Chaos um Rechtspopulisten auf Mallorca: Fragen und Antworten zur Vox-Krise

Die Fraktion der rechtsextremen Partei zerfleischt sich – und die Volkspartei bangt um ihre Handlungsfähigkeit

Idoia Ribas, Gabriel Le Senne, Santiago Abascal, Marga Prohens (v.li.).

Idoia Ribas, Gabriel Le Senne, Santiago Abascal, Marga Prohens (v.li.). / Ramon/Efe

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Ein politisches Erdbeben hat die Balearen erfasst. Nach dem folgenschweren Zerwürfnis in der rechtsextremen Partei Vox ist bislang noch völlig unklar, wie es für die konservativ geführte Landesregierung auf Mallorca nun weitergeht. Die vormals acht Abgeordnete umfassende Fraktion von Vox im Balearen-Parlament, die der konservativen Volkspartei (PP) zur Regierungsmehrheit verhelfen, ist am Montag (29.1.) zerbrochen – und nach einer Versöhnung sieht es derzeit ganz und gar nicht aus. Die Gräben zwischen den Beteiligten werden Stunde um Stunde tiefer. Die Schlammschlacht dürfte gerade erst begonnen haben. Aber der Reihe nach:

Was ist passiert?

Am Montag erklärten die Fraktionssprecherin Idoia Ribas sowie die vier Abgeordneten Sergio Rodríguez, Manuela Cañadas, María José Verdú und Agustín Buades, dass sie zwei ihrer Fraktionskollegen aus der Partei ausgeschlossen haben – die Parteivorsitzende auf den Balearen Patricia de las Heras und den Parlamentspräsidenten Gabriel Le Senne. Einen entsprechenden Antrag hatten die fünf Abgeordneten zuvor unterzeichnet.

Zunächst war gegenüber der Presse von „internen Differenzen“ die Rede. In der Vergangenheit gab es bereits mehrfach Auseinandersetzungen zwischen der Parteizentrale in Madrid und der Abordnung auf den Balearen. Die beiden Ausgestoßenen stehen dabei klar auf der Seite der Parteiführung in Madrid. Die fünf Rebellen wollen sich nicht aus der Hauptstadt reinreden lassen, wie sie auf den Inseln vorzugehen haben. Das begann bereits bei den Verhandlungen mit der PP über eine Regierungsbeteiligung und flammte zuletzt wieder bei der Debatte um die freie Wahl der Unterrichtssprache auf. Hier vertritt die spanienweite Parteiführung eine noch härtere Anti-Katalanisch-Politik als die fünf Rebellen.

Die Antwort aus der Parteizentrale von Vox in Madrid ließ nach der Ankündigung, De las Heras und Le Senne aus der Fraktion zu werfen, nicht lange auf sich warten. Der Generalsekretär der Rechtsextremen, Ignacio Garriga, erklärte, dass die fünf Rebellen auf den Balearen ihrerseits aus der Partei geworfen würden. Die Eröffnung des Parteiausschlussverfahrens wurde am Mittwoch (31.1.) bekannt gegeben.

Welche Folgen hat die Meuterei?

Die Vox-Fraktion im Balearen-Parlament steht nun deutlich dezimiert da. Le Senne und De las Heras sind weiterhin Parteimitglieder auf Landesebene und wollen gegen ihren Ausschluss aus der Fraktion vorgehen. Die fünf Rebellen sehen sich als Vox-Vertreter auf den Inseln, sind jedoch ihre Parteizugehörigkeit demnächst los. Dann würden sie als fraktionslose Abgeordnete im Parlament sitzen.

Kompliziert wird es jetzt für die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens (konservative Volkspartei, PP). Sie ist für eine Mehrheit im Parlament auf die Stimmen von Vox angewiesen. Die PP verfügt über 25 Mandate. Dazu kam meist eine Stimme des PP-Ablegers Unió per Formentera, dessen Vertreter aber ebenfalls als unzuverlässig gilt. Die Mehrheit im Parlament liegt bei 30 Stimmen. Nach dem Parteiausschluss der Rebellen kommt Vox offiziell im Parlament nur noch auf zwei Abgeordnete. Denn Xisco Cardona, ein bei den Wahlen im Mai 2023 ebenfalls ins Parlament gewählter Abgeordneter, hatte die Fraktion von Vox bereits Ende Oktober 2023 aufgrund interner Streitigkeiten verlassen.

Prohens will offenbar versuchen, mit den fünf ehemaligen Vox-Abgeordneten weiterzuregieren. Dann würde sie die Mehrheit im Parlament behalten und könnte weiter das 110-Punkte-Programm umsetzen, auf das sich Vox und die PP geeinigt hatten.

Eine Zusammenarbeit von Prohens mit den fünf Rebellen würde allerdings den ohnehin schon bestehenden Graben zwischen der spanienweiten Führung von Vox und der PP vertiefen. Allerdings scheint Prohens das in Kauf zu nehmen. PP-Sprecher Sebastià Sagreras erklärte am Mittwoch, seine Partei sei bereit, einen der fünf Rebellen zum Parlamentspräsidenten zu wählen – allerdings nur dann, wenn diese ihren Teil der Regierungsvereinbarung einhielten und weiterhin für Mehrheiten für Prohens sorgten. Patricia de las Heras drohte für diesen Fall schon einmal vorsorglich mit „Konsequenzen“. Auf die Unterstützung von „Überläufern“ zu bauen, sei „nicht moralisch“. Welche Art von Konsequenzen sie meinte, sagte die Parteichefin allerdings nicht.

Welche Nachwehen gibt es?

Der Rausschmiss von De las Heras und Le Senne hinterlässt unterdessen weitere Lücken: Gabriel Le Senne sollte eigentlich das Amt des Parlamentspräsidenten am Mittwoch (31.1.) abgeben. Am Dienstagvormittag (30.1.) erklärte Le Senne dann, dass er Anweisungen aus der Parteizentrale in Madrid erhalten habe, den Posten nicht kampflos abzutreten. In der spanischen Hauptstadt würden juristische Gutachten angefertigt, die belegen sollen, dass die Rechtslage nicht so klar sei. Die bisherige Fraktionssprecherin Idoia Ribas hatte sich bereits in Stellung für den Posten gebracht.

Ministerpräsidentin Marga Prohens muss nun neue Verbündete suchen.   | F.: B. RAMON

Ministerpräsidentin Marga Prohens muss nun neue Verbündete suchen. | F.: B. RAMON / johannes krayer

Am Mittwoch dann erneut eine unerwartete Wende: Le Senne suchte sich im Parlamentspräsidium Verbündete und fand diese ausgerechnet in der Opposition des Balearen-Parlaments: Die regionale Ökopartei Més per Mallorca brachte einen Express-Antrag auf eine Änderung der Statuten ein. Demnach könnte die Vox-Fraktion durch das Parlament aufgelöst und neu konstituiert werden. Da die Vertreter von Sozialisten, Més sowie Le Senne im Präsidium für den Antrag stimmten, kann er nun dem Parlament vorgelegt werden. Die PP und die Sozialisten einigten sich darüber hinaus darauf, dass Le Senne seinen Parlamentsvorsitz behalten darf, bis ein Richter darüber entschieden hat, ob das Parteiausschlussverfahren auf den Inseln rechtens ist.

Wie geht es bei Vox jetzt weiter?

Innerhalb von Vox sieht es derzeit nach einer Schlammschlacht aus. Der Abgeordnete Sergio Rodríguez erklärte am Dienstag, dass Gabriel Le Senne und Patricia de las Heras keine Zukunft in der Fraktion im Balearen-Parlament hätten. Auch den Posten des Parlamentspräsidenten könne Le Senne nicht mehr bekleiden. „Le Senne muss auf alle Fälle gehen. Wenn er das noch ein paar Wochen hinauszuzögern versucht, wird er nur den Kampf in die Länge ziehen und sich lächerlich machen“, sagte Rodríguez. Am Mittwoch geriet dann ein Dokument von Patricia de las Heras an die Öffentlichkeit, in dem die Parteichefin den früheren starken Mann bei Vox auf Mallorca, Jorge Campos, schwer belastet. Der Parteigründer auf den Inseln soll Parteigelder veruntreut und Gespräche mit Santiago Abascal ohne essen Wissen aufgezeichnet haben.

Was sagt eigentlich die PP dazu?

Ministerpräsidentin Prohens versucht unterdessen, das Chaos bei Vox kleinzureden. Es sei eine „Situation, die das Parlament“ betreffe, nicht die Regierung. Prohens appellierte an die „Verantwortung“ von Vox, sprach aber auch von „Respekt“ gegenüber Interna von anderen Parteien. Allerdings handle es sich um eine „unerfreuliche Situation“ für die PP. Und der spanienweite Parteichef Alberto Núñez Feijóo schickte eine Drohung an die Streithähne. Er hoffe auf eine schnelle Lösung. Es sei „töricht“, die Stabilität der Regierung auf den Balearen zu gefährden.

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