Glückwunsch, Gustavo! Mallorcas in Deutschland wohl bekanntester Künstler wird 85

Gustavo, einer der gerade unter Deutschen bekanntesten Künstler der Insel, wird an diesem Donnerstag 85 Jahre alt. Wir baten ein anderes Mallorca-Original, den Autor Axel Thorer, um einen gebührenden Glückwunsch. Er wählte einen persönlichen Brief

Gustavo im Jahr 2020 in seiner Galerie in Capdepera.

Gustavo im Jahr 2020 in seiner Galerie in Capdepera. / Nele Bendgens

Lieber Freund, ich weiß, die Jahre sind Dir „wurscht“ (würdest Du auf Berlinerisch sagen, Deiner dritten Gebrauchssprache, weil Du von 1976 bis 1990 in Kreuzberg gelebt hast). Ja, denn wenn einer schon zu Lebzeiten unsterblich ist, lacht er über die Zählweise nach Geburtsdatum. Was ist das, unsterblich? Wenn man ohne Familiennamen lebt wie Paulus (der Apostel), Raffael (der Kollege) und Madonna (die Sängerin): Gustavo. 1939 in Cartagena geboren, fast am Tag, als der Bürgerkrieg starb. Scheußliche Zeit, Faschist an der Macht. Familienname Penalver, seit 1944 auf Mallorca (in Capdepera), und fragt man Dich in Deinem Atelier, wo selbst verkleckste Alt-Pinsel Kunstwerke bilden und Du an acht bis zwölf Bildern gleichzeitig malst, wo Du wirklich herkommst, sagst Du immer mit Deinem satyrischen Lächeln: Miró, Brel, Fellini, Lindenberg ...

Eine nette Gruppe. Und was ist mit dem FC Barcelona? Wirst Du nicht automatisch aus der Vereins-Tienda mit den neuesten Fan-Artikeln versorgt? Du, der culé Nr. 1, den der Punktestand ebenso interessiert wie der Kontostand ...

Von wegen lustige bunte Männchen mit bescheuerten Titeln

Was glauben die Leute eigentlich von Dir – dass Du lustige bunte Männchen mit bescheuerten Titeln malst? Nein, wenn Du einen Pinsel an Deine Hand klemmst, dann wird’s oppositionell. Du trägst das spanische Großkreuz des politischen Adels in einer Deiner Hosentaschen, weil das Franco-Regime einige der Bilder verbrannt hat, die Du ihnen um die Ohren gehauen hast. Hier Bücherverbrennung, da Bildersturm.

Eine Auswahl von Gustavo-Figuren in der Galerie in Capdepera.

Eine Auswahl von Gustavo-Figuren in der Galerie in Capdepera. / Nele Bendgens

Warst Du damals eigentlich im Gefängnis? Ah, ich weiß, es liegt Dir nicht, Dich als Widerstandskämpfer zu deklarieren. Aber hockt man sich vor Deine Comics und entschlüsselt sie, soweit das klappt, dann stecken in dem „Exporteur von Cayenne-Pfeffer“, im „dünnen Mann mit dickem Pulli“ und dem „kindlichen Buchhalter“ tückische Wahrheiten gegen ... na, eben die! Du hast Hieroglyphen des Widerstands geschaffen. Unterhaltsame Verstecke.

Darf man trotzdem Kind sein? Mit fröhlich tollenden Gedanken vor Deinen Bildern stehen? Trotz der unterschwelligen Message? Ja, denn man weiß doch, was das Feuilleton in Dir sieht und wie’s Wikipedia so herrlich simpel ausdrückt: „Besonders in Deutschland ist Gustavo als wichtiger zeitgenössischer spanischer Künstler bekannt. Charakteristisches Merkmal seiner Malerei sind die farbenprächtigen skurrilen Gestalten, die er in absurden und komischen Situationen auf die Leinwand bannt. Dabei kommt er mit seinem Stil dem Surrealismus nah. Auch die poetischen Bildtitel bilden nahezu einen eigenen Kunststil.“ Blabla, unverstanden und dennoch Weltmeinung.

Das zu diesem Zeitpunkt noch unvollendete Wandgemälde von Gustavo an der Hafenmauer von Cala Ratjada.

Das zu diesem Zeitpunkt noch unvollendete Wandgemälde von Gustavo an der Hafenmauer von Cala Ratjada. / Nele Bendgens

So zu malen wie andere, langweilt ihn

Oh, Du kannst auch anders, aber die Galeristenwelt will bunte Männchen. Ich habe herrliche Landschaften und bezaubernde Porträts von Dir gesehen. Aber so zu malen wie andere, langweilt Dich. Selbst wenn Du besser bist. Gerade dann. Deine Männchen (ich muss immer an meinen anderen Malerfreund denken, Keith Haring!) sind unendlich vielseitiger verwendbar: auf Wandteppichen, Hafenmauern, Hochhauswänden, Uhren – und sogar, man glaubt’s kaum, in Glasfenstern. Du, Gustavo, als Kirchenmaler? Ach ja, ich weiß, die Herausforderung hat Dich gereizt. So wie Du plötzlich den kickenden Beckenbauer in Metall geformt hast, als typisches Gustavo-Männchen, aber doch der „Kaiser“. Dann hast Du mir die Skulptur mitgegeben und ich habe sie Franz in Deinem Namen überreicht.

¡Amigo mío, loquísimo aficionado a la sacra siesta española! Ab 15 Uhr weilt Gustavo nicht unter den Lebenden, jeden Tag. Seit Jahren. Gegen 17 Uhr aufersteht er. Man kann’s nicht ändern. Läutet das Telefon, geht niemand ran, weil das kein Bekannter sein kann. Die/wir wissen um die Siesta Sacra Gustaviana. Ist er ihretwegen so alt ohne Defizite geworden? Platzt vor Kreativität und Tatkraft?

Gustavo an der Hafenmauer von Cala Ratjada.

Gustavo an der Hafenmauer von Cala Ratjada. / Nele Bendgens

Nachfolger von Landsmann Don Juan

Was die Leute nicht wissen, ist, dass Du Regine, Deine deutsche Ehefrau, zwar unendlich geliebt hast (ich auch, nicht zuletzt wegen ihrer unvergleichlichen Torten), aber auch ein Nachfolger von Deinem Landsmann Don Juan bist, nie Eremit warst/bist, außer in den Stunden vor der Leinwand, und an Schönheit nicht unbeeindruckt vorüber kannst als Künstler. Als Methusalem ein Unwiderstehlicher, mehr verrate ich nicht. Vielleicht war’s ja auch eine Geste des Schicksals zum 85., das verpackt manchmal Frauen als Geschenk.

¡Muy amigo mio, un gran abrazo! Dein um viereinhalb Monate älterer Freund grüßt dich. Wären wir Zwillinge, würde ich König, Du nur Herzog. Aber so spielt das wahre Leben nicht – Du bist ein Allmächtiger durch Dein Talent ...

Abonnieren, um zu lesen