Wir schreiben das Jahr 1983. Die Angst vor Aids wird in Deutschland immer größer, Nena bringt ihre 99 Luftballons raus und der HSV gewinnt den Europapokal der Landesmeister. Am 28. April öffnet auf Mallorca erstmals die spätere Kult-Disco Riu Palace. „Platzhirsch an der Playa de Palma war zu diesem Zeitpunkt das Karussell“, erinnert sich Radja Dalimonthée, der bis 2005 Direktor des Riu Palace war. „Wir entwarfen einen aggressiven Fünf-Jahres-Plan, um die Kunden von der Konkurrenz abzuwerben.“ Zentraler Baustein davon war der am Donnerstag (16.2.) im Alter von 85 Jahren verstorbene Schlagersänger Tony Marshall.

Herbert Anton Bloeth, wie der Baden-Badener mit bürgerlichem Namen hieß, war damals schon lange einer der großen Stars der deutschen Musiklandschaft. Besonders der Millionenhit „Die schöne Maid“ begeisterte die Massen. Dalimonthée verhandelte mit dem Manager des Sängers über einen Auftritt an der Playa de Palma. „Ich musste ziemlich lange betteln, dass er um Mitternacht auftritt. Für ihn war das zu spät, aber hier geht die Party dann erst richtig los.“

Tony Marshall wollte auf Mallorca in D-Mark bezahlt werden

Der Manager stellte schließlich eine Bedingung. Marshall sollte in D-Mark bezahlt werden. „Ich habe mich mit einem Koffer voller Peseten auf nach Deutschland gemacht und dort die Banken abgeklappert. Denn die wollten jeweils nur 100.000 Peseten umtauschen. Das entsprach 600 Mark“, erinnert sich Radja Dalimonthée.

Er war eine Garantie, dass der Laden voll war.

Es klappte, Marshall kam. „Er war eine Garantie, dass der Laden voll war. 4.000 Leute passten damals ins Riu Palace rein“, sagt Radja Dalimonthée. Der Schlagersänger präsentierte seine Hits und wollte gar nicht wieder aufhören. Geplant waren 45 Minuten, doch nach einer Stunde 15 Minuten stand er da immer noch. „Ich habe heute noch in den Ohren, wie er fragt: Wollt ihr noch einen Song?“, sagt Dalimonthée. Das Riu Palace gehörte dem heutigen Megapark-Besitzer Bartolomé Cursach. Und der Discokönig wurde knurrig. „Zieht ihm den Stecker raus“, befahl er. „Wenn ein Konzert zu lange dauert, hören die Leute auf, Getränke zu bestellen“, erklärt Dalimonthée. „Das sieht man daran, wenn die Kellner plötzlich nicht mehr flitzen.“

Radja Dalimonthée: "Einfach nur ein feiner Kerl"

Doch der Partykanone konnte man nicht böse sein. „Es war ein super Typ. Er hat gelacht ohne Ende und immer einen Spaß auf den Lippen gehabt. Einfach nur ein feiner Kerl“, sagt Dalimonthée. Tony Marshall wurde zum exklusiven Star des Riu Palace. Im Umkreis von 30 Kilometern durfte er in keinem anderen Laden auftreten. „Damals bin ich dort einmal in der Woche gewesen. Ich landete mit der Maschine um acht und musste dann bis drei Uhr nachts im Hotelzimmer warten. Der Auftritt dauerte nur eine halbe Stunde. Länger durfte man nicht. Morgens um sieben ging es dann wieder zurück. Das habe ich dann irgendwann gelassen“, erinnerte sich Tony Marshall 2009 in einem Interview mit der MZ.

Und dann verabschiedete sich Tony Marshall nach Bora Bora

Sechs Jahre hatte die Beziehung gehalten. Dann wurde die Playa de Palma wilder und immer mehr zum Ballermann, wie man ihn heute kennt. „Das Sex- und Sauf-Image passte seinem Manager nicht mehr“, erzählt Dalimonthée die Hintergründe. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sich Marshall in eine andere Insel verguckt hatte. Seine Hymne auf das Pazifikeiland Bora Bora war durchaus ernst gemeint. Der Sänger wurde gar zum Ehrenbürger ernannt. „Auf Bora Bora gibt es keinen Stress. Es ist die Vorstufe zum Paradies. Wenn ich ahne, dass das Ende kommt, fahre ich wieder dorthin. Denn von dort kann der Weg nicht mehr weit sein“, sagte er 2009.

So kam es aber nicht. Marshall war seit Jahren gesundheitlich angeschlagen und verstarb im Kreis seiner Familie in Baden-Baden. Er hinterlässt drei Kinder, Enkel und Urenkel.