Es wäre eine ordentliche Überraschung, wenn die Italienerin Elena Valsecchi vor der Insel Dragonera tatsächlich das finden würde, was sie wie die Nadel im Heuhaufen sucht. Die Professorin für Earth and Environmental Studies an der Universität Mailand-Bicocca tuckert zurzeit mit einem kleinen Boot durch die Gewässer vor der Dracheninsel und versucht, die Existenz der Mönchsrobbe rund um das vor Sant Elm im Südwesten von Mallorca gelegene Eiland nachzuweisen. Valsecchi leitet das Projekt „Spot the monk“ (Spüre die Mönchsrobbe auf) gemeinsam mit anderen italienischen Wissenschaftlern. Unterstützt wird sie dabei vom Meeresforschungsinstitut Imedea in Esporles und dem Inselrat von Mallorca.

Eine vor Griechenland fotografierte Mönchsrobbe. Vasilis Drosakis

Die Italienerin nimmt rund um Dragonera Wasserproben und sucht darin Spuren der DNA der Mönchsrobbe (Monachus monachus), die auf Mallorquinisch vell marí genannt wird. Valsecchi hat dazu eine neuartige Methode zum Nachweis der DNA entwickelt. Wie es heißt, sollen erste Auswertungen von Proben vor der Insel Madeira vielversprechende Ergebnisse gebracht haben. Informationen zum Stand der Forschung vor Dragonera gibt es derzeit noch nicht.

Auf die Suche gehen die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen vor allem in den zahlreichen Höhlen rund um die Insel, von denen man weiß, dass dort in der Vergangenheit Mönchsrobben gesichtet wurden. 35 Höhlen vor Dragonera böten für die Robben optimale Bedingungen, hieß es bereits bei der letzten Sichtung einer Mönchsrobbe im Jahr 2008 seitens des balearischen Umweltministeriums. Ein erneuter Nachweis wäre eine große Genugtuung für Valsecchi und eine gute Nachricht für die Art. Denn die Mönchsrobbe ist massiv vom Aussterben bedroht. Weltweit, so glauben Experten, gibt es nur noch rund 600 der Tiere.

Die letzte der auf Mallorca gesichteten vell marís tauchte vor 13 Jahren vor El Toro, einem Meeresschutzreservat, auf. Das Exemplar war rund 2,80 Meter lang. Die Robbe hatte anscheinend Spaß in mallorquinischen Gewässern. Den Sommer über wurde sie insgesamt 13 Mal von Seglern oder Tauchern gesichtet. Einer der Taucher schoss im Juni ein Unterwasserfoto der Robbe an der Nordwestküste der Insel.

Das ist nicht weit entfernt von der Cala Tuent, wo 1958 das vermutlich letzte auf den Balearen angesiedelte Exemplar getötet wurde. Die Guardia Civil erlegte das Tier damals. Und ebenfalls in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde ein weiteres Exemplar in einem Fischernetz in Santanyí entdeckt und getötet.

Die wenig zimperliche Umgangsweise mit den Tieren führte denn auch zur Beinaheausrottung. Dabei gab es sie in der Antike noch in sehr großer Zahl. Bereits Homer schildert in seiner „Odyssee“, wie die Menschen die Mittelmeer-Mönchsrobbe jagten und wegen ihres Fleisches, der Haut sowie des Fetts schätzten. Damals waren die Tiere derart verbreitet, dass zahlreiche Inselchen im Mittelmeer nach ihnen benannt wurden.

In der jüngsten Vergangenheit haben Forscher wieder berechtigte Hoffnung, dass sich die Bestände der Mönchsrobbe im Mittelmeer allmählich erholen könnten. Ein Indiz dafür könnten häufigere Sichtungen der Spezies in den vergangenen Monaten sein.

Dass das Bewusstsein, die Tiere zu schützen, aber noch immer nicht überall vorhanden ist, zeigt ein Fall aus Griechenland. Dort tötete am Wochenende wohl ein zunächst nicht identifizierter Sportfischer die Mönchsrobbe Kostis mit einem Har-punenschuss. Der Fischer wird seither von der Polizei per Haftbefehl gesucht. Kostis war so etwas wie das inoffizielle Maskottchen der kleinen Insel Alonnisos, nachdem es die Bewohner 2018 nach einem Sturm in schwer verwundetem Zustand aufgenommen und wieder aufgepäppelt hatten.