Regionalwahlen, Stimmungslage, Steuern: Das steht 2024 in Spanien an

Wahlen in Galicien und im Baskenland, ein fragiles Linksbündnis im Parlament, ein extrem harter Umgangston und strengere Fiskalauflagen: Dem Land steht erneut ein politisch schwieriges Jahr bevor

Wirtschaftsministerin Calviño (Mi.) übergibt ihr Amt symbolisch an Carlos Cuerpo (re.). Montero (li.) wird erste Vizepräsidentin. | FOTO: EUROPAPRESS

Wirtschaftsministerin Calviño (Mi.) übergibt ihr Amt symbolisch an Carlos Cuerpo (re.). Montero (li.) wird erste Vizepräsidentin. | FOTO: EUROPAPRESS

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Die Stiftung Fundéu hat als spanisches Wort des Jahres 2023 polarización gewählt – Polarisierung. Auch im neuen Jahr wird der äußerst aggressive Umgangston in der politischen Öffentlichkeit wahrscheinlich kaum an Dezibel verlieren. War bereits 2023 von zahlreichen Wahlen geprägt – nicht zuletzt den Wahlen zum Parlament, denen monatelange Verhandlungen bis zur Wiederwahl von Ministerpräsident Pedro Sánchez von den Sozialisten (PSOE) folgten –, geht der Dauerwahlkampf nun weiter. Auch in diesem Jahr rücken also die Aussichten auf eine Annäherung der PSOE und der konservativen Volkspartei (PP) bei staatstragenden Reformen in die Ferne.

Es bieten sich sehr unterschiedliche Szenarien. Den Auftakt machen die Regionalwahlen in Galicien am 18. Februar. Der Landesteil im Nordwesten ist eine traditionelle Hochburg der Konservativen. Alberto Núñez Feijóo errang dort viermal die absolute Mehrheit, bevor er 2022 aus Galicien nach Madrid wechselte, um die Führung von PP und Opposition zu übernehmen. Sein Nachfolger Alfonso Rueda muss die Mehrheit nun behaupten und verhindern, dass die PP in Galicien zum Regieren ebenfalls auf die rechtsextreme Vox angewiesen sein wird, so wie in vielen anderen Regionen und Gemeinden, nicht zuletzt auf den Balearen. Es ist ein wichtiger Stimmungstest für Núñez Feijóo, nachdem dieser nach den Spanien-Wahlen vom Juli keine ausreichende Mehrheit hinter sich bringen konnte.

Die Lage im Baskenland

Ganz anders ist das Panorama im Baskenland, wo im Frühjahr gewählt wird – der genaue Termin steht noch nicht fest. In der Region könnte die konservative Baskische Nationalpartei (PNV) die Macht an die linken Separatisten von EH Bildu verlieren. Dies ist ein breites Bündnis von Parteien, dem auch die Erben der früheren Herri Batasuna angehören, die als politischer Arm der Terrororganisation ETA galt. Manche Politiker von Bildu tun sich mit dem Umgang des jahrzehntelangen Terrors immer noch schwer, doch sind zehn Jahre nach der offiziellen Auflösung der ETA die Bedenken vieler Wähler im Baskenland hinsichtlich der linken Separatisten weitgehend verschwunden. Die Partei regiert bereits in vielen Gemeinden und übernahm zuletzt das Rathaus von Pamplona, der Hauptstadt von Navarra. Im spanischen Parlament haben sich die Abgeordneten von EH Bildu als wichtige Stütze für die Minderheitsregierung von Sánchez erwiesen. PSOE und PP sind im Baskenland eher Nebendarsteller.

Stimmungstest Europa-Wahlen

Am 9. Juni gibt es dann mit den Wahlen zum Europaparlament das erste landesweite Kräftemessen seit der Wahl vom vergangenen Juli. Wie in anderen Ländern Europas blickt man in Spanien besonders auf das Abschneiden der Rechtspopulisten von Vox. Für Núñez Feijóo ist entscheidend, dass seine PP vor den Sozialisten landet, damit sein Anspruch auf einen Machtwechsel im Lande nicht an Schwung verliert. Interessant wird es auch für die Linken. Podemos tritt mit einer eigenen Liste an, nachdem die Partei im Dezember ihre fünf Abgeordneten aus dem Linksbündnis Sumar abgezogen hatte und im Unterhaus eigenständig agieren will. Anders als bei Spanien-Wahlen gibt es bei den Europawahlen nur einen einzigen landesweiten Wahlbezirk ohne Hürde, sodass auch kleine Parteien eine Chance auf Sitze haben. 2019 reichten 379.000 Stimmen für einen EU-Abgeordneten. Podemos und Sumar liefern sich also einen Machtvergleich im Lager der Linken.

Weitere Urnengänge sind 2024 nicht vorgesehen – es sei denn, die Separatisten der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) ziehen die Reißleine und beenden ihre Minderheitsregierung in der Region mit vorgezogenen Neuwahlen.

Mahnung zur Mäßigung

Der extrem harte Umgangston in der Politik zeigte sich zuletzt bei den Protesten der Rechten vor dem Parteisitz der Sozialisten in Madrid. König Felipe VI. warnte in seiner Weihnachtsansprache vor dem „Keim der Zwietracht“ und mahnte zur Mäßigung. Kurz vor Weihnachten kam es immerhin zu einem Treffen zwischen Sánchez und Núñez Feijóo, das lange hatte auf sich warten lassen. Viel kam dabei nicht zustande. Immerhin einigten sich Premier und Oppositionsführer darauf, 2024 die lange überfällige Erneuerung des Selbstverwaltungsorgans der Justiz (CGPJ) in Angriff zu nehmen und der EU-Kommission dabei eine Vermittlerfunktion einzuräumen. Die Reform der Justizorgane ist eine der dringendsten Aufgaben im neuen Jahr.

Sánchez, der nach zähen, monatelangen Verhandlungen erst im November wiedergewählt wurde, geht die neue Amtszeit mit einem leicht veränderten Team an. Der Wechsel seiner ersten Stellvertreterin und Wirtschaftsministerin Nadia Calviño an die Spitze der Europäischen Investitionsbank (EIB) erforderte kurz vor Jahresende einen kleinen Kabinetts-umbau. Ab nun ist Finanzministerin María Jesús Montero erste Vizepräsidentin der Regierung und koordiniert das Wirtschaftsressort. Die Vollblutpolitikerin aus Andalusien ist bereits die Nummer zwei der PSOE hinter Sánchez und damit fortan die mächtigste Person nach dem Regierungschef.

Nicht nur kühle Technokratin: Nadia Calviño.  | FOTO: MARÍA JOSÉ LÓPEZ/EUROPAPRESS

Nicht nur kühle Technokratin: Nadia Calviño. | FOTO: MARÍA JOSÉ LÓPEZ/EUROPAPRESS / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Umbau im Kabinett

Nachfolger Calviños wurde Carlos Cuerpo, der bislang im Wirtschaftsministerium für die Ausgabe der Staatsanleihen und die makroökonomische Analyse zuständig war. Nachdem zuvor viele prominente Namen gehandelt worden waren, entschied sich der Premier für ein weitgehend unbekanntes, fachliches Profil. Der 43-jährige Volkswirt mit einem Master der London School of Economics ist ein Karrierebeamter. Doch an der Seite Calviños war Cuerpo stark in die Verhandlungen über die neuen Haushaltsregeln in Europa eingebunden, im Rahmen des turnusmäßigen Vorsitzes von Spanien im EU-Rat im zweiten Halbjahr 2023. Die Neuauflage des Fiskalpakts engt den Spielraum des neuen Wirtschaftsministers spürbar ein, Spanien muss 2024 das Staatsdefizit auf drei Prozent senken. Auch deshalb wird die Arbeit für die linke Minderheits- regierung im neuen Jahr schwieriger.

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