„Stille gratis“ lautete die Schlagzeile seines ersten Artikels für die Mallorca Zeitung, erschienen am 20. Oktober 2000: eine „besinnliche Wanderung zum Berggasthof Es Refugi Tossals“ – damals noch mit einem literarischen Einstieg versehen, den er sich später zugunsten von Fakten und Nutzwert sparen sollte. Mehr als 20 Jahre lang hat Roland Otto von da an in der MZ fast wöchentlich eine Wanderung beschrieben. Mit ihm zusammen haben wir die Serra de Tramuntana und viele andere Ecken der Insel erkundet. Jetzt ist Roland Otto am vergangenen Montag (5.7.) im Alter von 70 Jahren bei sich zu Hause in Alaró an einem plötzlichen Herzstillstand verstorben.

Roland Otto kam 1950 in Wertheim (Baden-Württemberg) als Kind einer aus der DDR übergesiedelten Familie zur Welt. Sein Vater fand in der Glasindustrie in leitender Position Arbeit. Roland, der auf ein humanistisches Gymnasium ging, sah sich stets als Arbeiterkind. Er war 18 in dem so prägenden Jahr 1968, verweigerte den Kriegsdienst, zog nach München und erprobte neue Wohn- und Lebensformen. Roland Otto schmiss die Deutsche Journalistenschule zugunsten einer Beschäftigung als Werktätiger an der Oper, politisierte sich stark, nahm an bewaffneten Aktionen einer militanten linksextremistischen Gruppe teil und wurde schließlich 1977, kurz vor dem Deutschen Herbst, in einem Prozess freigesprochen, bei dem es um eine Schießerei ging, bei der ein Polizist und ein Terrorist zu Tode gekommen waren.

Roland Otto zog danach zunächst nach Hamburg, wo er mit seiner zweiten Ehefrau einen Sohn bekam. Später baute er in Berlin ein Zeitungsarchiv über die Studentenbewegung und ihre Radikalisierung mit auf. Die nunmehr rein geistige Auseinandersetzung mit den Ungerechtigkeiten dieser Welt, mit dem Kapitalismus und seinen Folgen, aber auch seiner eigenen Geschichte, blieb sein Lebensinhalt. Roland Otto las auch auf Mallorca nicht eine, sondern mehrere Zeitungen und Zeitschriften am Tag und verfolgte das politische Geschehen so akribisch, wie er seine Wanderungen beschrieb. Noch am Tag seines Todes umtrieb ihn vor allem die Frage, ob es nun in Peru zu einer linken Regierung kommen wird oder nicht.

Nach Mallorca kam er 1994, auf Einladung der späteren MZ-Redakteurin Barbara Pohle, die zu seiner Lebenspartnerin wurde. Beide betreuten im Auftrag des Diakonischen Werks Gruppen von deutschen Jugendlichen, die sich auf Mallorca eine Auszeit von ihren Problemen daheim nahmen, arbeiteten als Redakteure für eine deutsche Nachrichtensendung beim Privatsender „Canal 4“, schrieben für das deutschsprachige Magazin „Leben“. Als die Mallorca Zeitung im Mai 2000 erstmals erschien, war Barbara Pohle eine der Gründerinnen. Roland Otto kam im Oktober hinzu.

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Die Redaktion selbst betrat er nur selten, außerhalb des familiären Umkreises blieb er so liebenswürdig wie scheu und eigensinnig. Nicht so, wenn er auf seinen Touren einheimische Wanderer traf und mit ihnen ins Gespräch kam. In den Bergen, wo auch seine Asche verstreut werden soll, da war er bei sich. Als Wanderautor für die Mallorca Zeitung hatte er eine Lücke gefunden, wo er sich nicht verraten musste. Es war eine Aufgabe, die ihn erfüllte.

Insgesamt sollten es über 800 gewissenhaft recherchierte Wanderbeschreibungen werden. Wenn nötig, wenn er sich nicht sicher war, ging er die Route auch noch ein zweites Mal ab, bevor er sich daran machte, in zwei, drei Tagen Arbeit seine mit kleinen historischen oder kulturellen Exkursen gespickten Artikel erst per Hand zu schreiben und dann in den Computer zu übertragen. Dafür zu sorgen, dass wir uns nicht verirren, vielleicht war das seine Art, damit umzugehen, dass er sich einst verlaufen hatte.