Ist das Kunst oder kann das weg? Wie die Galeria HMH auf Mallorca ihr Konzept umgekrempelt hat

Ordnung ist das halbe Leben: Seit Andreas Streicher 2020 die Leitung der Galeria HMH in Port d’Andratx übernommen hat, betreibt der Österreicher eine rigorose Qualitätsoffensive. Ein Besuch in den Räumen, die immer mehr zu bieten haben

Andreas Streicher und Judith Sturm kümmern sich nicht nur professionell um die Galerie: Beide sind auch selbst Künstler.

Andreas Streicher und Judith Sturm kümmern sich nicht nur professionell um die Galerie: Beide sind auch selbst Künstler. / Nele Bendgens

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Ein mächtiger Beschützer wacht über die Galeria HMH in Port d’Andratx: Wer derzeit den Hauptsitz im Carrer de Sa Fabrica besuchen möchte, wird von einer Drachen-Bronzeskulptur des mallorquinischen Künstlers Jaume Espases begrüßt. Schreitet man dann über den roten Teppich, betritt man weitläufige Räume mit 700 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Erschlagen von der Fülle wird man dennoch nicht: Stimmige Übergänge zwischen den Kunstwerken, die hier in permanentem Fluss sind und immer wieder durchgewechselt werden, sorgen für eine gewisse Harmonie – und machen Lust, auf Entdeckungstour zu gehen.

Gegründet wurde HMH 1998 von der inzwischen verstorbenen Hella Maria Höfer. Als Dirk Kunigk die Galerie 2020 übernahm, holte er Andreas Streicher mit an Bord: Der emsige, charmant-joviale Österreicher bekam als Galerieleiter freie Hand für einen Kurswechsel. Sein Anspruch ist ein ganz anderer als zu den Anfangszeiten: „Wir haben alles ausradiert, was Dekoration ist“, sagt Streicher beim Besuch der MZ.

Heute vertritt die Galerie 73 Künstler

Durch die neue Orientierung habe das Haus viele gute Namen hinzugewonnen: „Damals haben wir 47 Künstler vertreten, heute sind es 73“, so der Galerist. Die Tatsache, dass er auch selbst seit Langem als Künstler aktiv ist, sei für seine jetzige Arbeit sehr wertvoll: „Man geht dadurch den Galeriebetrieb nicht ausschließlich als Kaufmann an und bringt eine andere Ideologie ein, weil man die Kollegen versteht“, erklärt der Österreicher.

Harmonische Ordnung: Der Eingangsbereich von HMH (links: Werke von Yuko).

Harmonische Ordnung: Der Eingangsbereich von HMH (links: Werke von Yuko). / Nele Bendgens

Das Angebot von HMH umfasst zeitgenössische Werke von gediegen bis schrill und von lokalen bis hin zu internationalen Künstlern. Die Preisspanne reicht etwa von 1.500 bis 100.000 Euro, mit Ausnahmen in höheren Kategorien. Sowohl bei den Preisen als auch bei den Namen hat der Galerieleiter vollen Durchblick: Streicher führt im Schnelldurchlauf vorbei an Werken von Carsten Westphal, Gerd Kanz, Yuko, Igor Morski, Icon Zar, Markus Tollmann, Lilli Hill, „Alien“-Erfinder H.R. Giger oder Enrique Fuentes, dem HMH nun zu Ostern eine Einzelausstellung widmet.

"Mittlerweile traue ich mich, ‚Galerie‘ draufzuschreiben"

Seine Qualitätsoffensive sei notwendig gewesen, sagt Streicher. „Vorher war es ein Bilderladen. Mittlerweile traue ich mich, ‚Galerie‘ draufzuschreiben“, scherzt der Österreicher. Die Stammkunden – hauptsächlich Deutsche – habe die Veränderung keineswegs vor den Kopf gestoßen, sagt er. Zumal sie Schritt für Schritt geschieht. Jedes Werk, das die Galerie verlässt, werde durch ein qualitativ Höherwertiges ersetzt, erklärt Streicher. Er sei nun auf halbem Weg, die Reise gehe noch weiter. In Zukunft will er auch verstärkt auf Kooperationen mit anderen Galerien in Europa setzen.

Bilder von Enrique Fuentes, der zu Ostern eine Einzelausstellung bekommt.

Bilder von Enrique Fuentes, der zu Ostern eine Einzelausstellung bekommt. / Nele Bendgens

Neben der Hauptgalerie, die auch über ein gut sortiertes Hängelager mit Werkstatt verfügt, gibt es, nur einen Katzensprung entfernt, noch einen zweiten Raum im Carrer Isaac Peral. Er soll in Zukunft hauptsächlich für Gruppenausstellungen genutzt werden. Gerade hat dort die Kollektivschau „Between the lines“ eröffnet, die bis zum 27. Februar besucht werden kann. „Wir haben sehr verschiedene und konträre Kunstpositionen. Das macht es schwierig, eine Gruppenausstellung stimmig zu gestalten“, sagt die Galerieassistentin, Kuratorin und Künstlerin Judith Sturm.

Hier ist es auf alle Fälle geglückt: Bei den ausgewählten Werken lohnt es sich besonders, „zwischen den Zeilen zu lesen“, um einen tieferen Sinn zu ergründen. Zu den „Schmankerln“ der Schau zählen etwa Arbeiten von Firouz Farman Farmaian, Willi Siber und dem Künstlerpaar Römer + Römer. Auch ein Miró ist mit dabei – und ein Stück Stoff von Christos und Jeanne-Claudes verhülltem Reichstag, quasi eine Reliquie des weltberühmten Kunstprojekts. Das sieht man auch nicht alle Tage.

Galeria HMH – Gallery I

Kollektivausstellung 73 ausgewählter Künstler aus aller Welt mit ca. 250 ausgestellten Werken auf ca. 700 m² Ausstellungsfläche, Mo. 12–18 Uhr, Di.–Sa. 9–18 Uhr, ganzjährig geöffnet, Carrer de Sa Fabrica, 11, Port d’Andratx.

Galeria HMH – Gallery II

Gruppenausstellung „Between the lines“, bis 27. Februar, Besichtigungstermine außerhalb der Öffnungszeiten unter Tel.: 610-15 95 43, Carrer de Isaac Peral, 51 Port d’Andratx. Mehr Infos: art-gallery-mallorca.com.

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