr: Bei der Gruppenausstellung mit den Arbeiten der Finalisten in der Kategorie bildende Kunst bleibt man unweigerlich am Projekt „Habeas Corpus“ von Maria Jesús González und Patricia Gómez hängen, das im Zwischengeschoss des Casal Solleric präsentiert ist.

Die beiden Künstlerinnen aus Valencia fotografierten im Jahr 2011 die geräumten Zellen in Palmas altem Gefängnis – ein eingefrorener Moment, der in den Köpfen der Betrachter eine ganze Welt entstehen lässt: In die Decke eines Bettes scheint sich gerade noch ein Körper eingehüllt zu haben, ein halb leeres Marmeladenglas erzählt von kargen Mahlzeiten. Die Präsenz der Häftlinge, die den Ort scheinbar überstürzt verließen, ist in jedem Detail spürbar, ihre Geschichten hallen nach.

Ein Foto aus der preisgekrönten Serie „Habeas Corpus“.

Ein Foto aus der preisgekrönten Serie „Habeas Corpus“. / B. Rohm

Durch die niedrige Perspektive wirkt der Lichteinfall durch die vergitterten Fenster unerreichbar fern. Und er vermag die Trostlosigkeit ebenso wenig zu lindern wie die provozierend bunt gestrichenen Wände – beim Anblick der im Schnittwinkel zwischen Kunst und Dokumentation konzipierten Bilder stellt sich ein beklemmendes Gefühl ein. Auch ohne zu wissen, dass González und Gómez in Palma zusätzlich direkt mit einer Gruppe von Insassen zusammengearbeitet haben, ist das Werk intuitiv zugänglich und bereichernd.

Weitere Werke in der Ausstellung

Das gilt nicht für alle Projekte, die es in die Top Ten geschafft haben: Einige setzen tieferes Hintergrundwissen, viel Zeit oder beides voraus – so gibt es zwei fast abendfüllende, historisch gehaltvolle Videoarbeiten mit 90 oder gar 135 Minuten Länge, von Paloma Polo („Dulcinea“) und Mireia Sallarès („Història potencial de Francesc Tosquelles“). Vergleichsweise kurzweilig zeigt sich da ein 36-minütiges Video von Marla Jacarilla, die es zum zweiten Mal in Folge unter die Finalistinnen geschafft hat: „Exterior Día. Una familia cualquiera sonríe“ untersucht mittels eines kommentierten Zusammenschnitts, wie Super-8-Filme Millionen von Familien prägten.

Eine Installation von Gala Knörr.

Eine Installation von Gala Knörr. / B. Rohm

Wer noch weniger Zeit mitbringt und einen kurzen Rundgang durch die Schau bevorzugt, kann etwa direkt am Eingang an Gala Knörrs Installation „Ningún hombre es una isla“ verweilen: Inspiriert von Werken der Antike im British Museum kreiert die Künstlerin eine neue Bildsprache der Macht. Sie ist als Post-Brexit-Strategie für Menschen zu verstehen, die durch die Politik Unsicherheit und eine gesellschaftliche Spaltung erleben.

Klassische Darstellungen und zeitgenössicher Ausdruck treffen auch bei „ICONA#34“ von Toni Amengual aufeinander: Seine Fotografie auf Papier, in der sich eine junge Frau – in barocker Pose, aber mit Handy – erahnen lässt, ist zerknittert und ohne Rahmen an der Wand befestigt. Der beabsichtigte Effekt: Es soll die Idee eines Bühnenvorhangs und von bewusster Manipulation erweckt werden.

Eine von Kontroversen überschattete Preisverleihung

Sie hätte glamourös sein sollen, die Gala zur Verleihung der renommierten Kulturpreise „Premis Ciutat de Palma“, die am 19. Januar im Teatre Principal zelebriert wurde. Doch in diesem Jahr standen weniger die Gewinnerinnen und Gewinner im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern vielmehr die Polemik um die Mängel der Veranstaltung. Denn in diesem Jahr sind zwei Kategorien leer ausgegangen: der Gastronomie-Preis Caty Juan de Corral und vor allem der mit 26.000 Euro am höchsten dotierte Preis Llorenç Villalonga de Novel·la für den besten Roman – der laut Reglement auf Katalanisch geschrieben sein muss.

Die liberale Partei Ciudadanos sah darin „einen Beweis für die intellektuelle Wüste des Nationalismus“. Die Parteisprecherin Eva Pomar kritisierte den Ausschluss „der gemeinsamen Sprache aller Spanier“ von den Premis Ciutat de Palma – den Preisen einer Stadt, „die sich auf natürliche Weise auf Spanisch und Katalanisch ausdrückt und lebt“.

Der Verband „Asociació de Artistes Visuals de Balears“ (AAVIB) brachte zudem seine Unzufriedenheit mit den geltenden Vorgaben für den Kunstpreis Antoni Gelabert d’Arts Visuals zum Ausdruck: Alex Ceball, Sprecher des Verbandes, forderte eine Unterteilung in die Kategorien Malerei, Fotografie, Skulptur und Installation. Die derzeitigen Regeln, die dazwischen nicht unterscheiden, bezeichnete er als „respektlos“ gegenüber Künstlern.