Etwa sechzig Filmbegeisterte versammeln sich auf Plastikstühlen vor einer Leinwand. Sie lauschen gebannt den englischen Dialogen von „A Last Night in Soho“, einem Film von Edgar Wright, der an diesem Dienstag (8.8.) im Rahmen des Open-Air-Kinos gezeigt wird. Einige wenige Parkbesucher sitzen auf dem frisch gemähten Rasen rund um einen betonierten Platz. Davor flitzen Kinder auf Rollern und Skateboards vorbei, ganz in der Nähe tanzt eine Gruppe Mädchen unter einem Baum zu lateinamerikanischer Musik. Der Park ist erfüllt von Leben. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, gefangen zu sein in dieser Szene, in der Stimmen aus dem Film und ferne Geräusche aus der Stadt zu hören sind.

Die Jugendlichen treffen sich auf der Wiese

340 Tage an der grünen Lunge

Seit genau 340 Tagen habe ich das Privileg, rund um den „Parc de ses Estacions“ zu leben, in verschiedenen Wohnungen. Als ich an meinem ersten Tag auf der Insel aus dem Flughafenbus der Linie A1 stieg, betrat ich die Grünanlage durch die Tore – und von jedem meiner bisherigen Wohnorte in Palma konnte ich den Park in nur einer Minute zu Fuß erreichen. Im Laufe der Zeit wurde er zu einem zentralen Punkt meines Lebens.

Erschaffen im Jahr 1999 breitet sich der Park wie eine große grüne Decke über einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Mallorcas aus. Unter der Erde drängen sich dort die Menschen in den stickigen Räumen des Bahnhofs, der Estació Intermodal, während sie oberirdisch im Park flanieren.

Mit dem Kaninchen an der Leine

Nachmittags kommen Jugendliche dazu, sie stellen ihre Rucksäcke oder Fahrräder ab, hören laut Musik oder spielen Fußball. Kleinkinder erfrischen sich in der Mittagshitze in den Springbrunnen – und am Rande des Parks spielen Menschen bis spät in die Nacht Schach oder üben Tai-Chi. Im Oktober, wenn der Sommer geht und der Herbst kommt, treffen sich hier Hundeliebhaber an mehreren Abenden in der Woche. Wer keinen Hund hat, kann ein anderes Haustier mitbringen. So scheint es gar nicht außergewöhnlich zu sein, dass ein Mädchen an einem Freitagnachmittag ein Kaninchen an einer Leine durch den Park führt.

Im Sommer besonders beliebt: Die Springbrunnen sorgen für angenehme Abkühlung an besonders heißen Tagen. | FOTO: GUILLEM BOSCH

Erst spät im Jahr kehrt Ruhe ein, wenn der Winterregen die Steinplatten rutschig werden lässt. Die Wege, ein Spiegelbild der Straßen Palmas, sind dann tagsüber zwar fast menschenleer, doch der Weihnachtsbaum lockt die Besucher in der Dunkelheit an. Auch bei schlechtem Wetter sorgen seine Lichter für eine gemütliche Stimmung. Eng stehen die Leute zusammen, in dicke Jacken gehüllt, im Lichtschein des Baums.

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Der Weihnachtsbaum leuchtet im Parc de les estacions Laura Heeb

Der Park hat auch seine dunklen Seiten – und das nicht nur im Winter. Einer seiner Wege ist als Drogenumschlagplatz bekannt – und vor seinen Toren liegt so mancher Obdachlose nicht so entspannt wie andere Besucher im Gras, sondern auf einer schmutzigen Matratze, in einem Schlafsack. Der Park erzählt auch ihre Geschichte. Er wird Zeuge von fröhlichen und traurigen Schicksalen. Und so, wie ich mein Leben hier in Palma durch seinen Eingang begonnen habe, so werde ich die Stadt auch bald durch seine Tore verlassen, wenn ich im September mit dem Bus zum Flughafen fahre und mich von Mallorca verabschiede.