Er blickt auf Olivenbäume und Lavendel, die sandsteinerne Balustrade der weitläufigen Hotelterrasse, am Horizont das Meer und die sanften grünen Hügel, die das Tal von Canyamel säumen. „Man muss diesen Ort einfach lieben", sagt John Beveridge, ein gebürtiger Schotte, der vor eineinhalb Jahren von Dubai nach Mallorca kam, um die Leitung des neu entstehenden Hyatt-Resorts bei Capdepera zu übernehmen. Die paar Schönheitsmakel, die der nun fertiggestellten Luxusanlage nach rund zweieinhalbjähriger Bauzeit noch anhaften - etwa die platt gewalzte Erdfläche just unterhalb der Terrassenbrüstung, auf der ein Park voller einheimischer Baum- und Pflanzenarten entstehen soll - kann er von seinem Polstersessel aus nicht sehen. „Das sind nur noch Kleinigkeiten", sagt Beveridge, der nach einer knapp zweimonatigen Soft-Opening-Phase der offiziellen Eröffnung am 1. Juni entgegenfiebert.

An seinem neuen Job habe ihn nicht nur die Schönheit der Insel, sondern auch die Schönheit des Projekts gereizt. „Hier kann ich alle Gäste und Mitarbeiter persönlich kennenlernen, weil es so klein ist, das bedeutet back to the roots des Hoteliersberufs", erzählt Beveridge, der seine Karriere bei Hyatt vor 34 Jahren in der Hotelküche begann, zuletzt eine 674-Zimmer-Herberge mit 14 Restaurants managte und offensichtlich andere Dimensionen gewohnt ist.

Dass mancher Mallorquiner das Canyamel-Resort mit seinen 126 Doppelzimmern und 16 Suiten, das aus einem mit Kiefern bewachsenen Berg gestampft wurde, als hässliches Monster empfindet, kann der Hoteldirektor nicht nachvollziehen - zumal er von den jahrelangen Protesten hiesiger Umweltschützer nichts mitbekommen haben will. „Das ist doch kein Alien oder ein Raumschiff, das auf einem Berg gelandet ist", sagt Beveridge. Vielmehr handle es sich um eine kunstvoll gestaltete Anlage, bei der reihenweise inseltypische Materialien verbaut wurden.

Und die einem mallorquinischen Dorf nachempfunden ist, wie nicht nur der Hotelchef, sondern auch Stefanie Voncken von der Abteilung Event & Sales gleich zu Beginn unseres Rundgangs erklärt. Angesichts des weitläufigen Areals, dessen Mittelpunkt eine Art Dorfplatz bildet, wirkt der Terminus durchaus zutreffend - auch wenn ansonsten keine Ähnlichkeiten zu irgendwelchen Inseldörfern erkennbar sind. „Der Baustil ist inspiriert von der Alhambra", sagt Stefanie Voncken und zeigt Holzornamente an Türen und Decken, ehe es an Bogengängen und plätschernden Springbrunnen vorbei zu den Hotelrestaurants geht. In dreien steht die regionale Küche im Vordergrund - im Café Sa Plaça werden Ensaimadas und Kroketten serviert, im Balearic ist Fine Dining mit mallorquinischen und spanischen Spezialitäten angesagt, und in der Tapas Bar gibt es frisch zubereitete Snacks zu erlesenen Inselweinen. Im Asian hingegen schwingen im monatlichen Wechsel Meisterköche aus Fernost die Kochlöffel, um authentische indische, thailändische oder vietnamesische Gerichte zuzubereiten.

Gemeinsam ist den edlen Lokalen zum einen, dass sie auch Nicht-Hotelgästen und der einheimischen Bevölkerung offenstehen. Zum anderen werden bevorzugt saisonale Produkte von der Insel verarbeitet - nicht nur, weil sie frischer sind, sondern weil das die einheimische Wirtschaft fördere. Mallorquinisches Olivenöl, Wein oder Meersalz können die Gäste nicht nur direkt ­verzehren, sondern auch kaufen und mit nach Hause nehmen. „Wer möchte, kann sogar unseren Küchenchef nach Cala Ratjada zum Fischmarkt begleiten oder selber auf einem Fischkutter mitfahren", sagt Voncken.

Auch bei der Personalauswahl setzte Hyatt auf Bewerber von der Insel. Nicht umsonst, schließlich hat der Hoteleigner, die Investment Group Cap Vermell, die das Resort erbaute und nun an Hyatt verpachtet, die 2014 eröffnete Außenstelle der balearischen Hotelfachschule in Cala Ratjada kräftig gesponsert. 60 Prozent der an die 140 Mitarbeiter zählenden Belegschaft seien Mallorquiner oder Spanier. Zur Hauptsaison, wenn das Servicepersonal aufgestockt wird, steige der Anteil der Einheimischen sogar auf 80 Prozent, heißt es. Wobei ihnen keinesfalls nur die einfachen Jobs vorbehalten blieben, betont John Beveridge. Die Leiterin des Spas sei Mallorquinerin, ebenso seine Chefsekretärin, und auch zwei der vier Posten in der Verkaufs- und Marketingabteilung seien von Insulanern besetzt. Vielen sei das Fünf-Sterne-Resort ganz gelegen gekommen, um nach sa roqueta zurückzukehren, sagt der Hoteldirektor - und es ist das einzige Mal, dass er eine der Inselsprachen bemüht.

Seine Gäste wird er vermutlich ohnehin meist auf Englisch begrüßen. „Gleich in der ersten Woche haben wir eine große Gruppe aus China, alles treue Hyatt-Kunden", berichtet Beveridge. Traditionelle Märkte wie Deutschland und Großbritannien spielten natürlich eine große Rolle im ersten Hyatt-Resort auf europäischem Boden. Doch daneben wolle man neue Zielgruppen in den USA und Asien, die die amerikanische Marke bereits kennen, für Mallorca begeistern.

Und das nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über. 365 Tage soll das Resort öffnen, füllen soll es sich in der Nebensaison mithilfe von Tagungen, Kongressen, Firmenevents oder auch Hochzeiten. Hierfür stehen ein edler Ballsaal mit Hightech und mehrere Konferenzräume zur Verfügung, einer davon mit Show-Küche, in deren überdimensionaler Dunstabzugshaube sogar Kameras installiert werden können, um das Geschehen in den Suppentöpfen auf eine Großbildleinwand zu übertragen.

Ob diese Rechnung aufgehe, sei zwar nicht garantiert, sagt Hoteldirektor Beveridge. Doch er ist optimistisch, man habe schließlich eine klare Strategie und die nötige Erfahrung. In Goa, wo es wegen des Monsuns starke ­Saisonschwankungen gibt, sei es Hyatt gelungen, die Nebensaison mit Business Meetings und Konferenzen zu beleben. „Auch wenn man bei solchen Events nicht als Erstes an Indien denkt, ist das durchaus attraktiv." Auch finanziell, und auch auf Mallorca.

Bei Zimmerpreisen von 400 bis 2.200 Euro je nach Jahreszeit wirkt es nachvollziehbar, dass sich Beveridge keinen Kopf um die ab Juli geltende Touristensteuer macht - die für seine Gäste 2 Euro pro Nacht betragen wird. Wichtig sei ihm nur, dass die Regierung das eingenommene Geld auch sinnvoll investiert - zum Beispiel in eine Werbeoffensive mit griffigem Slogan. Die Sorge, dass die Insel dann endgültig wegen Überfüllung geschlossen werden muss, hält der Schotte für gänzlich unbegründet. „Das ist doch ganz einfach: Je mehr Leute kommen, desto weiter hebt man die Preise an." Der Weg zum viel diskutierten Qualitätstourismus sei damit möglich - wenn auch nicht von heute auf morgen. Auf der Insel werde weiterhin Platz sein für Massentourismus, es gebe zudem schon zahlreiche gute Fünf-Sterne-Hotels, resümiert Beveridge. Doch Mallorcas Potenzial im Luxussegment sei noch weitaus größer. „Wir bringen den High-End-Tourismus auf den Insel-Markt."

Dabei geht es allerdings nicht nur um höchste Standards im Service oder beim Wohnkomfort in den mindestens 50 Quadratmeter großen Zimmern. Auch Umweltfreundlichkeit wird im Hyatt-Resort großgeschrieben: Regenwasser werde aufgefangen und wiederverwendet, das Warmwasser mithilfe von Biomasse erhitzt und der Müll getrennt und recycelt, erläutert der Hotelchef.

Doch das Wichtigste sind für John Beveridge die Erlebnisse, die man den gut betuchten Urlaubern biete - beim Bergwandern, Radfahren oder auch beim Besuch auf einem inseltypischen Bauernhof. „Wir wollen die Gäste für die Schönheit der Landschaft und der Umgebung begeistern." Denn alles, was den Erfahrungsschatz der Menschen und ihr Wissen über einen Ort erweitere, sei ein Gewinn - für Besucher und Einheimische gleichermaßen. „Das ist nachhaltiger Tourismus", ist Beveridge überzeugt. Auch wenn dafür ein paar Quadratkilometer Kiefernwald weichen mussten.