Mallorca Zeitung

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Jürgen Mathäß Weinjournalist, Berater und Autor

Experte schenkt reinen Wein ein: Ein Gespräch über die besten Mallorca-Bodegas, lokale Rebsorten und Liebhaberprojekte

Jürgen Mathäß ist Spezialist für spanische Weine und hat für ein Buchprojekt mehr als 50 Weingüter der Insel besucht

Jürgen Mathäß bei einem Besuch der Bodega Can Ramis auf Mallorca. Thilo Weimar

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich der renommierte Weinjournalist, Unternehmensberater und Buchautor Jürgen Mathäß mit spanischen Weinen. Er erinnert sich noch an die Zeiten, als es Ende der 1980er-Jahre auf Mallorca fünf oder sechs Bodegas gab. Nun beschloss er mit seinem guten Bekannten, dem Weinexperten Wolf Wilder, ein Buch zu schreiben – und dazu möglichst viele Bodegas der Insel zu besuchen und ihre Geschichten zu sammeln. Voraussichtlich Ende April, Anfang Mai soll es vorgestellt werden.

Herr Mathäß, Sie haben sich im Zuge Ihres Buchprojekts auf Mallorca durch die Bodegas gearbeitet. Wie lief das genau ab?

Wir wollten eine Auswahl der größten, besten und sonst noch interessanten Bodegas haben. Dabei sind zwischen 50 und 60 herausgekommen. Die sechs Wochen, die ich dann auf der Insel war, waren ziemlich durchgetaktet – im Prinzip mit drei Besuchen am Tag. Da die Bodegas alle noch nicht so alt sind, sondern erst in den letzten 20, 30 Jahren entstanden sind, ist immer eine schöne Geschichte: Warum hat man eigentlich damit angefangen?

Welche Insel-Bodegas lohnen einen Besuch?

Das kommt darauf an, was man sucht. Wenn Sie sich eine interessante Bodega ansehen wollen, können Sie zum Beispiel das Weinprogramm bei Can Axartell besuchen. Das ist ein tolles Weingut, das in den Berg hineingebaut worden ist und wo es ein spezielles Programm gibt. Dann gibt es auch Weingüter, die eigentlich nicht auf Besuch ausgelegt sind, wo aber die Weine sehr interessant sind. Da kann ich nur eine beliebige Auswahl nennen. Einer der größeren, bekannteren Betriebe ist Son Mayol. Atlan & Artisan ist ein Deutscher, der neu angefangen und erst vor Kurzem seine ersten zwei Weine gemacht hat, die ganz großartig sind. Dann gibt es die alten Bekannten, etwa die Gelabert-Brüder oder Ferrer, Biniagual und Binigrau. Das sind alles gute Betriebe.

Jürgen Mathäß ist auf spanischen Wein spezialisiert. privat

Was macht Wein von Mallorca im Gegensatz zu Wein vom spanischen Festland aus?

Das Klima ist ganz anders. Das Inselklima ist mediterran und warm, mit relativ hoher Luftfeuchtigkeit. So hat Mallorca eine ganz eigene klimatische Voraussetzung – und auch ganz eigene Rebsorten, die es sonst nirgends gibt. Das ist eine Spezialität auf Mallorca. In den vergangenen 15, 20 Jahren hat man verstärkt auch wieder die alten Rebsorten angebaut, die hier zeitweise gar nicht so geschätzt wurden. Eines der Beispiele dafür ist das Weingut Ànima Negra, das damals mit einem Callet weltweit populär geworden ist. Das war sozusagen der Beginn der großen Renaissance von mallorquinischen Rebsorten. Der Trend geht heute wirklich in diese Richtung.

Wie bewerten Sie diesen Trend?

Was ich ganz spannend finde, ist, dass man mallorquinische teilweise mit internationalen Rebsorten wie Cabernet, Syrah oder Merlot verschneidet. Und das ergibt häufig super interessante Weine. Aber ich sehe es nicht nur positiv. Man muss aufpassen, dass man nicht übertreibt, weil mallorquinische Rebsorten in einem ganz bestimmten Spektrum liegen. Vor allem die roten Sorten sind alle recht hellfarbig und haben relativ wenig Gerbstoff. Wenn man einen anderen Weintyp sucht, dann kann man sich nicht vollkommen auf diese Sorten beschränken. Ich glaube deshalb nicht, dass in 20 Jahren nur noch mallorquinische Rebsorten gepflanzt werden.

Welches Potenzial sehen Sie im Weißwein von Mallorca, der immer beliebter wird?

Das ist eine Tendenz, die es nicht nur auf Mallorca gibt. In Deutschland wird auch immer mehr Weißwein getrunken. Das liegt vielleicht auch daran, dass man ein Gläschen Weißwein leichter als Rotwein mal eben auf der Terrasse trinken kann. Er ist der unkompliziertere Wein. Insbesondere wenn es sehr warm ist, trinkt man natürlich gern einen gekühlten Wein. Das ist tendenziell eher ein Weißwein oder ein Rosé. Hinzu kommt, dass sich die Weißweinqualität auf der Insel, aber auch in ganz Spanien, in den vergangenen 20, 30 Jahren erheblich verbessert hat. Früher waren das häufig sehr einfache Weine mit hohem Alkoholgehalt und wenig Säure, die eher ermüdend waren. Das ist heute teilweise anders, es gibt ganz interessante Weißweine.

Halten Sie die Preisunterschiede zwischen Insel- und Festlandweinen für gerechtfertigt?

Das ist ein kompliziertes Thema. Die Winzer sagen alle: Es ist erheblich teurer, auf Mallorca Wein zu produzieren, weil man ja alles vom Festland herbringen muss – Fässer, Gläser, Korken. Zum Teil sind die Erträge auch niedriger als auf dem Festland. Das ist alles richtig. Aber den Verbraucher interessiert das natürlich nicht. Im Restaurant wird er sich im einen oder anderen Fall für den Festlandwein entscheiden, wenn er das Geld nicht ausgeben will. Andererseits gibt es auch genügend Leute, die einen Wein von Mallorca trinken möchten, weil er ein eigenes Geschmacksprofil hat, das man auf dem Festland gar nicht bekommt.

Was halten Sie von den Liebhaberprojekten deutscher Unternehmer, die sich auf Mallorca eigene Weingüter zulegen?

Da muss man unterscheiden. Es gibt sehr, sehr viele Investitionen von Ausländern im spanischen Weinbau. Ich hatte sie nicht unter diesem Gesichtspunkt ausgesucht, aber bei den Weingütern, die ich jetzt besucht habe, war das mehr als ein Drittel. Das sind aber dann Weingüter, die das wirklich selbst ausbauen, wo es einen Kellermeister gibt und so weiter. Das ist die eine Seite der ausländischen Investitionen. Die gibt es überall – auf Mallorca mehr als in anderen Gegenden, weil ja auch mehr Ausländer auf Mallorca leben.

Und die andere Seite?

Dann gibt es noch das Segment von Leuten, die sich eine Finca kaufen und dann einen Weinberg pflanzen. Davon gibt es sehr viele, und auch eine Firma, die das als Geschäftsmodell entwickelt hat und damit erfolgreich ist – WeinWert. Es ist ja eine schöne Geschichte, wenn man auf seiner Terrasse sitzt und zusieht, wie der Weinberg wächst. Ich weiß, dass die Winzer solche Projekte teils kritisch sehen. Aber so richtig erklären warum, konnte mir niemand. Ich sehe da nichts Schlechtes dabei. Und die Leute sind so stolz darauf! Ich habe mit mehreren von ihnen gesprochen, weil wir auch zu dem Thema ein kleines Kapitel im Buch haben werden. Das ist übrigens ein Geschäftsmodell, das für Mallorca einzigartig ist – sonst gibt es das nirgendwo auf der Welt.

Wie ist das Verhältnis zwischen Ausländern mit Weingütern und mallorquinischen Winzern? Entstehen da Parallelwelten?

Diese Kleinprojekte haben wenig Kontakt mit den anderen Winzern. Aber dort, wo es ein richtiges Weingut gibt, sind Önologen tätig, die mit ihren Kollegen einen normalen, professionellen Austausch haben. Ich glaube nicht, dass dabei interessiert, ob jemand Deutscher oder kein Deutscher ist. Aber wenn ein Familienbetrieb aus Binissalem in dritter oder vierter Generation zehn Hektar Weinberge hat, und dann kommt von außen jemand, stellt da eine Wahnsinns-Bodega hin und kauft sich gleich 30 Hektar Land – dann wird das schon kritisch gesehen. Und da ist vielleicht auch ein bisschen Neid dabei. Wichtig ist, dass es ordentlich gemacht wird. Leider hat es auch immer wieder Fälle gegeben, wo sich Leute gedacht haben: Ich kaufe mir jetzt mal ein Weingut, und das wird dann schon irgendwie laufen. So einfach ist es dann auch wieder nicht. Man muss schon auch in Vermarktung investieren, nicht nur in eine volle Kellerei.

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