Comeback des "Meistgehassten": Angekündigte Puigdemont-Rückkehr beunruhigt Spanien

Spanien wird von der Vergangenheit eingeholt. 2017 flüchtete Carles Puigdemont ins Ausland. Sechseinhalb Jahre später kündigt der Separatistenführer seine Rückkehr an. Das beunruhigt viele.

Der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont bei der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung im Oktober 2017.  | FOTO: JORDI BOIXAREU

Der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont bei der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung im Oktober 2017. | FOTO: JORDI BOIXAREU / aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Der 2017 ins Exil geflüchtete Separatistenführer Carles Puigdemont hat seine Rückkehr nach Spanien angekündigt - und damit in seiner Heimat prompt Aufsehen, Empörung und Unruhe ausgelöst. Puigdemont wolle nach Spanien zurück und am 12. Mai bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Katalonien als Spitzenkandidat antreten, sagte sein Anwalt Gonzalo Boye am Freitag in einem Interview des katalanischen Radiosenders RAC1. Der 61-Jährige werde dabei in Kauf nehmen, bei der Einreise festgenommen zu werden.

«Er ist bereit, zurückzukommen und sich verhaften zu lassen», versicherte Boyé. Viele in Spanien hätten Angst vor einer Heimkehr Puigdemonts und vor einem Wahlsieg des Mannes, dem unter anderem auch Verbindungen zu Moskau nachgesagt werden, räumte der Anwalt ein. «Aber sie werden nicht verhindern können, dass er Präsident wird (...) Das werden nur die Wähler verhindern können.» Puigdemont selbst äußerte sich dazu vorerst nicht.

Nacht- und Nebelflucht im Herbst 2017

Die Ankündigung schlug in Spanien wie eine Bombe ein. Puigdemont galt daheim für immer und ewig verdammt. Der gelernte Journalist und Vater zweier Mädchen ist ja seit seiner Nacht- und Nebelflucht nach Belgien vor sechseinhalb Jahren im Kofferraum eines Autos ein Flüchtling der spanischen Justiz. Erst Ende Februar leitete der Oberste Gerichtshof in Madrid gegen den EU-Abgeordneten sogar ein Strafverfahren wegen Terrorismus ein.

Das Comeback des «meistgehassten» und -gefürchteten Bürgers Spaniens, wie unter anderem die Zeitung «El Periódico» ihn beschrieb, weckte in der viertgrößten Volkswirtschaft der EU sofort Erinnerungen an die Chaos-Wochen vom Herbst 2017 wach, als Katalonien sich unter der Ägide des damaligen Regionalpräsidenten Puigdemont unabhängig erklärte und die konservative Zentralregierung daraufhin die Region im Nordosten unter Zwangsverwaltung stellte. In Medien, sozialen Netzwerken und Kommentarbereichen der Zeitungen, TV- und Radiosender überwog das negative Feedback. Und die Angst. Viel Angst.

Politische Konfrontation und Polarisierung erwartet

Puigdemont wolle sich für «den Affront von 2017 rächen», schrieb die Zeitung «La Razón». Politische Konfrontation und Polarisierung seien zu erwarten. Die Kolumnistin Lola García vom renommierten katalanischen Blatt «La Vanguardia» schrieb: «Puigdemont versteht es wie kein anderer, die Fassungslosigkeit der anderen zu provozieren.»

«Totales Desaster», «der schlimmste Albtraum» und «Bereitet euch auf ein Tsunami der Unruhen vor», war unter anderem auf X, vormals Twitter, und in anderen sozialen Netzwerken zu lesen. «Mein Gott, wenn Puigdemont nach Spanien zurückkehrt, packe ich meine Koffer und verlasse Spanien», schrieb zum Beispiel der X-User «pedrodiablo».

Wie wahrscheinlich ist es aber, dass Puigdemont bei der Einreise festgenommen wird und hinter Gitter wandert? Das Unterhaus in Madrid hat zwar am Donnerstag dem Entwurf des umstrittenen Amnestiegesetzes der linken Zentralregierung für alle Separatisten zugestimmt. Der Entwurf geht aber nun zunächst in den Senat, wo die konservative Opposition, die gegen die Amnestie ist und diese als «Schande» und «Verrat» bezeichnet, die Mehrheit hält.

Justiz kann Teile des Gesetzes stoppen

Die von der Volkspartei (PP) angeführte Opposition kann das Gesetz nicht verhindern, den Entwurf aber maximal zwei Monate blockieren. Damit würde die Amnestie aller Voraussicht nach nicht vor Ende Mai und also auch nicht vor der Parlamentswahl in Katalonien in Kraft treten. Zudem kann die spanische Justiz noch Teile des Gesetzes stoppen. Und selbst nach einem Inkrafttreten der Amnestie könnten die Behörden vor einem Ende aller Verfahren Puigdemont in Gewahrsam nehmen, wie Juristen gegenüber Medien erklärten.

Katalonien war nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum und einem anschließenden Beschluss zur Abspaltung von Spanien 2017 ins Chaos gestürzt. Puigdemont konnte mit weiteren Regierungsmitgliedern ins Ausland fliehen. Mehrere der im Land gebliebenen Mitstreiter wurden zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt, inzwischen aber begnadigt. Unter den Folgen des chaotischen Trennungsversuches - darunter politische Instabilität sowie eine Unternehmens- und Kapitalflucht - leidet Katalonien noch heute.

"Problem für alle Spanier"

PP-Sprecher Borja Sémper sprach von einem «Problem für alle Spanier», «vor allem aber für die Regierung». Beim ganzen «Theater» gehe es in erster Linie darum, dass Ministerpräsident Pedro Sánchez die «Catalanistas» mit dem Versprechen einer Amnestie gekauft habe, damit die Separatisten ihn bei der Wahl zum Ministerpräsidenten im vorigen November unterstützen. Damit habe er die Unabhängigkeitsbefürworter wieder stark gemacht, und die hätten nun auch in Madrid «alles unter Kontrolle».