Spaniens erste Filmemacherin? Das Mysterium um die von Mallorca stammende Maria Forteza

Die Mallorquinerin war in den 30er-Jahren mit die erste Regisseurin Spaniens. Der Film "Maria y la película olvidada" (Maria und der vergessene Film) würdigt diese außergewöhnliche Frau und ihr Werk

Modern, mutig und außerordentlich kreativ: die Filmemacherin, Couplet-Sängerin und Varieté-Künstlerin Maria Forteza.  | FOTO: MOM

Modern, mutig und außerordentlich kreativ: die Filmemacherin, Couplet-Sängerin und Varieté-Künstlerin Maria Forteza. | FOTO: MOM / Brigitte rohm

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Es war im Frühjahr 2020, mitten im Lockdown, als ein Fund im Archiv der Filmoteca Española die Geschichte des spanischen Films verändern sollte: Der auf Anfang der 1930er-Jahre datierte, 7 Minuten und 40 Sekunden lange dokumentarische Kurzfilm „Mallorca“. Wie dem Abspann zu entnehmen war, hatte nicht ein Mann Regie geführt, sondern eine Frau, über die zunächst ebenso wenig bekannt war wie über ihren Film: Maria Mercè Forteza (Mallorca, 1913–1961).

Wie sich herausstellen sollte, war sie nicht nur Filmemacherin, sondern auch Varieté-Künstlerin und renommierte Couplet-Sängerin. Mit ihrem Mann und beruflichen Partner Ramón Úbada emigrierte sie im Zuge des Spanischen Bürgerkriegs nach Lissabon. Das Paar trennte sich schließlich, Forteza kehrte 1951 mit ihrer gemeinsamen Tochter nach Mallorca zurück.

Maria Forteza führte Regie beim Kurzfilm "Mallorca".

Maria Forteza führte Regie beim Kurzfilm "Mallorca". / MOM

Elektrisiert von der filmreifen Geschichte

Zwei, die heute in puncto Regie in ihre Fußstapfen treten, waren von Maria Fortezas „filmreifer“ Geschichte sofort elektrisiert: Die mallorquinischen Filmemacherinnen Núria Abad und Marta Hierro verfolgten die Recherche, die auf die Wiederentdeckung des Films folgte und beschlossen daraufhin, selbst eine Dokumentarfilm über die Pionierin des spanischen Tonfilms zu drehen: „Maria y la película olvidada“ (Maria und der vergessene Film).

„Als wir durch die Medien erfuhren, dass Maria Fortezas Enkel Miguel Ángel Lozano ausfindig gemacht worden war, haben wir ihn sofort kontaktiert“, erzählt Núria Abad im Gespräch mit der MZ. Das Publikum wohnt in der Doku der Detektivarbeit der Filmemacherinnen bei. „Es gibt Hinweise und Spuren, der Zuschauer stellt Hypothesen auf und verwirft sie wieder. Es ist wie ein Spiel“, sagt Abad. Man fiebert mit, taucht tief in die Recherche ein.

War Maria Forteza wirklich die erste Regisseurin?

Der Enkel, ein Pianist, der am Konservatorium in Palma unterrichtet, beteiligte sich mit Feuereifer am Projekt über seine Großmutter. „Miguel Ángel Lozano ist wie ein Eckpfeiler, durch den wir Maria Forteza kennenlernen“, so die Regisseurin. Zwar war sie bereits vor der Geburt ihres Enkels gestorben, doch Lozano weiß einiges aus Erzählungen seiner Mutter und verfügt über reichlich Hintergrundmaterial wie etwa Familien-Fotoalben. Der Pianist sollte schließlich auch den Soundtrack zum Film komponieren – ein Kreativprozess, der ebenfalls im Film thematisiert wird.

Eine Leitfrage ist zudem, ob Maria Forteza tatsächlich die erste Spanierin war, die Regie bei einem Tonfilm führte. Vor dem Archivfund von „Mallorca“ galt Rosario Pi mit „El gato montés“ von 1935 als erste Frau, der dieses Kunststück gelang. Da der Kurzfilm von Forteza nicht exakt datiert werden konnte, wird sich darauf keine eindeutige Antwort finden lassen. Aber am Ende sei das auch unwichtig, sagt Abad. Wichtig sei, bekannt zu machen, dass es in den 30er-Jahren bereits Frauen gab, die Filme drehten – und dass ihre Filme wahre Schätze sind, zumal 80 Prozent des Materials aus dieser Zeit verloren gingen.

Avantgardistisch und modern

„Wir wissen, dass Fortezas Film gesehen wurde und dass er nicht in einer Schublade verstaubte“, sagt Abad. „Sie war eine außergewöhnliche Frau, avantgardistisch und sehr modern für ihre Zeit. Die mallorquinische Gesellschaft kannte sie. Aber nach ihrem Tod geriet sie in Vergessenheit.“ Zusammen mit Marta Hierro habe sie schon einige Filme über Frauen gedreht, denen es ähnlich erging. Und doch sei die Tatsache, dass Frauen derart von der Geschichtsschreibung unsichtbar gemacht wurden, immer wieder aufs Neue frappierend.

Der Film der Mallorquinerinnen holt sowohl Maria Forteza selbst als auch ihren Film zurück ins Bewusstsein und auf die Leinwand. Premiere feiert die Doku im Rahmen des Atlàntida Film Fest am Freitag (28.7.) um 22 Uhr in der Sala Rívoli in Palma. Tags darauf läuft sie um 21.40 Uhr bei IB3. Beim Filmfestival wird zuvor noch Fortezas Film „Mallorca“ gezeigt.

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