Warum die Wolle von den Schafen auf Mallorca viel mehr kann als nur Pullover

Die mit EU-Geldern finanzierte Vereinigung Mallorca Rural testet die vielseitige und regionale Verwendung von Schafwolle

Die Wolle der Inselschafe will keiner haben. Doch das soll sich ändern, denn sie ist auch anderweitig nützlich.

Die Wolle der Inselschafe will keiner haben. Doch das soll sich ändern, denn sie ist auch anderweitig nützlich. / Mallorca Rural

Das Fell muss jedes Jahr runter, bevor der Sommer kommt, daran führt kein Weg vorbei, obwohl die Schur der Tiere mehr kostet, als die Wolle den Landwirten einbringt. Die Schafwolle wird dann meist gesammelt und unverlesen aufs spanische Festland geschickt. Ein schlechtes Geschäft, das die Zucht für die Landwirte noch unattraktiver macht. Die Population der Inselschafe schrumpft denn auch jedes Jahr im Schnitt um 4.000 Tiere.

„Dabei ist Wolle ist nicht gleich Wolle“, sagt Magdalena Adrover von der gemeinnützigen Vereinigung Mallorca Rural mit Sitz in Porreres. Die Tierärztin koordiniert alle diejenigen, die auf der Insel mit Schafwolle zu tun haben. Das sind unter anderen Züchter, Landwirte, Großhändler oder Kunsthandwerker, insgesamt an die 150 Beteiligte. Miteinbezogen wird auch das Projekt „Llaretss“ auf Menorca. Finanziert wird diese Arbeit mit EU-Geldern aus dem LEADER-Förderprogramm zur Entwicklung des ländlichen Raums.

Die Bürokratie

„Künftig sollte man nicht pauschal von Mallorca-Wolle sprechen, sondern von verschiedenen Schafwollqualitäten, deren Verwendung man nicht über einen Kamm scheren kann“, erklärt Magdalena Adrover. Wobei dafür erst einmal bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt werden mussten. „Bislang durften tierische Erzeugnisse laut einer EU-Verordnung nicht gelagert oder verarbeitet werden, auch nicht die Wolle von den eigenen Schafen“, sagt Adrover. Geschorenes Vlies wird in der Risikogruppe 3 von 4 eingestuft, bei der Gefahr für Mensch und Tier bestehen könnte. Deshalb gab es bisher nur die Möglichkeit, ungewaschene Schafwolle an autorisierte Unternehmen zu liefern oder sie zu vernichten. Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium der Balearen habe Mallorca Rural nun zugunsten der Schafzüchter Lücken in der Verordnung gefunden. Landwirte könnten die Wolle der eigenen Tieren auf ihrem Hof nutzen.

Die Wolle der Inselschafe will keiner haben. Doch das soll sich ändern, denn sie ist auch anderweitig nützlich.  | FOTO: NELE BENDGENS

Eine Mulchschicht aus Wolle schützt die Wurzeln von Zitrusbäumen. / Mallorca Rural

Gute und schlechte Wollqualität

In Porreres trafen im Laufe des Jahres Wollproben von den Schafen verschiedener Herden ein. Magdalena Adrover leitete sie an die Balearen-Universität weiter, damit in Zukunft gute Wollqualität von weniger guter unterschieden werden kann. Dabei steht schon jetzt fest, dass auch die beste Inselwolle kaum mithalten werden kann mit der Wolle von Tieren, die in kälteren Regionen leben und längeres, dickeres Haar haben.

Kurz und kratzig

Die Inselwolle ist und bleibt kurz und kratzig. Und dennoch hat ungewaschene Schafwolle den Insellandwirten einiges zu bieten – das will Adrover mit ihrer Arbeit beweisen. Weil das Fett Lanolin die Tiere vor Regen schützt, kann ungewaschene Wolle Wasser in einer Menge speichern, die dem Drei- bis Vierfachen ihres Volumens entspricht. Neben Stickstoff enthält Schafwolle Kalium, etwas Schwefel sowie geringe Mengen Phosphat und Magnesium. Ein Mehrfachdünger also, der Nährstoffe langsamer freisetzt als andere.

Wie wirkt Wolle im Kompost?

Mallorca Rural testet derzeit die Wirkung der Schafwolle im Kompost. Anfang November fand deswegen ein Workshop auf dem Gelände der Kooperative Camp Mallorquí in Santa Maria del Cami direkt neben den Mandelplantagen statt. „Kompost besteht, wie ein gutes Gericht, aus mehreren Zutaten“, sagt Magdalena Adrover. In Santa Maria sind unter einer schwarzen Kunststofffolie mehrere kleine Hügel aufgetürmt. Jeder von ihnen enthält eine Schicht Schafwolle. Doch die Zutaten variieren: Untergemischt sind Pferdemist, Küchenabfälle oder Schnittgut. Die Kooperative Camp Mallorquí wird sich um die weitere Pflege des Komposts kümmern. Mitarbeiter werden ihn regelmäßig umschichten, ihn feucht halten und drei Monate lang Proben für die Laboruntersuchung entnehmen.

Der Mulch

Dass eine Mulchschicht unter Bäumen die Verdunstung des Gießwassers reduziert, ist bekannt. Mallorca Rural empfiehlt auch das Mulchen mit Schafwolle. Es sorge ebenfalls dafür, dass Feuchtigkeit nicht verdunstet, und schütze den Boden vor dem Austrocknen. Auch das trage dazu bei, Gießwasser zu sparen. Zudem bewahre Wolle die Wurzeln vor Hitze und Kälte. „Das tut not, weil es bei extremen Temperaturen dazu kommen kann, dass die Mikroorganismen ihre Arbeit einstellen“, berichtet Adrover. Bei herabfallendem Obst sorge die Wollschicht zudem für eine sanfte Landung der Frucht.

Der Frassschutz

Bei neuen Plantagen sind sie bei Ökolandwirten bereits zu sehen: kleine Wollbüschel, die um die Stämme von Jungbäumen gewickelt sind. „Das ist ein präventiver Schutz gegen alle Insekten, die vom Boden nach oben kriechen und nicht angeflogen kommen“, sagt Adrover. Da die ungewaschene Wolle nicht dem Duftgeschmack von hoppelnden Säugern oder Ziegen entspricht, machen auch sie um die Bäume einen großen Bogen.

Der Leitfaden

Magdalena Adrover wird die Analysen der Schafwollproben und die des Komposts auswerten sowie die Erfahrungen mit Mulch und Frassschutz sammeln. Aus dem Material soll ein manual de buenas prácticas, ein praktischer Leitfaden werden, dessen Veröffentlichung noch vor der nächsten Schafschur im kommenden Jahr geplant ist.

Ideen fürs Land: www.mallorcarural.cat, Facebook: MallorcaRural 

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