Hier gibt es auf Mallorca künstlerische Vielfalt zu sehen – bevor es hinab in den alten Wasserspeicher geht

Neben der Ausstellung mit Werken der Finalisten des Kunstpreises von Palma stimmt im Casal Solleric aktuell eine Installation von Marcelo Viquez nachdenklich

Wie Alice im Wunderland für Erwachsene: Die Videoinstallation von Blanca Gracia.

Wie Alice im Wunderland für Erwachsene: Die Videoinstallation von Blanca Gracia. / B. Rohm

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Alle Jahre wieder kann man im Casal Solleric begutachten, welche Arbeiten es in die Top Ten im Rennen um den mit 12.000 Euro dotierten Preis „Premi Ciutat de Palma“ bei der Kategorie bildende Kunst geschafft haben. Diesmal hat die stets sehenswerte Gruppenausstellung mehr Platz zur Verfügung als in den Vorjahren – den Raum im Erdgeschoss sowie das gesamte Zwischengeschoss. Und am Ende des Parcours wartet mit einer partizipativen Installation von Marcelo Viquez ein Highlight, das nicht zur Schau gehört, aber beim Rundgang mitgenommen werden sollte.

Saubere Sache im Erdgeschoss

Im ersten Raum erwartet die Besucher eine fein säuberlich und schnurgerade aufgereihte, 2013 begonnene Sammlung abgenutzter Seifen. Sie stehen kurz vor dem Punkt, an dem man sich entschließen würde, die Stücke wegzuwerfen und zu ersetzen. Der Künstler Fermín Jiménez Landa (Pamplona, 1979) lässt sich dieses Material für sein Werk „Quiromántico“ schenken: Objekte ohne Wert, aber aufgeladen mit Intimität. Sie erzählen von der alltäglichen und repetitiven Geste des Händewaschens, aber auch vom Verstreichen der Zeit und dem Verschleiß von Gegenständen.

Seifenreste bilden die intime Basis für die Arbeit von Fermín Jiménez Landa.

Seifenreste bilden die intime Basis für die Arbeit von Fermín Jiménez Landa. / B.RAMON

So ordentlich und aufgeräumt die erste, so überbordend ist die zweite Arbeit, die eine ganze Wand dominiert: Das Projekt „Lo invisible“ von Rosell Meseguer (Orihuela, Alicante, 1976) wurde von einer wissenschaftlichen Entdeckung im Jahr 2010 angestoßen. Es zeigt ein großes Archiv aus Dokumenten, Fotografien, Zeichnungen und Objekten rund um das Konzept der Unsichtbarkeit. Minimalistisch präsentiert sich das benachbarte Werk „La traza de, el vínculo a (VI)“: Das Künstler-Duo Fuentesal Arenillas (Huelva, 1986/Cádiz, 1989) untersucht hier die Beziehung zwischen Bewegungen und dem Entstehen von Formen.

(Alb-)Traumwelten und Objekte

Auf der Treppe nach oben kommt ein Warnhinweis, einige Szenen seien nicht für Kinder geeignet. Schnell wird klar, weshalb: Die rund achtminüte Videoinstallation „Antidolum Tarantulae“ von Blanca Gracia (Madrid, 1989) zieht uns in eine traumhaft-surreale Wasserfarben-Welt mit Musik und Wiesenklängen hinein, in der ein Reigen von Figuren auftritt. Das Szenario betört, aber verstört womöglich manch zarte Seele, wenn etwa ein kopulierendes Paar mit Maske oder von Pfeilen durchbohrte Soldaten auf die Bildfläche treten.

Noch weitaus weniger lieblich zeigt sich die Gewinnerarbeit „ARVA“ von Lara Fluxà (Palma, 1985): Sie besteht aus Glas, Wasser und Latex und bildet auf dem Boden ein fremdartiges Organ, wie eine Kreuzung aus Herz, Lunge und Kreislaufsystem. Einen ganzen Körper mit mehreren vergleichbaren Arbeiten präsentierte die Künstlerin bei der Installation „Llim“ für die 59. Biennale di Venezia 2022.

Das preisgekrönte Werk "ARVA" der mallorquinischen Künstlerin Lara Fluxà.

Das preisgekrönte Werk "ARVA" der mallorquinischen Künstlerin Lara Fluxà. / B. Rohm

Salzstein und eine Prise Humor

Ein ganz eigenes Universum kreiert auch Mar Guerrero (Palma, 1991). Ihr Werk „Aguas Cósmicas“, das 2023 schon bei der Gruppenschau „Ones-Olas-Waves“ zu sehen war, hat Bezüge zu Astronomie und zum Ökosystem des Meeres. Ihre Objekte könnten ebenso Teil des Meeresbodens wie einer Mondlandschaft sein. Joana Cera (Barcelona, 1965) interessiert sich indes für die stummen Dialoge und die „stillen Tänze“, die zwischen ihren drei ausgewählten Skulpturen entstehen. Daneben thront bei „Fui piedra“ ein mächtiger Salzstein auf einem StuhlChristian Lagata (Jerez de la Frontera, 1986) untersucht hier unter anderem das plastische Potenzial dieses alltäglichen Minerals.

Bevor die Schau mit Skulpturen aus Kreide, Ton und Sand („Cuenco cuenca“) von Marc Larré (Barcelona, 1978) endet, der die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt thematisiert, setzt Misha Bies Golas (Lalín, 1977) humorvolle Akzente: Es geht darum, warum und worauf wir malen. Auf verschiedenen Bildträgern sind teils ironische Aphorismen über die Kunst und das Leben zu lesen: „Malerei ist ein bisschen mehr als Farbe“ oder „Das Profil beweist, dass der Mensch nur ein Auge hat“.

Misha Bies Golas bringt mit seiner Arbeit etwas Humor in die Ausstellung.

Misha Bies Golas bringt mit seiner Arbeit etwas Humor in die Ausstellung. / B. Rohm

Symbolik im Wasserspeicher

Zum Schluss erwartet uns buchstäblich eine Installation mit Tiefgang, denn für die Arbeit von Marcelo Viquez (Montevideo, 1971) geht es hinab in den ehemaligen Wasserspeicher (Aljub). Intuitiv scheut man sich, auf den langen weißen Stoff auf dem Boden zu treten, dem man durch die Räume folgen muss. Doch es lässt sich nicht vermeiden. Die entstehende Verschmutzung ist Teil der Kunst, und die Besucher, die aufpassen müssen, sich nicht mit den Füßen zu verheddern, vollenden die Arbeit.

Auf dem Weg findet man an einer Wand einen gekritzelten Hinweis auf die Kernthemen: Dualität, Symbol, Textil, Rechte und zertrampeln/mit Füßen treten. Die ganze Bedeutung erschließt sich am Ende, wenn man zu einem gestürzten Fahnenmast gelangt. So spricht die Installation von der Symbolik in Verbindung mit Konflikten: von der Ambivalenz der Flaggen, die vereinen oder entzweien, und von der weißen Fahne, die für Kapitulation ebenso wie für den Frieden stehen kann.

Was genau treten wir hier mit Füßen? Die partizipative Installation von Marcelo Viquez hat etwas Beklemmendes.

Was genau treten wir hier mit Füßen? Die partizipative Installation von Marcelo Viquez hat etwas Beklemmendes. / B.RAMON

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