Entrevista |

Wie Deutschland die neue Leiterin des Universitätschors von Mallorca geprägt hat

Nach mehr als 20 Jahren in Deutschland kehrt die Katalanin Núria Cunillera Salas nach Spanien zurück und ist nun Leiterin des Universitätschors. Die MZ hat sie zum Interview getroffen

Núria Cunillera Salas ist die neue Uni-Chorleiterin der UIB auf Mallorca.

Núria Cunillera Salas ist die neue Uni-Chorleiterin der UIB auf Mallorca. / Nele Bendgens

Diana Serbe

Diana Serbe

Núria Cunillera Salas ist seit einigen Wochen die neue Leiterin des Universitätschors der Balearen-Universität (UIB) mit Sitz in Palma. Die 48-jährige Katalanin aus Reus hat fast die Hälfte ihres Lebens in Deutschland verbracht, studierte unter anderem an der Hochschule Karlsruhe und arbeitete als Dozentin an der Landesakademie im baden-württembergischen Ochsenhausen. Mit ihrem Amtsantritt übernimmt die Sopranistin das Werk ihres Vorgängers Joan Company, der sich nach 46 Jahren als Leiter zur Ruhe gesetzt hat. Das Repertoire reicht von Bach, Haydn und Vivaldi bis Debussy und Prokofjew. Am 16. Dezember ist der Chor unter neuer Leitung erstmals beim Weihnachtskonzert in Palmas Basilica Sant Francesc zu hören. Die MZ hat sie zum Interview getroffen.

Herzlichen Glückwunsch zur neuen Position als Leiterin eines so angesehenen Chores. Wie kam es dazu?

Danke schön. Ich war gerade in Istanbul beim Weltsymposium für Chormusik, als mir die Chorleiterin des Universitätschors von Tarragona, in dem ich einst gesungen habe, beim Abendessen erzählte, die Stelle von Joan Company als Chorleiter der UIB auf Mallorca sei frei geworden. Wir hatten zuvor darüber gesprochen, dass ich gerne wieder nach Spanien ziehen würde, das war also perfekt. Wir haben Infos ausgetauscht, ich habe mich beworben und alles nahm seinen Lauf, schneller als ich das alles erwartet hätte.

Was muss man für so eine Stelle eigentlich mitbringen?

Ich habe Dirigieren mit Schwerpunkt Chorleitung an der Hochschule für Musik in Karlsruhe studiert. Auch in Spanien ist das an verschiedenen Konservatorien möglich. Zuvor studierte ich in Katalonien Klavier, Musiktheorie und Gesang. Bevor ich zur Dirigentin, Gesangslehrerin und Stimmbildnerin wurde, habe ich Meisterkurse unter anderem bei Frieder Bernius, Simon Halsey und Sylvain Cambreling belegt.

Warum hat Sie die Möglichkeit, nach Mallorca zu ziehen, so angesprochen?

Meine Großeltern haben sich nach dem Krieg auf Mallorca niedergelassen, und auch heute lebt ein Teil meiner Familie hier. Es war nicht geplant, aber es ist ein glücklicher Zufall, dass ich wieder hier gelandet bin.

Haben Sie sich schon eingelebt?

Das Leben in Spanien findet mehr draußen statt. Das prägt auch den Charakter, das merke ich. Und auch ich habe mich verändert. In Deutschland habe ich gerne gebacken und gebastelt. Wenn ich hier Freizeit habe, fallen mir andere Sachen ein, die man draußen machen kann. Aber ich hatte bisher sehr viel zu tun, und lerne erst jetzt alles wieder neu kennen.

Worauf blicken Sie nach mehr als 20 Jahren Tätigkeit in Deutschland zurück?

Es war für mich eine spannende Zeit. Mein Umfeld hatte mich dazu inspiriert, denn meine spanische Gesangslehrerin Enriqueta Tarrés begann ihre Karriere als Opernsängerin an der Oper Köln. Ich hatte einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik in Karlsruhe und habe mich zunächst der Vokalmusik nach 1945 gewidmet. Besonders stolz bin ich auch auf den Frauenchor Vox Pulchra, den ich 2007 gegründet habe und der bis 2015 bestand und mehrere Wettbewerbe gewann. Am Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe habe ich mich mit neuerer Musik beschäftigt. Dort habe ich auch meinen deutschen Ehemann Sebastian kennengelernt, er war Tonmeister und ist Spezialist für elektroakustische Musik.

Die sympathische Katalanin Núria Cunillera Salas hat mehr als 20 Jahre in Deutschland gelebt.

Die sympathische Katalanin Núria Cunillera Salas hat mehr als 20 Jahre in Deutschland gelebt. / Nele Bendgens

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Er ist also auch bereitwillig nach Mallorca mitgezogen?

Für seine Projekte pendelt er gerade noch, aber wenn eine Insel gut mit Deutschland verbunden ist, dann ist es Mallorca. Wir sind beide Künstler und haben gegenseitiges Verständnis für berufliche Entscheidungen.

Wie empfanden Sie die Chor-Landschaft in Deutschland?

Sehr lebendig. Auf einem sehr hohen Niveau, mit einem breiten Angebot und zahlreichen Stilrichtungen, die Knabenchöre, die Mädchenchöre ... Leider sterben die kleinen Vereine mit ihren Chören immer mehr aus. Das ist schade, denn die Vereinskultur in Deutschland ist besonders und funktioniert gut. Ich habe gelesen, dass die Zahl der Chorsänger stark abgenommen hat und es eine Tradition wie Männerchöre immer seltener gibt. Leider hat die Pandemie dabei eine entscheidende Rolle gespielt, hoffentlich wird sich das wieder normalisieren.

Was haben Sie sich für den Universitätschor vorgenommen?

Ich habe schon viele Pläne, dabei bin gerade mal zwei Monate hier und denke zum Beispiel schon über Festivals und Chor-Austausche nach. Ich habe auch wegen meiner Arbeit in Deutschland viele internationale Kontakte, nach Taiwan, Italien, Polen – da kann ich mir einen Austausch sehr gut vorstellen. Am Ende ist es eine Frage der Finanzierung. Ich möchte die Bekanntheit des Universitätschors und die Unterstützung durch Sponsoren fördern. Mal sehen, ob alles so schnell klappt, wie ich das möchte.

Was sind die Voraussetzungen, um im Chor der UIB mitzusingen?

Wer Mitglied werden möchte, kann gerne vorbeikommen. Ich möchte, dass sich die Leute eingeladen fühlen. Man kann erst zu einer oder zwei Proben kommen und muss nicht direkt vorsingen. Momentan sind wir im reinen Unichor etwa 40 Mitglieder, die Mitgliedschaft ist noch kostenlos. Es gibt aber auch Auftritte mit Filialchören. Eine ausgebildete Stimme ist Voraussetzung, aber es muss kein Gesangsstudium sein. Und man sollte Noten lesen können, wir machen schon ein anspruchsvolles Programm.

Kann man auch ohne Katalanisch-Kenntnisse mitsingen?

Na klar. Unser Repertoire ist gemischt: Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch. Beim anstehenden Weihnachtsprogramm sind vielleicht zwei Lieder auf Katalanisch. Und es wird ein äthiopisches Weihnachtslied geben. Ende Februar singen wir zum Beispiel die neunte Sinfonie von Beethoven mit dem Stadtchor von Ibiza.

Was braucht ein guter Chor?

Natürlich gute Stimmen. Und Mitglieder, die zuverlässig sind. Manchmal ist Engagement fast noch wichtiger.

Das heißt?

Wir hätten gerne Leute, die sich etwas länger auf der Insel aufhalten und auch regelmäßig zu den Proben erscheinen. Dazu gehört auch, sich vorzubereiten und an sich zu arbeiten.

Ein Profi-Tipp für jemanden, der selbst gerne singt: Wie schonen Sie Ihre Stimme?

Ich versuche, gut zu essen und zu schlafen. Es kommt darauf an, wo die Stimme sitzt und wie man sie benutzt. Aus dem Hals sprechen macht zum Beispiel schnell heiser. Anderenfalls kann man trainieren, die Stimme zu stützen, das funktioniert mit der Bauchmuskulatur. Mit meinen Sängerinnen und Sängern mache ich zu Beginn jeder Probe Lockerungs- und Achtsamkeitsübungen. Wenn man aus dem Alltag kommt, ist man manchmal sehr weit weg von seinem Körper.

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