Der Blick fällt zunächst auf die Tramuntana, dann auf die Schuhe: Auch im Büro tragen. Esperanza Bestard und Gabriel Company ihr eigenes Produkt. Die Rede ist von den Schuhen der Marke Bestard, einem urmallorquinischen Familienunternehmen, das auf Wanderstiefel spezialisiert ist. „Wir stellen aber auch Schuhwerk für Reisen, Jäger, Polizisten, Sicherheitspersonal und Sportarten wie Canyoning her“, sagt Sprecher Gabriel Company.

Verwaltung und Fabrik befinden sich in Lloseta. Bestard schaut auf eine über 80-jährige Firmengeschichte zurück – und hat auch die Corona-Krise weitgehend unbeschadet überstanden. 1940 hatte Antonio Bestard begonnen, maßgefertigte Herrenschuhe herzustellen, damals noch im Hinterhof seines Wohnhauses im Ortskern. Zur damaligen Zeit war die Schuhproduktion ein wichtiger Wirtschaftsfaktor Mallorcas. Das änderte sich in den 1970er-Jahren. Die Lohnkosten stiegen, die Herstellungsbedingungen wandelten sich, die Zahl der Schuhmanufakturen auf der Insel ging stark zurück. Bestard konzentrierte sich auf ein damaliges Nischenprodukt: Wanderstiefel. Und hatte damit Erfolg.

Seit 1997 werden die Bestard-Schuhe auf einem Gelände nahe des Bahnhofs von Lloseta produziert. Esperanza Bestard steht gemeinsam mit ihrem Cousin Toni Bestard – inzwischen als dritte Generation – dem Unternehmen vor. Ihr Onkel Pedro Bestard arbeitet nach wie vor in der Werkstatt mit. Er und seine beiden Geschwister übernahmen die Geschäfte in den 70ern, als Antonio Bestard erkrankte, und fokussierten das Unternehmen neu. „Seit 55 Jahren arbeite ich schon hier“, so der 69-Jährige, während er einen Stiefel repariert. „Er könnte schon längst in Rente gehen, will aber nicht“, sagt seine Nichte und lacht.

Auch Antonio Cañellas steht seit seinem 15. Lebensjahr an der Werkbank, mittlerweile geht auch er dem Rentenalter entgegen. Cañellas ist Spezialist für Fersenschutz. Routiniert spannt er die Schuhrohlinge in die Maschine ein und bringt die Verstärkung an.

32 Mitarbeiter sind in dem Unternehmen beschäftigt, der Großteil begeisterte Wanderer und Outdoor-Sportler. 125 verschiedene Modelle bietet Bestard an. Hat sich ein Modell bewährt, bleibt es mehrere Jahre im Verkauf. „Wir haben keine zweimal jährlich wechselnde Kollektion“, betont Esperanza Bestard.

Das heißt nicht, dass die Wanderstiefel nicht weiterentwickelt werden. Bestard arbeitet mit dem Unternehmen Gore-Tex sowie dem Sohlenhersteller Vibram zusammen. Gemeinsam ertüftelten die Schuhexperten eine besonders atmungsaktive Außensohle. Ein moderner Wanderschuh soll vor allem leicht sein, erklären die beiden Experten. Das wünschen die Kunden so. Auch muss es nicht immer das knöchelhohe, schwerere Modell sein. Espe- ranza Bestard zeigt einen der ersten Bestard- Wanderstiefel: Schwer wiegt der Schuh in der Hand. „Heute kommt mehr Textil zum Einsatz“, sagt sie. Einiges ändert sich nicht: Nach wie vor wird Rindsleder verarbeitet.

Stanzen, kleben, vernähen, Schnürsenkel einfädeln: „Bis ein Stiefel fertig ist, braucht es mehrere Bestandteile und Arbeitsschritte“, erklärt Esperanza Bestard. Wie viele genau, das hänge immer vom jeweiligen Modell ab. Bis ein Bestard fertig ist, dauert es mehrere Tage.

Rund 100.000 Exemplare verlassen jährlich die Produktionshalle. 80 Prozent werden auf dem spanischen Markt verkauft, der Rest geht ins Ausland. In 35 Ländern sind die Bestard-Stiefel zu haben, darunter auch Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Bestard durchwanderte die Corona-Krise recht ordentlich. Zwar ging der Umsatz 2020 im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent zurück. Nach dem harten Lockdown im Frühjahr allerdings schossen die Verkaufszahlen wieder nach oben und übertrafen gar die des Vorjahresquartals. „Wandern war ja eine der wenigen Aktivitäten, der man auf Mallorca nachgehen konnte“, sagt Sprecher Company.

Bestard schloss dennoch den Outlet-Laden im Mallorca Fashion Outlet (einst Festival-Park). Direktverkauf gibt es jetzt nur noch im Werk (Montag bis Samstag 10 bis 20 Uhr). „Dafür haben wir vor sechs Monaten einen Onlineshop eingeführt“, so Esperanza Bestard. Noch entfällt ein kleiner Teil der Verkäufe auf das digitale Geschäft. „Die Kunden kaufen online mal einen Schuh nach, den sie bereits kennen.“ Im Regelfall müssen die Stiefel vorher angezogen werden, um zu schauen, dass sie auch richtig sitzen.

Wie findet der Wanderer den perfekten Schuh? „Bloß keine Spontankäufe“, rät die Chefin. „Nur weil ein Stiefel schön aussieht, muss er nicht gleichzeitig der passende sein.“ Sich überlegen, in welchem Gelände der Schuh zum Einsatz kommen soll, sich beraten lassen und dann verschiedene Modelle probieren, seien wichtig. „Die Idee, dass ein Schuh erst mal eingelaufen werden muss, ist überholt“, fügt Gabriel Company an, „er muss bereits beim Anprobieren bequem sein.“ Wer in der Tramuntana wandern möchte, braucht kein Modell fürs Hochgebirge auszuwählen, sondern entscheidet sich für eines aus der Trekking-Linie.

Obwohl das Unternehmen schon mehrere Täler durchquerte, gibt es immer neue Herausforderungen. „Mit der Schuhproduktion in Lloseta läuft es ähnlich wie mit der Möbelherstellung in Manacor: Beide Industriezweige schrumpfen immer mehr“, sagt Gabriel Company. Die Insellage treibe die Produktionskosten in die Höhe. „Unser gesamtes Ausgangsmaterial müssen wir nach Mallorca importieren“, fügt die Firmenchefin an, auf der Insel würden nicht mal Ösen oder Schnürsenkel produziert. Mit den Preisen anderer Hersteller will und kann Bestard deshalb nicht konkurrieren. Die Stiefel made in Mallorca kosten 100 Euro aufwärts. „Uns ist wichtig, ein qualitativ hochwertiges, langlebiges Produkt zu liefern“, betont Company. So bietet Bestard einen Reparaturservice für die Stiefel an. Oft melden sich Kunden, die ihre Schuhe schon über viele Jahre oder gar Jahrzehnte tragen. „Die Menschen sollten nicht einfach blind konsumieren und so immer mehr Abfall produzieren“, appelliert der Unternehmenssprecher. Das sei besonders für Mallorca und den Erhalt der Naturräume wie der Tramuntana wichtig.