Der Fall von Co.net auf Mallorca: noch viele offene Fragen in Cala Ratjada

Der Zusammenbruch des Co.net-Imperiums in dem Küstenort beschäftigt Geschädigte und Urlauber weiter. Doch Antworten gibt es bisher kaum – zu undurchsichtig sind die Strukturen

Mittlerweile ist das Co.net-Logo vom Hotel The Sky in Cala Ratjada auf Mallorca entfernt worden

Mittlerweile ist das Co.net-Logo vom Hotel The Sky in Cala Ratjada auf Mallorca entfernt worden / Nele Bendgens

Sophie Mono

Sophie Mono

Es ist Mittwochmorgen (6.3.). Die Heißluftpistole summt leise. Wie einen Föhn hält die Frau sie auf die Werbeaufkleber, die rundherum den Lack des weißen Smarts verzieren, versucht dann, sie mit der anderen Hand möglichst vorsichtig abzuziehen. Nichts mehr soll übrig bleiben von den einstigen Hinguckern. Einst waren die 24 Smarts mit Co.net-Emblemen der Stolz der deutschen Verbrauchergenossenschaft, die sich im Küstenort Cala Ratjada auf Mallorca breitmachte. Seit dem schallenden Zusammenbruch Ende Februar will niemand mehr mit ihr in Verbindung gebracht werden. Auch das Co.net-Logo am Hotel The Sky, vor dem das Auto parkt, ist bereits entfernt, nur Klebstoffreste lassen den stilisierten Erdball und den Schriftzug noch erahnen. Zu negativ behaftet ist der Name mittlerweile – und zu aktuell die Sorgen vieler Menschen in Cala Ratjada. Sie eint die Frage: Wie geht es weiter?

Von offizieller Seite aus will sich dazu auch gut zwei Wochen nach der großen, international angelegten Razzia niemand äußern. Es gebe noch keinerlei neue Erkenntnisse, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten, so ein Sprecher der mit dem Fall betrauten Staatsanwaltschaft im norddeutschen Stade auf MZ-Anfrage. Man arbeite aber mit „gebotener Priorisierung“ an der Aufarbeitung des sichergestellen Materials. „Es gilt das Beschleunigungsgebot“, so der Sprecher, der sich nicht auf konkrete Zeitangaben einlässt. Auch die Frage, ob es sich bei der Festnahme vom 23. Februar um den in Cala Ratjada allseits bekannten Co.net-Chef Thomas Limberg handelt, will man in Stade weiterhin weder dementieren noch bestätigen. Verschiedene spanische und deutsche Medien hatten die Festnahme Limbergs bereits mehrfach als Tatsache dargestellt.

Auch der vorläufige Insolvenzverwalter der Co.net-Verbrauchergenossenschaft, der Bremer Anwalt Malte Köster, hält sich weiter bedeckt. Man sei dabei, sich ein vollständiges Bild der wirtschaftlichen Situation zu verschaffen, heißt es in einem entsprechenden Pressetext der Kanzlei Willmer Köster. Für Mallorca dürften die Ergebnisse aber ohnehin nicht mittelbaren Ausschlag geben. Denn: „Die spanischen Tochtergesellschaften, als Betreiber von Hotels und Ferienunterkünften, sind nicht Teil des vorläufigen Insolvenzverfahrens“, so der Pressetext weiter. Eine Sprecherin der Kanzlei wimmelte die MZ ab. Zu den spanischen Tochtergesellschaften könne man sich nicht äußern.

Großer Wunsch nach Antworten

Dabei ist der Wunsch nach Antworten auf der Insel groß. Allen voran unter jenen, die noch auf Geld von der Verbrauchergenossenschaft warten. Marion (Name geändert) kehrt immer wieder auf diesen Punkt zurück. Über mehrere Jahre arbeitete sie auf Honorarbasis für eine der Tochtergesellschaften von Co.net. „Die letzten zwei Jahre bekam ich mein Geld schon nur noch jeden zweiten Monat ausgezahlt“, berichtet sie. Doch ihre Auftraggeber, federführend Mitgründer und Chef Thomas Limberg, hätten sie immer wieder beschwichtigt. Man werde die zu Co.net-Holiday gehörige Ferienapartmentanlage Paradise verkaufen, habe er immer wieder erklärt. Mit dem Erlös wolle man die ausstehenden Zahlungen begleichen. Marion glaubte ihm und arbeitete weiter – bis vor rund einem Jahr die Unterfirma, für die sie beschäftigt war, eingestampft wurde. „Noch immer schulden sie mir rund 16.000 Euro. Ich habe keine Ahnung, ob ich das Geld je wiedersehen werde“, so die deutsche Auswanderin. Mit einem Anwalt rechtlich gegen Co.net vorgehen will sie aufgrund der Kosten zunächst nicht. „Vielleicht regelt das Insolvenzverfahren ja etwas zu meinen Gunsten, aber viel Hoffnung habe ich nicht.“

Ähnlich geht es Isabel (Name geändert). Die Mittvierzigerin aus Cala Ratjada ist ebenfalls von der Pleite des einst so großspurig daherkommenden Arbeitgebers betroffen. Mehrere Jahre lang arbeitete die Spanierin im Urlaubsort als festangestellte Saisonkraft für eine Co.net-Untergesellschaft. „Anfangs war es wunderbar, das Gehalt großzügig, die Zahlungen pünktlich, die Rahmenbedingungen fair.“ Erst im Winter 2022/2023 blieben erstmals vereinbarte Sonderzahlungen an die mehrfache Mutter aus. „Damit hatten wir eigentlich fest gerechnet, als Saisonkraft sind die Rücklagen eben nicht sehr groß“, berichtet Isabel. Als das Geld zum Saisonbeginn 2023 immer noch nicht auf ihrem Konto war, beschloss sie, die Arbeitsstelle zu wechseln. „Es tat mir leid, denn ich habe dort gerne gearbeitet, aber mir war es einfach zu riskant.“ Bis heute schulde Co.net ihr gut 6.000 Euro.

Und die Ferienunterkünfte?

Ähnlich ratlos stehen Unternehmer und Gäste der Frage gegenüber, wie es mit den Co.net-Ferienunterkünften in Cala Ratjada weitergeht. Weder die örtliche Hoteliervereinigung weiß, ob und wann das Sky-Hotel sowie die Apartmentanlage Paradise öffnen werden, noch sind die Unterkünfte telefonisch oder online erreichbar. Dabei hatten beide Anlagen vor der Razzia angekündigt, Mitte März in die Saison zu starten. Der Reiseanbieter DER Touristik, bislang exklusiver Buchungspartner vom Paradise, erklärte auf MZ-Anfrage, es lägen keine Informationen darüber vor, dass die Verträge nicht erfüllt werden könnten. Man stehe aber nicht in näherem Bezug zu Co.net.

Dass die Situation so undurchsichtig ist, wundert keinen der Ex-Mitarbeiter, die mit der MZ sprechen. „Das war sie immer schon, Co.net hat damit gespielt, immer wieder neue Unterfirmen zu eröffnen, sodass man selbst kaum wusste, bei wem man nun aktuell offiziell angestellt war“, sagt Rainer (Name geändert), der schon vor Jahren eine Leitungsfunktion in einer der Co.net-Firmen niederlegte. Aus eben diesem Grund: „Jahrelang wurden Dinge vertuscht. Das zu entwirren, wird wohl ebenfalls Jahre dauern.“

Abonnieren, um zu lesen