Dass die Umweltbehörde auf Mallorca über die sich vermehrenden Hirsche in Sorge ist, besorgt nun die Historiker. Wissen die Herren und Damen Umweltschützer nicht, dass die Tiere viele Jahrhunderte lang auf der Insel gelebt haben? Sollen wir sie jetzt als Eindringlinge behandeln, nur weil wir sie zwischendurch ausgerottet hatten?

Zur Erinnerung: Wanderer stießen vor einigen Wochen in den Inselwäldern nahe dem Bergkloster Lluc auf eine große Herde Rot- und Damhirsche und schickten ein Video in die sozialen Netzwerke, auf dem etwa 30 Exemplare zu sehen waren. „Sind die unter Kontrolle?", fragten sie besorgt. Das Umweltministerium meldete sich schnell, vielleicht vorschnell, zu Wort: Zwar handele es sich um aus einer Zucht ausgebüxte Tiere, die sich nun unkontrolliert vermehrten. Aber die invasive Art bedeute nicht zwangsläufig eine Bedrohung für die Artenvielfalt. Man habe alles unter Kontrolle.

Nun mischt sich Mediävist Antoni Mas von der Balearen-Universität UIB in die Debatte ein. Hirsche, so der Historiker, seien für Mallorca völlig normal. „Sowohl im Mittelalter als auch in der Neuzeit war die Jagd auf Hirsche weitverbreitet." Den Politikern der Gegenwart empfehle er die Lektüre der 180 Seiten langen Studie über die Geschichte der Jagd mit Hunden auf den Balearen (La caça i els cans a les Balears, segles XIII-XIX). Denn für das gewiefte Großwild habe es nicht nur spezielle Giftgeschosse, sondern auch eigens abgerichtete Hirschjagd-Hunde gegeben. Lange Zeit habe man fälschlicherweise geglaubt, dass die Hirsche im Jahr 1302 - zusammen mit Fasanen und Wildschweinen - erstmals vom Festland auf die Insel gebracht worden seien, damit sich der Adel bei der Jagd vergnügen konnte. Inzwischen habe man aber Hirschknochen auch unter den Jagdresten prähistorischer Talaiots gefunden.

Angesichts der Tatsache, dass der Hirsch später vom Menschen ausgerottet wurde, stellt sich nun die Frage, wer auf Mallorca eigentlich die invasive Art ist.