Erster Anlauf für neue spanische Regierung: Einen Versuch ist es wert

König Felipe VI. hat den Konservativen Núñez Feijóo beauftragt, sich zur Wahl des Premiers zu stellen. Dabei werden dem Wahlsieger vom 23. Juli keine Chancen eingeräumt

Alberto Núñez Feijóo (re.) konnte Felipe VI. überzeugen: der PP-Chef und der Monarch bei den Konsultationen zur Regierungsbildung.  | FOTO: EFE

Alberto Núñez Feijóo (re.) konnte Felipe VI. überzeugen: der PP-Chef und der Monarch bei den Konsultationen zur Regierungsbildung. | FOTO: EFE

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Die neue Präsidentin des spanischen Unterhauses, Francina Armengol, hat den Wählern eine unschöne Situation erspart: Sollten die Versuche einer Regierungsbildung scheitern, würden die Neuwahlen nicht mitten in der Weihnachtszeit stattfinden. Die frühere Ministerpräsidentin der Balearen setzte am Mittwoch (23.8.) die Debatte und die Abstimmung zur Wahl des Regierungschefs für den 26. und 27. September an. Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt die Frist von zwei Monaten, nach der das Parlament automatisch aufgelöst und ein neuer Urnengang innerhalb weiterer 47 Tage angesetzt würde, also am 14. Januar.

Am vergangenen Dienstag hatte König Felipe VI. nach Konsultationen mit der Mehrheit der im Congreso de los Diputados vertretenen Parteien dem Kandidaten der Volkspartei (PP), Alberto Núñez Feijóo, den Auftrag erteilt, sich zur Wahl zu stellen. Erstmals in der Geschichte der spanischen Demokratie musste das Staatsoberhaupt zwischen zwei Aspiranten auf den Regierungsposten wählen, die beide derzeit keine Mehrheit im Unterhaus zusammenbringen. Letztlich entschied sich der Monarch für den Führer der Partei, die bei den Wahlen am 23. Juli die meisten Stimmen und Sitze errungen hatte – aus „jahrelanger Gewohnheit“, wie das Königshaus erklärte.

Trotz allem verhandeln

Wahlsieger Núñez Feijóo betrachtet es als seine Pflicht, sich zur Wahl zu stellen, obwohl einige Parteifreunde davon abgeraten haben. Die Chancen sind aussichtslos, da er zu den 137 Abgeordneten der PP nur die 33 Sitze der rechtsextemen Vox sowie die beiden Parlamentarier der konservativen UPN aus Navarra und von Coalición Canaria hinter sich gebracht hat. Doch 172 von 350 Stimmen sind zu wenig, da auch im zweiten Wahlgang, bei dem eine einfache Mehrheit ausreicht, mehr Gegenstimmen drohen. Die PP will zwar mit den konservativen baskischen Nationalisten der PNV und den katalanischen Separatisten von Junts verhandeln. Es gilt jedoch als ausgeschlossen, dass diese einer Konstellation zustimmen könnten, bei der Vox im Spiel ist – die Partei vertritt einen starken Zentralstaat.

Sollte es keine riesengroße Überraschung geben, wäre anschließend der amtierende spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez am Zug. Der Sozialist hat kein Problem damit, seinem konservativen Kontrahenten den Vorzug zu lassen. Die Sozialisten glauben, dass eine Niederlage von Núñez Feijóo im Unterhaus den Regierungsauftrag für die zweitplatzierte PSOE unterstreichen würde.

Glückwünsche für Armengol.

Glückwünsche für Armengol. / Agentur

Joker Armengol

Doch auch für Sánchez ist der Weg zur Wiederwahl steil. Die PSOE sowie der bisherige Koalitionspartner Sumar kommen zusammen auf 152 Sitze und müssen daher gleich fünf nationalistische und separatistische Parteien für die Abstimmung gewinnen. Ein erster Coup gelang mit der Wahl Armengols zur Parlamentspräsidentin, die 178 der 350 Abgeordneten auf sich vereinte. Die Mallorquinerin ist bei den katalanischen Parteien wegen ihrer sprachlichen und kulturellen Affinität gut angesehen, zudem ist sie in der komplizierten katalanischen Politik nicht vorbelastet.

Teil des Abkommens ist die erstmalige Einführung der anderen offiziellen Sprachen Spaniens – Katalanisch, Baskisch und Galicisch – im spanischen Parlament. Die Sánchez-Regierung beantragte auf Druck der Separatisten auch, dass diese Sprachen in der Europäischen Union anerkannt werden. Das jedoch dürfte kaum durchgehen, da in Europa lediglich offizielle Sprachen auf nationaler Ebene akzeptiert werden, wie das gälische Irisch. Katalanisch, Baskisch und Galicisch gelten jedoch nur in den jeweiligen Regionen als Amtssprache, so auch auf den Balearen.

Wo gibt es rote Linien?

Die Forderung der Separatisten nach einem verbindlichen Referendum über die Unabhängigkeit ist für die PSOE eine rote Linie. Dagegen gibt es Verhandlungsspielraum bei der angestrebten Amnestie für die Beteiligten der illegalen Volksbefragung 2017. Die Sánchez-Regierung hatte mit der Begnadigung einiger der verurteilten Anführer der Unabhängigkeitserklärung bereits ein Zeichen gesetzt. Bis vor Kurzem wollten die Sozialisten von einer allgemeinen Amnestie nichts wissen, doch nun schlagen sie andere Töne an. „Die Methode ist der Dialog, und die Verfassung ist der Rahmen“, erklärte Ministerpräsident Sánchez nach seiner Audienz bei Felipe VI. am Dienstag (22.8.). Juristen sind sich nicht einig, ob eine solche Amnestie der Verfassung standhält. Aber auch der langjährige Streit um die Regionenfinanzierung bietet Stoff für Verhandlungen mit Junts und der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC). Die Stimmen der Basken der PNV und von EH Bildu gelten dagegen als relativ sicher.

Doch erst einmal muss Sánchez die Abstimmung zur Amtseinführung von Núñez Feijóo Ende September abwarten.

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