Lehrer fliegt drei Mal die Woche zur Schule an die Playa de Palma

Die Jobbörse für Lehrer auf Mallorca und den Nachbarinseln ist hart umkämpft. Formentera und Ibiza sind besonders unbeliebt. Wer den Schwarzen Peter zieht, steigt in den Flieger

Für das Foto lächelt Ismael Moll. Dabei ist er genervt, dass sein Flug mal wieder Verspätung hatte.  | FOTO: NELE BENDGENS

Für das Foto lächelt Ismael Moll. Dabei ist er genervt, dass sein Flug mal wieder Verspätung hatte. | FOTO: NELE BENDGENS / Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Als die MZ Ismael Moll auf dem Weg zur Arbeit trifft, hat er wenig Zeit. Der Lehrer ist spät dran. Mal wieder. Verschlafen? Im Stau gestanden? Nichts dergleichen. Der Flug des zweifachen Familienvaters hatte Verspätung. Es ist nicht das erste Mal. Moll pendelt drei Mal die Woche von Menorca nach Mallorca, um an einer Schule an der Playa de Palma zu unterrichten. Bereits seit zwei Jahren geht das so. Für Moll ist es derzeit die einzige Möglichkeit, seine zwei Töchter aufwachsen zu sehen und seinem Job nachgehen zu können.

Kein Einzelfall

Die Jobbörse für Lehrer auf den Balearen ist eine vertrackte Angelegenheit. Zum einen droht schnell die Zuweisung einer Stelle auf einer Nachbarinsel mit den daraus folgenden Mobilitätsproblemen. Zum anderen fürchten Lehrer insbesondere eine Versetzung nach Ibiza, wegen der hohen Lebenshaltungskosten. Er kenne einige Betroffene, so Pere Lomas, Sprecher der dortigen Lehrergewerkschaft Stei. Die Hölle sei das Urlauberparadies Formentera mit seinem völlig überhitzten Mietmarkt. „Für einen jungen Lehrer, der frisch von der Uni kommt, ist es vielleicht okay, für Wucherpreise ein Bett in einer WG zu mieten. Doch was soll ein Lehrer machen, der Familie oder gar Haustiere hat?“ Das Schuljahr beginnt jährlich im September, weswegen die Wohnungssuche also im August ansteht – mitten in der Hochsaison.

2019 bewarb sich Moll erstmals auf einen Platz auf einer Schule in seiner menorquinischen Heimat. „Es gab vier Stellen und fünf Bewerber.“ Der Menorquiner ging leer aus. Ein Umzug kam nicht infrage. Der Lehrer für Geschichte und Geologie nahm eine Stelle als Archäologe an. „Das war ein schöner Job. Wenn ich aber am Ende das Monat das Gehalt gesehen habe, war das weniger schön.“ Da es auch in der Bewerbungsrunde 2021 nicht mit der Stelle auf Menorca klappte, akzeptierte Moll wohl oder übel den Posten an der Schule an der Playa de Palma. Immerhin sei Mallorca besser als Ibiza oder Formentera.

So läuft das Pendeln mit dem Flugzeug

Um 5 Uhr morgens klingelt also der Wecker, um 6 Uhr muss Moll auf dem Flughafen sein, eine Stunde später Abflug, 7.50 Uhr Landung. Mit dem Bus A2 ist er gegen 8.15 Uhr an der Schule. 10.30 Uhr beginnt die erste Stunde. „Im vergangenen Schuljahr kam ich drei Mal zu spät, weitere drei Mal musste ich direkt daheim bleiben, weil der Flug gestrichen wurde.“ Der Schulleiter habe Verständnis für seine Situation. „Ich reiche die Flugverspätung oder den Ausfall als Nachweis ein, und die Schule sucht sich schnell einen Vertretungslehrer“, so der Menorquiner.

Besonders nachhaltig ist das Pendeln natürlich nicht. Weder für die Umwelt noch für den Geldbeutel. „Ich plane die Flüge weit im Voraus und habe schon alle für dieses Jahr gebucht. Hin- und Rückflug kosten mich in der Regel 20 Euro. So komme ich auf 240 Euro im Monat“, sagt Moll, der nur halbtags arbeitet und daher nicht täglich fliegen muss. Die Fliegerei sei günstiger als ein WG-Zimmer.

Weniger Aushilfen und mehr festangestellte Beamte

Das spanische Beamtenwesen ist kompliziert chaotisch. Es wird unterschieden zwischen dem funcionario interino und dem funcionario de carrera. Ersterer ist eine Art Aushilfe mit befristeter Stelle. Das können Monate oder ein paar Jahre sein. Letzterer hat seinen Posten auf Lebenszeit. Um flexibel zu sein, vergab Spanien lange nur die Aushilfsposten. Der EU missfiel das, und sie schritt ein, damit mehr Beamte ihre Stellen sicher haben. Die Balearen setzten die Vorgabe in der Ley 20/2021 um. Höchstens acht Prozent der Beamten dürfen derzeit noch interinos sein.

Bei der Ausschreibung der Stellen dieses Jahr gab es eine weitere Änderung. Zuvor hatten sich die Lehrer für eine konkrete Insel beworben. Diesmal konnten sie sich nur generell auf einen Arbeitsplatz auf den Balearen bewerben, ohne zu wissen, welche Schule auf welcher Insel sie bekommen. 564 freie Stellen gab es für das laufende Schuljahr – 295 für die Grundschule, 255 für die Oberstufe, zwölf für Sprachschulen und zwei für Musikschulen.

Das Mitleid der Kollegen hält sich in Grenzen. „Ich habe in meinem ersten Jahr sogar an vier verschiedenen Schulen unterrichtet. Das zweite Jahr wurde ich nach Ibiza geschickt“, berichtet Toni Riera, Lehrer in Binissalem, gegenüber der MZ. So sei nun mal die Rangordnung, heißt es auch in den Kommentaren unter einem Bericht auf der Website des Regionalsenders „IB3“ über den schwierigen Alltag von Ismael Moll.

Vergabe der Plätze je nach Prüfungsergebnis

Lehrer mit Berufserfahrung haben bessere Chancen. Concurso de mérito heißt das Verfahren. Neulinge und interinos müssen dabei eine Prüfung - die oposiciones - ablegen. „Sie besteht aus einem schriftlichen und mündlichen Teil sowie einer Präsentation in den jeweiligen Fächern, die man unterrichtet“, sagt Riera. Mit dem Notendurchschnitt und etwaigen Erfahrungen als interino wird eine Rangliste gebildet. Moll hofft, dass er bei der nächsten Ausschreibung genug Punkte gesammelt haben wird, um endlich einen Platz auf Menorca zu erhalten.

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