Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat auch in Spanien und auf Mallorca Sorgen um mögliche wirtschaftliche Folgen ausgelöst. Im Mittelpunkt stehen der Gaspreise und die Energieabhängigkeit. Der spanische Leitindex IBEX 35 begann den Donnerstag mit einem Rückgang von 4,3 Prozent. Obwohl Spanien über eine sehr diversifizierte Gasversorgung verfügt und von elf Ländern sowohl über Pipelines als auch per Schiff beliefert wird, besteht Unsicherheit in Bezug auf Öl, da fast fünf Prozent der Einfuhren aus Russland stammen. Dies dürfte den Ölpreis nach Monaten hoher Energiepreise noch weiter verteuern.

Das glaubt auch der Professor für Volkswissenschaft und ehemalige Wirtschafts- und Finanzminister der Balearen-Regierung, Carles Manera, der mit Folgen für den Fremdenverkehr rechnet. Im Gespräch mit der MZ will sich Manera zwar noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, sagt aber: "Steigende Energiepreise könnte die Reisefreudigkeit nach Mallorca bremsen."

Dass die Gaspreise stark steigen, zeigt sich bereits wenige Stunden nach dem Angriff auf die Ukraine. "In kurzer Zeit sind die Preise um 40 Prozent nach oben geschossen", sagt Manera. Und die Preise für Treibstoff könnten, so Manera, eine ähnliche Entwicklung nehmen. "Die Wirtschaft möchte keinen Lärm, und das, was in der Ukraine passiert, ist ein sehr heftiger Lärm", analysiert Manera.

Auswirkungen auf den Tourismus

Auswirkungen auf den Tourismus im Sommer seien denkbar, wenngleich es noch zu früh sei, mit konkreten Prognosen aufzuwarten. "Wir können natürlich jetzt noch nicht sagen: 'Der Tourismus bricht um soundsoviel Prozent ein'. Viel kommt darauf an, wie es die kommenden Tage und Wochen im Krisengebiet weitergeht." Sollte es allerdings zu einem längeren Krieg kommen, dürfte Mallorcas Tourismusbranche die Auswirkungen steigender Flugpreise deutlich zu spüren bekommen, ist Manera überzeugt.

Nicht ganz so pessimistisch sieht die Lage Toni Riera, ebenfalls Wirtschaftsprofessor an der Balearen-Universität und Leiter der Fundación Impulsa. Er sieht zwar auch die Gefahr, die von steigenden Flugpreisen auf die Reisefreudigkeit ausgehen könnte, sagt aber auch: "Die geopolitische Unsicherheit im Osten von Europa kann Urlauberströme in Richtung der Balearen lenken." Riera denkt da vor allem an potenzielle Türkei-Urlauber, die die sichereren Balearen bevorzugen könnten. "Mallorca und die anderen Inseln gehen meist als Gewinner hervor, wenn irgendwo auf der Welt Krieg herrscht." Dass Mallorca in näherer Zukunft auf Touristen aus Russland und der Ukraine verzichten werden muss, ist laut Riera kein größeres Problem. "Diese beiden Länder haben zumindest in den vergangenen Jahren so gut wie keine Rolle beim Mallorca-Tourismus gespielt."

Zu Wort gemeldet hat sich im Ukraine-Konflikt auch die mallorquinische Hoteliersvereinigung FEHM. In einer Pressemitteilung verurteilen die Hoteliers den Angriff Russlands auf die Ukraine. "Wir bedauern zutiefst, dass Russland der Ukraine den Krieg erklärt hat, vor allem aufgrund der humanitären und sozialen Folgen eines militärischen Konflikts, und wir vertrauen auf eine entschlossene Reaktion der Europäischen Union und der verbündeten Länder, um den Konflikt so bald wie möglich zu beenden. Es liegt auf der Hand und ist an manchen Börsen bereits zu beobachten, dass der Angriff erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben wird, die noch nicht abzuschätzen sind, die aber die wirtschaftliche Erholung belasten werden."

Makroökonomische Auswirkungen

Toni Riera machen eher die makroökonomischen Auswirkungen des Konflikts Sorgen. Gerade hätten die Inseln nach der Corona-Pandemie zu einem schüchternen Wirtschaftswachstum zurückgefunden. "Ein Krieg könnte die Erholung wieder jah stoppen." Für die Balearen sei der Zeitpunkt des Angriffs besonders ungünstig, da die Inseln im Vergleich mit vielen anderen europäischen Regionen bei der wirtschaftlichen Erholung noch deutlich hinterherhinken. "Spanienweit fehlen derzeit noch etwa 15 Prozent zum Stand von vor der Pandemie. Auf den Balearen sind das 30 Prozent", sagt Riera. Auch Deutschland stünde deutlich besser da als, die Inseln.

In diesem Zusammenhang bereite ihm auch die steigende Inflation Kopfzerbrechen. "Es gab ja die Hoffnung, dass der steile Anstieg der Teuerungsrate im Juli zum Stillstand kommen könnte, aber mit der neuen Entwicklung in der Ukraine ist die Lage wieder völlig unklar", sagt Riera.

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Für die Menschen auf Mallorca bedeuteten die Inflation und die durch den Ukraine-Konflikt wohl steigenden Energiepreise ebenfalls ein Problem. Bereits in den vergangenen Monaten sind die Kosten für Heizung und Treibstoff stark gestiegen, viele Familien können nur noch schwer mithalten. Ein weiterer, deutlicher Preisanstieg könne für viele Menschen auf den Inseln zu einer großen Herausforderung werden, glaubt Carles Manera, der allerdings hofft, dass der Konflikt in der Ukraine in absehbarer Zeit wieder abflauen könnte. "Da ist sehr viel testosterongesteuert von Seiten von Vladimir Putin. Ich habe nicht den Eindruck, dass die russische Bevölkerung einen Krieg gutheißt."