Polo geht auf Mallorca auch ohne elitäres Gehabe

Eine internationale Gruppe von Reiterinnen und Reiter trifft sich sonntags auf der Finca Can Cavall Blau bei Sencelles. Im Vordergrund steht der Teamgesit. Seinen Preis hat die Teilnahme trotzdem

Blick auf den Ball: Pferde und Reiter sind beim Polo fokussiert auf das blau-weiße Spielgerät. Von links: Pip Menzel, Katja Lebelt, Emma Cardy-Brown, Roland Verbeek und Charlie Prymaka.

Blick auf den Ball: Pferde und Reiter sind beim Polo fokussiert auf das blau-weiße Spielgerät. Von links: Pip Menzel, Katja Lebelt, Emma Cardy-Brown, Roland Verbeek und Charlie Prymaka. / Nele Bendgens

Marlene Weyerer

Marlene Weyerer

Über weite Teile des Spiels wirkt Charlie Prymaka eher wie ein Motivationstrainer als wie ein Schiedsrichter. „Gut gemacht!“, schreit er über Hufgetrampel hinweg – oder: „Super Schlag!“ Als eine Reiterin zielgerichtet auf den blau-weißen Ball zusteuert, obwohl sie ihn eigentlich nicht schlagen darf, greift er dann doch ein. „Stopp, tu es nicht!“ Aber Emma Cardy-Brown hat da schon mit ihrem Schläger den Ball erwischt. Sie grinst den Schiedsrichter danach schuldbewusst an. Lachend unterbrechen die vier Reiter kurz das Spiel, Prymaka ermahnt die Foulspielerin. Jetzt darf das gegnerische Team wieder versuchen, ein Tor zu schießen.

Die Regeln im Polo dienen vor allem dazu, die Pferde zu schützen. Wenn ein Spieler den Ball nach vorne schlägt und ihm hinterhergaloppiert, darf kein anderer Reiter die gedachte Linie zwischen Pferd und Ball kreuzen. Damit sollen Zusammenstöße verhindert werden.

Eines der häufigsten Fouls im Polo

Das Kreuzen dieser Linie gehört zu den häufigsten Fouls im Polo, nicht nur Emma Cardy-Brown passiert es im Laufe des Spiels, sondern auch den anderen. Nicht verboten ist es, Gegenspieler von ihrer Linie zu drängen. Daher pressen die Reiter immer wieder die Körper ihrer Pferde seitlich gegen die anderen. Es würde nach hartem Kontaktsport aussehen, wenn sie dabei nicht laut lachen würden.

Pip Menzel (re.) versucht, Katja Lebelt von ihrer Linie abzudrängen.

Pip Menzel (re.) versucht, Katja Lebelt von ihrer Linie abzudrängen. / Nele Bendgens

Das Polo-Match auf der Finca Can Cavall Blau nahe Sencelles ist alles andere als ein ernster Wettbewerb. Vielmehr kommen hier Reiter und Reiterinnen zusammen, um gemeinsam Spaß zu haben. „Reitsport ist häufig eine sehr einsame Tätigkeit, Polo ist dagegen pure Teamarbeit“, schwärmt Katja Lebelt. Die Deutsche züchtet auf ihrer Finca Can Cavall Blau Polopferde. Um diese zu trainieren, hat Lebelt im Herbst mit dem Polospielen begonnen.

Geholfen hat ihr dabei ein Zufall: Lebelt baut auf ihrer Finca Bitterorangen an und macht daraus eine Art Campari Orange namens l’Apéro Amargo. Dieses Getränk trug sie Läden auf der Insel an, darunter CAV in Palma, das Geschäft von Charlie Prymaka. Schnell kam das Gespräch darauf, dass Prymaka in Großbritannien vor 15 Jahren Poloprofi war – und die Idee zu dem gemeinsamen Projekt entstand.

Lebelts Ziel ist es, Polo der Reitfamilie auf Mallorca näherzubringen. „Polo ist als Elitesport verschrien, dabei kann es auch sehr familiär sein“, sagt sie. „Von meinem zwölfjährigen Sohn bis zu über 60-Jährigen ist bei uns jeder dabei.“ Trotzdem: Ein teurer Sport bleibt es, pro Spieltag müssen die Mitspieler 75 Euro bezahlen.

Zurück nach vielen Jahren

Emma Cardy-Brown ist zwar von den 60 noch weit entfernt, hätte sich an einem anderen Ort aber nicht getraut, wieder mit dem Polo anzufangen. Die Britin hatte die Sportart vor Jahren kennengelernt. Doch dann zog sie um, bekam ein Kind, machte Jahre lang kaum Sport. „Als ich mich wieder auf ein Pferd gesetzt habe, hatte ich das Gefühl, ich habe keinen einzigen Muskel mehr“, sagt sie und lacht. „Alles an mir war weich und wackelig.“

Wer Cardy-Brown beim Spiel sieht, würde nicht vermuten, dass sie sich noch vor wenigen Monaten unsicher war, ob sie überhaupt noch richtig reiten kann, zielstrebig führt sie ihr Pferd hinter dem Ball her. Der Erdboden staubt unter den Hufen der Pferde. Gras hat Lebelt bewusst nicht angebaut: „Auf einer Insel, die mit Dürre kämpft, muss man nicht unnötig einen Rasen bewässern.“

Mit Cardy-Brown im Team spielt bei dem Match eine weitere Britin. Pip Menzel ist zwar eine erfahrene Reiterin, hatte aber bis vor drei Monaten noch nie einen Poloschläger in der Hand. „Es ist lustig, dass ich von England nach Mallorca ziehen musste, bevor ich mit Polo anfange“, sagt sie. „Aber die Polo-Clubs in England sind nichts für mich.“

Charlie Prymaka war in Großbritannien professioneller Polospieler. Er ist in Can Cavall Blau der Trainer.

Charlie Prymaka war in Großbritannien professioneller Polospieler. Er ist in Can Cavall Blau der Trainer. / Nele Bendgens

Polo wird nicht nur in Großbritannien als Sportart der oberen Klasse gesehen. Pferde zu besitzen ist bereits teuer, dazu müssen die Rasenplätze unterhalten werden, häufig werden außerdem Profispieler „eingekauft“, um ihren vermögenden Mitspielern die Bälle während des Spiels zurechtzulegen. Charlie Prymaka hat früher in solchen Clubs gearbeitet, aber irgendwann hatte er es satt. „Bei Polo sollte es vor allem um Pferde gehen, stattdessen konzentrieren sich viele auf Champagner“, sagt er. Hier gebe es dagegen Bier und gute Gesellschaft. Und eben Pferde.

Zurück zum Wesentlichen

„Pferde sind für manche Polospieler wie ein Auto, das sie sich ausleihen“, sagt Katja Lebelt. Ihre Gruppe arbeite dagegen mit den Tieren, lerne sie kennen. Chispa, Traumfee und Tarantella gehören genauso zur Polo-Familie wie das jüngste Pferd Auenfee, das alle nur Baby nennen. Die Spieler und auch der Trainer betonen, dass Lebelts Tiere besonders zugängliche Wesen sind, die es ihren Reitern leicht machen.

Lebelt züchtet Polopferde, die für Anfänger geeignet sind. Ihr Zuchthengst ist eine Kreuzung aus 50 Prozent Quarter Horse und englischem Vollblut, die Stuten sind entweder argentinische Polopferde oder reine englische Vollblüter.

Die Polopferde Chispa und Tarantella warten auf ihren Einsatz.

Die Polopferde Chispa und Tarantella warten auf ihren Einsatz. / Nele Bendgens

Vieles läuft bei Can Cavall Blau anders: Neben der informelleren Umgebung entspricht auch das Spielfeld nicht den offiziellen Maßen. Gewöhnliche Polofelder sind rund 274 Meter lang und 183 Meter breit, etwa dreimal so groß wie die Fläche in Katja Lebelts Finca. Daher spielen die Reiter nicht in Vierer-, sondern meist in Zweier-Teams gegeneinander. Normalerweise müssen beim Polo die Pferde nach sieben Minuten ausgetauscht werden. Bei Can Cavall Blau verbringen die Reiter die gesamte Spielzeit von knapp 20 Minuten auf einem Tier.

Nach dem Spiel sind Ross und Reiter erschöpft. „Am nächsten Tag tut uns alles weh“, sagt Emma Cardy-Brown. Die verschwitzten Tiere kriegen eine Dusche, der Trainer endlich sein Bier. Und alle Reiter setzen sich zu einem gemeinsamen royalen Essen zusammen: Cardy-Brown und Menzel haben „Krönungs-Hühnchen“ und „Krönungs-Quiche“ zu Ehren von Charles III. gekocht. Der Spielausgang ist den Beteiligten dabei offensichtlich einerlei. Niemand zählt die Tore, gemutmaßt wird am Ende, dass Cardy-Brown und Menzel gewonnen haben.

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