Dorothee Röhrig schrieb auf Mallorca einen Spiegel-Bestseller - über ihre eigene Familie

Die Journalistin fand auf Mallorca die Ruhe für ein Buch über ihre Mutter und Großmutter - und wie sie der Widerstand gegen die Nazis gezeichnet hat

Dorothee Röhrig ist Enkelin von Hans von Dohnanyi und Großnichte von Dietrich Bonhoeffer.

Dorothee Röhrig ist Enkelin von Hans von Dohnanyi und Großnichte von Dietrich Bonhoeffer. / Sebastian Fuchs

Marlene Weyerer

Marlene Weyerer

Dorothee Röhrigs Mutter war nur 16 Jahre alt, als ihr Vater und somit Röhrigs Großvater Hans von Dohnanyi vom Nazi-Regime ermordet wurde. Auch ihre Onkel Klaus und Dietrich Bonhoeffer überlebten den Einsatz im Widerstand gegen Hitler nicht. Röhrig fand ihre Mutter oft unnahbar. Nach ihrem Tod begann sie, nach den Gründen dafür zu suchen.

Herausgekommen ist eine „Liebeserklärung an eine schwierige Mutter“, wie der Untertitel verrät. Es ist das dritte Buch der 71-jährigen Journalistin. Und mit Abstand das erfolgreichste. „Du wirst noch an mich denken“ war mehrere Wochen auf der „Spiegel“-Bestsellerliste. In der kommenden Woche hält Röhrig Lesungen in der Literaturbodega Can Gats (siehe Kasten).

Sie haben einen Teil des Buchs auf Mallorca geschrieben. Wie kam es dazu?

Wo genau möchte ich nicht verraten, das ist mir zu privat. Aber ich bin immer im Nordosten, in der Tramuntana. Dort genieße ich die Stille und komme auch zum Schreiben. Die Wanderwege in der Gegend sind meine seelische Tankstelle. Die Düfte, die Vogelstimmen, der Gebirgsbach – das alles macht mich sehr glücklich. Ich habe eine ganze Zeit lang geschrieben. Schließlich ist es nicht irgendeine Geschichte, sondern eine sehr emotionale. Die Insel hat mir die Ruhe dazu gebracht.

Interessant, dass Sie sagen, Ihnen sei etwas zu privat. Das Buch ist geradezu intim. Wie war das für Sie, das Leben Ihrer Mutter und Ihr Verhältnis untereinander mit der Welt zu teilen?

Darüber habe ich gar nicht nachgedacht, es hat sich so ergeben. Während der Corona-Zeit habe ich beim Aufräuen ein Foto von meiner Mutter und mir gefunden, das ich nicht kannte. Dieses Bild hat etwas in mir ausgelöst, und ich begann, das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter zu hinterfragen. Zum ersten Mal dachte ich richtig darüber nach, wer meine Mutter eigentlich war. Welche Erfahrungen, welche Schrecken sie geprägt hatten und was sie davon an mich weitergab. Ich hatte das Bedürfnis, diese Gedanken niederzuschreiben. Sie mussten einfach aus mir heraus.

Statt um Ihren berühmten Großvater und Ihren berühmten Großonkel geht es in dem Buch um die Frauen. Neben Ihrer Mutter ist von Ihrer Großmutter die Rede.

Bisher lag die historische Deutungshoheit der Familien Dohnanyi und Bonhoeffer vorwiegend bei den Männern. Mein Buch ist der erste weibliche, emotionale Blick auf die Familie. Und gerade bei meiner Großmutter ist wichtig zu betonen: Sie war eine unglaublich starke Frau, die maßgeblich am Widerstand gegen Hitler beteiligt war. Und auch meine Mutter war eine starke Frau. Ich wollte ihr posthum Raum geben inmitten dieser bekannten Männer.

Wie war es für Sie selbst, in dieser berühmten Familie aufzuwachsen?

Die Messlatte war hoch, extrem hoch. Dietrich Bonhoeffer ist an der Westminster Abbey in London als Statue direkt neben Martin Luther King zu besichtigen. Und wir als Familie stehen vor diesen Statuen und schauen nach oben. Wie will man da als junger Mensch etwas Eigenes schaffen? Es ist toll, so eine Familie zu haben, aber es ist auch eine Bürde.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie sich Ihrer Mutter nach deren Tod näher fühlen als davor. Was meinen Sie damit?

Ich bin nach diesem Buch mit meiner Mutter versöhnt. Einfach weil ich sie jetzt im Kontext ihrer Geschichte begreife. Ich kann jetzt besser verstehen, dass sie ihre Gefühle wegsperren musste, um zu überleben. Auch wenn ich als Kind unter ihrer Unnahbarkeit gelitten habe, ich habe nicht mehr die Augen eines verletzten Kindes. Sondern die einer erwachsenen Frau. Ich sehe die Nöte und Schwierigkeiten meiner Mutter und verurteile sie nicht mehr.

Dorothee Röhrigs Buch "Du wirst noch an mich denken" war mehrere Wochen auf der "Spiegel"-Bestsellerliste

Dorothee Röhrigs Buch "Du wirst noch an mich denken" war mehrere Wochen auf der "Spiegel"-Bestsellerliste / dtv

Lesungen Can Gats

23. Juni, 17.30 Uhr, und 25. Juni, 12 Uhr,

Carrer de Sant Pere, 4, Llucmajor

Eintritt: 40 Euro (inklusive Getränk und Imbiss)

Reservierung unter E-Mail: iflohr.santanyi@gmail.com

Buch: dtv Verlag, 256 Seiten, 24 Euro

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