Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf Mallorca: ein Fall von Urlaubshäme

"Bild" attackiert die Politikerin wegen ihres Inselaufenthalts. Steckt da etwa ein wenig Neid dahinter?

Zurück am Kabinettstisch: Nancy Faeser am Mittwoch (25.10.) in Berlin.  | FOTO: KAY NIETFELD/DPA

Zurück am Kabinettstisch: Nancy Faeser am Mittwoch (25.10.) in Berlin. | FOTO: KAY NIETFELD/DPA / Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Spanier staunen regelmäßig, was in der deutschen Politik schon als Skandal gilt. Ähnlich dürfte es ihnen bei der Schlagzeile der „Bild“-Zeitung über Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gehen. „Deutschland geht den Bach runter, Faeser geht baden“, titelte das Boulevardblatt Anfang der Woche, nachdem es die 53-Jährige auf Mallorca, im Steigenberger-Hotel in Camp de Mar, aufgespürt hatte. Dazu Fotos der handtuchbeladenen Politikerin – alternativ „Flip-Flop-Faeser“ oder „Frottee-Faeser“ – mit Pool im Hintergrund.

Der Vorwurf lautet Unangemessenheit. „Während Faeser, die auch Katastrophenschutzministerin ist, nach Malle düste, verwüstete ein Ost-Sturmtief die deutschen Ostseeküsten von Usedom bis zur Flensburger Bucht: Jahrhundertschäden in dreistelliger Millionenhöhe“, schreibt die „Bild“. „Und in Berlin auf den Straßen im Dauereinsatz: neben der Polizei auch Faesers Bundespolizei-Bereitschaft im Dauer-Alarm wegen Judenhasser-Demos vor Regierungsgebäuden.“

Auszeit für die Ministerin

Jetzt ließe sich natürlich argumentieren, dass Faeser eine Familie mit achtjährigem Sohn hat und in Hessen gerade Schulferien sind. Dass auch Spitzenpolitiker im Dauerkrisen-Modus mal eine Auszeit brauchen. Und dass es mit dieser Auszeit auf Mallorca wahrscheinlich auch gar nicht so weit her war, angesichts der üblichen WhatsApp-Nachrichten, Telefonate und Videokonferenzen – eine Sprecherin erklärte, die Ministerin sei „immer im Dienst“ – sowie der Rückkehr nach Berlin am Mittwoch (25.10.), wo im Bundeskabinett das viel diskutierte Migrationspaket zur Abstimmung stehen sollte.

Die „Bild“ geht Faeser schon länger hart an. Aber vielleicht sind deren Redakteure auch ein bisschen neidisch auf alle, die gerade auf Mallorca sind, und deswegen ein bisschen schlecht gelaunt. Flugscham war gestern, jetzt herrscht in Deutschland Urlaubshäme. Auf der Insel ist alles gut, in Deutschland alles schlecht, und bis zum nächsten Sommerurlaub ist es noch lange hin. Dazu passt dann auch gut der Satz, den die „Bild“ am Mittwoch in der Sache Faeser nachschob: „Gestern Morgen noch der blaue Mallorca-Pool – abends wieder das mausgraue Wolken-Berlin.“ Und dazwischen am Vormittag schon wieder eine Pressekonferenz im Ministerium zum „Rückführungsverbesserungsgesetz“.

Nancy Faeser, Bundeministerin für Inneres und Heimat, am 12.10.2023 in Berlin.

Nancy Faeser, Bundeministerin für Inneres und Heimat, am 12.10.2023 in Berlin. / Bernd von Jutrczenka/dpa

Was andere Medien schreiben

Journalisten bei anderen deutschen Medien machen sich denn auch weniger über die Reise als die Gefühle der Kollegen Gedanken. „Die ,Bild‘ gönnte Faeser nicht mal ein Ei auf dem Brot“, schreibt die „taz“ mit Verweis auf die Eierbratstation beim Urlaubsfrühstück. Faeser sei „neuestes Ziel der Urlaubshäme“, urteilt die „Süddeutsche“. Und die „Welt“ erinnert daran, dass mobiles Arbeiten inzwischen auch die Politik erreicht hat, der vermeintliche Luxusurlaub wohl eher eine Art Workation gewesen sein dürfte. „Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Amtsgeschäfte aus dem thüringischen Meiningen führen kann, wie er es gerade getan hat, dann spricht doch nichts dagegen, dass Nancy Faeser es auf Mallorca tut.“

In der Mallorca-Falle

Die Liste deutscher Politiker, die schon einmal – verdient wie unverdient – in die Mallorca-Falle getappt sind, ist lang. Genannt seien der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD, 2002), der frühere Innenminister Lothar de Maizière (CDU, 2015) oder NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU, 2022). Andere Insel-Fans unter den Politikern kamen ungeschoren davon, womöglich weil das Chaos in der Welt kurz innehielt. Aber selbst an hohen Feiertagen kann etwas Gravierendes passieren. Als etwa der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt seinen Weihnachtsurlaub 1979 auf Mallorca verbrachte, musste er einer Anekdote zufolge nach dem Einmarsch von Russland in Afghanistan die Neujahrssprache neu aufnehmen – in der Suite Nummer 113 im Hotel Formentor.

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