Mallorca im August. Das Thermometer rutscht eher selten unter die 30-Grad-Marke. Wer kann, sucht das kühlende Meer auf. Doch in diesem Jahr ist auf der Insel ­vermehrt eine sportaffine Gruppe von Menschen zu beobachten, die sich von flimmerndem Asphalt und knallender Sonne nicht aus dem Konzept bringen lässt und sich aufs Rad schwingt. Der 44-jährige Bernd Meyer aus der Nähe von Mönchengladbach ist einer von ihnen.

Seine Familie hat er auf der Finca in der Gegend von Lloret de Vistalegre am Pool gelassen. Er möchte sich im Urlaub lieber bewegen. Es ist kurz vor 11 Uhr, und die Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel. Vor wenigen Minuten hat sich Meyer den über 500 Meter hohen Puig de Randa mit seinem Rennrad hinaufgekämpft. Inzwischen ist der Schweiß schon wieder getrocknet und die Puste zurückgekehrt. „Es ist aber doch ein bisschen heißer, als ich erwartet hatte“, stellt er fest. Trotzdem verzichte er „ungern“ auf seine tägliche Runde mit dem Rad. Im Frühjahr war er bereits mit einer Gruppe auf der Insel. Da habe ihn die Leidenschaft gepackt, so dass er sich jetzt unbedingt wieder ein Rad mieten musste. „Der Vorteil im Sommer ist, dass man das Rad nicht reservieren muss. Außerdem sind die Preise günstiger als im Frühling.“ Meyer schätzt die Fortbewegung auf zwei Rädern: „So nehme ich die Insel viel intensiver wahr.“

Die Radverleiher freut dieser Trend natürlich. Sie verzeichnen in diesem Jahr ein deutlich erhöhtes Interesse an Touren im Hochsommer. War bisher die Radsaison spätestens Ende Juni vorbei, läuft sie diesmal einfach weiter, sagt Max Hürzeler, der Doyen unter den Radvermietern auf Mallorca. „Wir haben im Sommer 2012 ­bestimmt 20 Prozent mehr Vermietungen als in den Vorjahren. Ich bin selbst richtig überrascht“, sagt der Schweizer. Zwar kämen in den heißen Monaten keine großen Gruppen wie im Frühling, aber es gebe viele Männer wie Bernd Meyer. „Die kommen mit ihrer Familie oder mit Freunden auf die Insel und machen sich mit dem Rad mal ein paar Stunden aus dem Staub.“ Die Quälerei in der Hitze sei im übrigen relativ - der Fahrtwind sorge meist für erfrischende Kühlung.

Die meisten Sommerradler waren bereits in der Hauptsaison zwischen Februar und Mai auf der Insel und können (oder wollen) einfach nicht ohne Rennrad leben. Viele seien auch spontan für ein paar zusätzliche Tage angereist - der verregnete Sommer in Deutschland und der Schweiz mag da eine Rolle spielen . Hürzeler rechnet allerdings im Laufe dieses „traditionell schlechtesten, weil heißesten Monats“ dann doch mit einem Kundenrückgang.

Nicht nur Hürzeler wundert sich über den unverhofften Kunden­ansturm, auch Bernd ­Dittert von Philipp‘s Bike Team in Santa Ponça ist verblüfft: „Ich vermiete deutlich mehr Räder als im Vorjahr zu dieser Zeit“, sagt der Verleiher, der mit seinen Rädern in einem Hotel in Santa Ponça untergebracht ist. Auch Dittert spricht von „Einzelkämpfern“ - Gruppen seien nicht mehr unterwegs. Allerdings erlebe er zurzeit häufiger, dass sich junge Paare Fahrräder mieten, um nicht auf den Bus oder ein Mietauto angewiesen zu sein. Auch Dittert hat es in diesem Sommer mit vielen Wiederholungstätern zu tun: „In diesem Jahr hatte ich Kunden, die schon zum fünften Mal für ein paar Tage auf die Insel kommen.“

Auch Spanier sind mit dabei

Aber nicht nur ausländische Touristen radeln diesen Sommer durch, auch Spanier entdecken derzeit das Fahrrad als Sportgerät und geben sich hitzeresistent. „Viele kommen vom Festland auf die Insel, um jetzt im Sommer Rad zu fahren. Aber auch immer mehr Mallorquiner wollen selbst in die Pedale treten, weil sie es von den Touristen vorgemacht bekommen“, versucht sich der ehemalige Steherweltmeister Hürzeler an einer Erklärung für die plötzliche Beliebtheit des Drahtesels unter den Spaniern. Was vor Jahren noch undenkbar gewesen sei, zeige sich nun immer öfter auf den Straßen der Insel.

Auf dem Puig de Randa muss die MZ nicht lange warten, bis ein Einheimischer die Serpentinen hochkeucht. Marcos Marin (34) aus Campos ist „seit September vergangenen Jahres süchtig“ nach dem Radsport und versucht auch im Sommer jeden Tag zu fahren. 66 Kilometer hat er schon hinter sich, jetzt muss er wieder zurück nach Campos. Pause macht er keine. Einen Schluck aus der Trinkflasche, dann geht es bergab. „Die Hitze ist schon bestialisch. Aber mit viel Wasser geht das.“ Zweieinhalb Liter habe er heute schon getrunken, ruft er und rast wieder bergab.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 9. August (Nummer 640) lesen Sie außerdem:

- Meteorologie bei Olympia: Mallorquiner berät Segel-Team

Hier geht´s zum E-Papier: epaper.mallorcazeitung.es.