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Brief an junge Menschen auf Mallorca: "Das Privileg, hier und jetzt geboren zu sein"

MZ-Gastautor Felipe Armendáriz versteht die Sorgen und Nöte der Jugendlichen, sieht aber auch Zeichen der Hoffnung

Jugendliche auf Mallorca.

Jugendliche auf Mallorca. / L.O.

Lieber Freund, ich schreibe dir diesen Brief, weil ich die Feinheiten von TikTok oder Instagram nicht kenne. Es gibt ein paar Dinge, die ich dir mitteilen will. Ich bin kein Alleswisser, aber ich möchte weitergeben, was ich vom Leben gelernt habe.

Das Erste, was ich sagen möchte, weißt du bereits: wie schwer es ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Zweitens hast du nur ein geringes Gehalt. Egal, wie sehr du dich durch ein hartes Studium vorbereitet hast, man zahlt dir das Minimum. Das ist Kapitalismus, mein Freund.

Ohne Anstrengung reich werden

Ich verstehe, dass dein größter Traum angesichts der Geschichten im Netz darin besteht, sofort und ohne Anstrengung reich zu werden. Das ist ein legitimer Traum, aber du musst mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben. Ich rate dir, dich nicht auf Kryptowährungen oder Pyramidensysteme einzulassen.

Ich weiß, dass du deinen Irisabdruck im Tausch gegen Rauch verkauft hast. Das war eine Dummheit; du wirst daraus lernen. Ich möchte dir sagen, dass du trotz der erdrückenden wirtschaftlichen Situation das Privileg hast, hier und jetzt geboren zu sein. Du kannst nicht erwarten, dass die Machthaber die Dinge für dich besser machen. Vergiss, dass sie dir helfen werden, Zugang zu angemessenem Wohnraum zu bekommen; sie sind mit ihren Angelegenheiten beschäftigt, die nicht unsere sind.

An Arbeit mangelt es nicht

Du hast das große Glück, zwei Sprachen fließend zu sprechen: Spanisch und Katalanisch. Außerdem kannst du ganz gut Englisch und hast sogar etwas Deutsch gelernt. Mach das Beste aus all dem. An Arbeit mangelt es auf der Insel heute nicht. Der Tourismus boomt, aber es besteht immer das Risiko eines Kriegs, einer Wirtschaftskrise oder eine weltweiten Epidemie. Es ist schwierig, auf Anhieb den richtigen Beruf zu wählen. Wir wissen, was wir mögen, aber wir können uns auch irren. Das ist in Ordnung. Das System ermöglicht Wechsel. Man muss wissen, wie man sich anpasst.

„Bro“, ich will dich nicht langweilen. Ich wünsche dir alles Gute!

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