71 Stufen. Den Ausblick über die Dächer von Palma müssen Besucher sich erst über eine enge Wendeltreppe erarbeiten. Wobei 71 Stufen dann gefühlt doch nicht so viel sind: Die gotische Kirche Santa Eulàlia wirkt beim Eintreten mit ihren Säulen und spitzen Fenstern viel höher, als sie ist.

Schon vor fünf Jahren eröffnete die Initiative Spiritual Mallorca die Dachterrasse der ältesten Kirche Palmas für Besucher. Dann kam die Pandemie, im vergangenen Sommer starteten die Besichtigungen für eine kurze Zeit wieder. Jetzt sind die Terrassen seit April wieder zugänglich. Fünf Euro kostet der Eintritt in die Kirche, für Residenten vier Euro. Wer beten will, kann das Gotteshaus kostenlos betreten. Allerdings ist der Besuch der Dachterrasse dann nicht erlaubt.

Und der ist auf jeden Fall den Weg über die vielen Treppenstufen wert. Das scheinbare Chaos der kleinen verzweigten Gassen und der unterschiedlich hohen Gebäude in der Altstadt wirkt von hier aus viel übersichtlicher. Palma, das ist eine Stadt, die über die Jahrhunderte gewachsen ist, manchmal auch krumm und schief, immer aber lebendig und bunt. Bis heute: Gegenüber von Santa Eulàlia sind an den Balkonen eine Regenbogenflagge sowie die Fahnen Argentiniens und der Balearen zu sehen, unten auf dem Kirchenvorplatz herrscht ein einziges Gewusel.

Eine der wichtigsten Glaubensstätten von Palma de Mallorca

Gedämpft dringen Gelächter und Unterhaltungen bis nach oben. In dem nahen Hafen erklingt eine Schiffshupe. Rund um die Kirche haben manche der Häuser kleine Türme, von denen aus die Händler früher Ausschau halten konnten, ob ihre Schiffe in den Hafen einliefen. Im Hintergrund als schmaler Streifen ist das Meer zu sehen und je nach Wetterlage gegenüber auch die Gipfel der Serra der Tramuntana. Der Ausblick verschafft zudem neue Blickwinkel auf bekannte Wahrzeichen wie die Kathedrale oder die Basilica Sant Francesc.

Passend zur unstrukturierten Stadt ist es auch auf der Dachterrasse selbst nicht unbedingt ordentlich. Es gibt hier Kabel und Flutscheinwerfer, an manchen Ecken sieht es aus wie eine Baustelle. Die sollte aber nicht von den majestätischen Kirchenfenstern ablenken, die man hier aus der Nähe sehen kann. Oder von den Wasserspeiern mit ihren dämonischen Fratzen, die Santa Eulàlia schmücken.

Santa Eulàlia ist historisch eine der wichtigsten Glaubensstätten Palmas. Laut Spiritual Mallorca ist sie bereits 1230 schriftlich nachgewiesen, nur ein Jahr nachdem der Katalane Jaume I. die Insel von den Mauren erobert hatte. Damit gilt Santa Eulàlia als älteste Kirche der Stadt. Hier ist auch das Kruzifix „Crucifijo de la Conquista“ aufbewahrt, das Jaume I. der Legende nach bei der Rückeroberung in seinem Schiff mitbrachte. 1276 wurde dessen Sohn Jaume II. in Santa Eulàlia zum rei de Mallorca gekrönt.