Wer an einem Sonntag im Hochsommer in einer kleinen Bucht wie beispielsweise der Cala Pi im Meer baden geht, kann sie sehen: die leichte Fettschicht, die auf dem Wasser schwimmt. Das sind Rückstände von Sonnenlotionen. „17 Millionen Touristen besuchen jährlich die Balearen, das sind also mindestens 17 Millionen Ladungen Sonnencreme, die pro Jahr in unseren Gewässern landen“, sagt Salud Deudero, Biologin und Forscherin am Ozeanografischen Institut in Palma. Und da sind die Inselbewohner nicht mit eingerechnet. „Die Frage ist, wie viele Menschen pro Tag in einer Bucht baden gehen. Sind das 500 oder gar 1.000 Personen? Die Substanzen, die dadurch ins Meer gelangen, reichern sich mit der Zeit an.“

Der kosmetische Sonnenschutz wird für das Mittelmeer und dessen Bewohner mehr und mehr zum Problem. Auf Mallorca wird das Thema bisher allerdings noch recht stiefmütterlich behandelt. „Es gibt bisher wenige Studien über den Effekt, den die Inhaltsstoffe von Sonnencremes auf das Ökosystem Meer haben“, erklärt Deudero. Auch das Ozeanografische Institut auf den Balearen hat keinen spezifischen Forschungsauftrag dazu, ebenso wenig wie das Institut für Meeresstudien Imedea, das von der Balearen-Universität und dem spanischen Wissenschaftsrat getragen wird.

Woran das liegt? „Es fehlt das Geld für die Forschung“, so die Biologin. Natürlich werden Abschluss- und Doktorarbeiten zum Thema geschrieben, doch eine umfassende und längerfristige Forschung findet nicht statt. „Erst mal müsste erfasst werden, wie viele von den kosmetischen Reststoffen im Meer landen, dafür müssten alle zwei Wochen Wasserproben entnommen werden.“ Für Entnahme und Auswertung braucht es Geld und Personal, das aktuell auf Mallorca nicht zur Verfügung steht.

In der öffentlichen Wahrnehmung nicht so präsent wie Mikroplastik

Ein Grund dafür ist auch, dass der Einfluss von Sonnencremes bisher als regional und zeitlich begrenzt wahrgenommen wird. Also ein Problem, das eher den Urlaubsdestinationen im Sommer als den Weltmeeren in ihrer Gesamtheit zugeschrieben wird. „Bei Mikroplastik beispielsweise ist das anders, dieses gilt als globales Problem.“ Salud Deudero kritisiert diese Denkweise allerdings als zu kurz gegriffen. Aus ihrer Sicht ist anzunehmen, dass sich kosmetische Inhaltsstoffe schon allein über die Nahrungskette in den Fischen anreichern. Ähnliches passiert bei Quecksilber, deshalb sind Raubfische wie Haie und Thunfische besonders mit dem Schwermetall belastet. „Und das essen wir dann alles mit.“

„Ich sage nicht, dass man keine Sonnencreme benutzen soll. Aber die Menge, die sich manche Menschen auftragen, ist barbarisch.“

Am Ozeanografischen Institut der Balearen finden Forschungen zu sogenannten neu auftretenden Schadstoffen statt. Dazu zählen Medikamente, Elektroschrott und auch Kosmetika. „Die Entwicklung in der Kosmetikindustrie geht rasend schnell voran. Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem, was wir erforschen und dem, was wir den Meeren zuführen“, sagt die Biologin. Die Liste an Inhaltsstoffen in Körperpflegeprodukten ist schier endlos: Duftstoffe, UV-Filter, Metalloxide, Parabene... Es ist nach derzeitigem Forschungsstand schwierig abzusehen, welchen Effekt diese Substanzen auf das Ökosystem Meer haben. „Die Werbung suggeriert uns, dass wir eine breite Palette an Kosmetika benötigen. Diese landet dann auf dem direkten oder indirekten Weg in den Gewässern.“

Noch keine Kampagne geplant

Es gibt zudem noch keine gesetzlichen Vorgaben – weder spanien- noch EU-weit –, wie viel Inhaltsstoffe von Cremes sich im Wasser befinden oder in Meereslebewesen nachweisen lassen dürfen. Salud Deudero sieht dabei auch die großen Kosmetikhersteller in der Verantwortung, die solche Gesetzeslücken ausnutzten: „Dort ist viel Geld für die Forschung da, das sollte auch dem Umweltschutz zugutekommen.“ Werbeversprechen wie korallenfreundliche Sonnencremes trügen nicht zwingend etwas dazu bei.

„Die Welt schaut noch nicht auf die Auswirkungen solcher neuen Substanzen“, kritisiert die Biologin. Es sei eine Infokampagne nötig. So könne sie sich auch eine Video- oder Plakataktion am Flughafen vorstellen, um Touristen zu sensibilisieren. „Alles, was die alten Gewohnheiten ändert, ist hilfreich.“

Vonseiten der Balearen-Regierung ist dazu bisher allerdings nichts passiert. „Wir planen in nächster Zeit keine Infokampagne zum Thema Sonnencreme und Meeresschutz“, so ein Sprecher des Landesumweltministeriums. Das Thema sei noch zu neu, um es auf der Agenda zu haben. Er verweist auf das Gesundheitsministerium. Dort wird allerdings das Thema Umweltschutz ausgeklammert, es geht lediglich um den Sonnenschutz der Badegäste.

Weniger ist mehr

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Was kann der Strandbesucher also tun, um den Einfluss von Sonnencreme auf die Umwelt zu reduzieren? „Ich sage nicht, dass man keine Sonnencreme benutzen soll. Aber die Menge, die sich manche Menschen auftragen, ist barbarisch.“ Wichtig sei, übertriebene Nutzung zu meiden. „Wir sollten bedenken, dass wir Teil eines natürlichen Systems sind, dem wir immer wieder künstliche Stoffe zuführen.“

Deudero spricht sich für natürlichen Sonnenschutz aus, ähnlich wie ihn auch das balearische Gesundheitsministerium propagiert: Sonnenhut und leichte Kleidung aus natürlichen Materialien tragen, die zentralen Sonnenstunden des Tages meiden, Schatten suchen. „Wer sich im August um 15 Uhr in die Sonne legt, dem hilft auch die beste Sonnencreme nicht mehr.“