Mallorca Zeitung

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Start-up-Experte erklärt: So viel Potenzial hat Mallorca als Gründer-Standort

Helmut Schönenberger hat Europas größtes Gründer- und Innovationszentrum in München aufgebaut. Welches Potenzial sieht er für Mallorca?

Helmut Schönenberger Bureau Zweisam Fotografie

Helmut Schönenberger ist so etwas wie Deutschlands Gründer-Papst. Der Honorarprofessor an der Technischen Universität München (TUM) hat vor genau 20 Jahren gemeinsam mit der BMW-Erbin Susanne Klatten die UnternehmerTUM gGmbH ins Leben gerufen, inzwischen europaweit das größte Gründer- und Innovationszentrum. Mit dessen Hilfe hat der 49-Jährige bereits über 1.000 Start-ups bei ihrer Gründung begleitet. Schönenberger spricht beim Wirtschaftsforum 2022 des Steuer- und Rechtsbüros PlattesGroup am 10. Juni um 15.30 im Hotel Castell Son Claret nahe Es Capdellà.

Wie steht es aus Ihrer Sicht um den Gründerstandort Europa?

Er befindet sich deutlich im Aufwind. In den vergangenen zehn Jahren wurden sehr viele interessante, wachstumsstarke Unternehmen gegründet und es haben sich immer mehr Gründungshubs etabliert. In Spanien ist das beispielsweise Barcelona, in Frankreich Paris und in Deutschland Berlin oder München. Es ist eine Superzeit für Gründer.

Spanien steht bei der Zahl der Start-ups an vierter Stelle europaweit. Wie gut ist das?

Es gibt in Spanien eine sehr lebendige Gründerszene, vor allem in den Zentren Madrid und Barcelona. Spaniens Startup-Szene hat meines Erachtens enormes Potenzial.

Und was ist mit Mallorca?

Um Universitäten herum entstehen üblicherweise Gründerzentren. Die Balearen-Universität hat einzelne Kurse für angehende Unternehmer im Angebot, aber ist noch kein sichtbares europäisches Gründer-Hub. Auch auf der Insel gibt es aber viele junge Menschen, die den unternehmerischen Weg wählen.

"Mallorca hat beachtliche Unternehmen"

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Was könnte für Mallorca sprechen auf dem Weg, ein Gründerzentrum zu werden?

Wichtig sind vor allem die Menschen vor Ort. Auf der einen Seite die Studierenden, aber auf der anderen Seite auch die bestehenden Strukturen, die Unternehmer, die Geschäftsleute. Und da hat Mallorca beachtliche Unternehmen, wie etwa Camper, um die herum auch neue Ideen entstehen können.

Oder auch die großen Hotelketten wie Riu, Iberostar, Meliá ...

Der Tourismus ist natürlich die Stärke von Mallorca. Um ihn herum gibt es ja schon laufend neue Innovationen. Daran anschließend gibt es viele weitere Felder, wie die Logistikbranche oder die Ernährungsbranche. Ein großes Thema für die ganze Welt ist der ganze Nachhaltigkeitsbereich mit erneuerbaren Energien oder dezentraler Stromversorgung oder Elektromobilität, wo Mallorca auch eine wichtige Rolle spielen kann.

Welche Grundvoraussetzungen braucht denn ein Standort für einen Gründer-Hub?

Es müssen die richtigen Menschen mit den Investoren zusammenkommen. Das technologische Know-how muss da sein. Zudem muss es ein förderliches Branchenumfeld geben, wie etwa der Tourismus oder die Agrarbranche.

Die Balearen haben EU-Hilfen aus dem NextGeneration-Fonds in großem Umfang beantragt. Wie können die bei der Förderung von Start-up-Unternehmen wichtig werden?

Die staatlichen Förderungen sind oft der Schlüssel dafür, dass Neues entsteht und dass junge Teams die Möglichkeit haben, eine erste Finanzierung zu bekommen. Damit haben sie dann etwas Luft, das Produkt und das Geschäftsmodell zu entwickeln, erste Kunden anzusprechen und erste Aufträge zu gewinnen.

Wie überstehen die jungen Unternehmen diesen ersten kritischen Moment?

Hier sind die Universitäten elementar, um Studierenden diesen Freiraum zu geben, sich auszuprobieren, zu lernen und zu experimentieren. Wenn es dann nicht klappt, ist es nicht so schlimm, denn sie haben einen Lernerfolg gehabt. Und wenn es funktioniert, haben sie ihr eigenes Unternehmen gegründet.

Mal ganz grundsätzlich: Was muss man für eine Unternehmensgründung mitbringen?

Wichtig ist, dass man eine große Leidenschaft für seine unternehmerischen Themen hat und Freude hat, mit Kunden und Mitarbeitenden zu agieren, und innovativ Produkte vorantreibt. Gleichzeitig braucht man ein Verständnis für den Markt und sollte betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben.

Sie haben bereits über 1.000 Start-ups bei ihrer Gründung unterstützt. Sehen Sie mit dieser Erfahrung inzwischen auf den ersten Blick, wer Erfolg haben wird und wer nicht?

Es ist immer aufs Neue eine Abenteuerreise. Wir versuchen, in unserem universitären Umfeld den Menschen den Freiraum zu geben und herauszufinden, ob das die richtige Reise für diese Person ist. Die Entwicklung einer Firma ist ein Prozess. Es kommt ja nicht einer mit einer Idee, und dann ist es schon die ideale, ausgereifte Geschäftsidee. Die Menschen kommen zu uns, sie lernen, wie man ein Geschäftsmodell entwickelt, sie lernen andere Mitgründer kennen, schließen sich zu Teams zusammen und fangen gemeinsam an, an der Idee zu arbeiten. Und die wandelt sich ständig und wird weiter optimiert. Wenn die Menschen in der Lage sind, auf diesen gemeinsamen Lernpfad zu gehen, sind die meisten erfolgreich.

Wie weit bringen Sie sich persönlich in der Gründungsphase der Start-ups ein?

Wir helfen ihnen zunächst einmal dabei, staatliches Fördergeld zu bekommen. Dann geht es darum, dass die Start-ups Investoren ansprechen. Darauf bereiten wir sie auch vor. Wir haben im Jahr weit über 50 Start-ups, die von externen Investoren Geld bekommen. Vergangenes Jahr haben unsere Start-ups über 3,5 Milliarden US-Dollar eingesammelt.

"Ganz Europa trifft sich auf der Insel. Das ist eine Stärke, die Mallorca nutzen kann als ein wirklich europäischer Standort."

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Kommen die meisten Investoren immer noch aus den USA oder gibt es inzwischen auch in Europa mehr und mehr risikofreudige Geldgeber?

Es sind bereits viele europäische Investoren am Start. In den späteren Finanzierungsrunden, in denen es um sehr viel Geld geht, sind viele Investoren aus den USA und Asien dabei.

Deutschland wird oft nachgesagt, Weltmeister im Überoptimieren sein. Nichts wird dem Zufall überlassen. Könnte die etwas größere Spontaneität der Spanier dem Land bei den Gründungen helfen?

Dieses Mutige und Pragmatische ist extrem wichtig. Davon abgesehen es ist eine tolle Vision, auch europäische Teams aufzubauen mit den besten Leuten aus allen Ländern. Das ist unser europäischer Gedanke, ganz Europa mit tollen Ideen versorgen.

Im Vergleich zu den USA hat Europa nur weiterhin den Nachteil, in jedem Land unterschiedliche Voraussetzungen oder Steuersysteme zu haben.

Gleichzeitig kommen wir ja zusammen, da ist Mallorca ein tolles Beispiel. Ganz Europa trifft sich auf Mallorca. Das ist eine Stärke, die Mallorca nutzen kann als ein wirklich europäischer Standort.

Krisen wie derzeit in der Ukraine könnten auch Chancen für die Zukunft bergen. Wo sehen Sie Möglichkeiten für Start-ups?

Eines der zentralen Themen ist sicher der Energiebereich. Sprich: Wie können wir neue Lösungen schaffen, Energie einsparen oder neue Energiequellen aufbauen, wie etwa bei der Solarenergie. Wir sind in einer Zeit des Wandels und es sind oft junge Unternehmen, die hier mit großen neuen Ideen kommen.

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