Warum die Juristen in Spanien scharfe Kritik an der geplanten Amnestie für die Separatisten üben
Der Begriff der Amnestie taucht nicht in der Verfassung auf. Viele lehnen den Vergleich zum Gesetz von 1977 ab, mit dem die Verbrechen der Franco-Diktatur verziehen wurden.
Die Absprachen der Sozialisten (PSOE) mit den katalanischen Separatisten zur Wiederwahl von Pedro Sánchez haben auch die Justiz in Aufregung versetzt. Aus Sorge um die Gewaltenteilung geht sie hart mit der Regierung ins Gericht. Dabei geht es um die Verfassungsmäßigkeit der Amnestie, aber vor allem um den Begriff der lawfare, also den Vorwurf, dass Gerichte aus politischen Gründen gegen die Separatisten vorgegangen sein sollen.
Das Konzept taucht in dem vierseitigen politischen Abkommen zwischen der PSOE und der separatistischen Junts auf. Mit sehr seltener Einigkeit protestieren sämtliche Gerichtshöfe, Staatsanwaltschaften, Juristenvereinigungen und mehrere Anwaltskanzleien, darunter auch große internationale Firmen, gegen den vermeintlichen Eingriff der Politik in die Rechtsprechung. So heißt es in dem Abkommen: „Die Schlussfolgerungen der Untersuchungsausschüsse, die in der neuen Legislaturperiode gebildet werden, werden bei der Anwendung des Amnestiegesetzes berücksichtigt, insofern man davon auf Situationen schließen kann, dass sie dem Konzept der lawfare oder der Verrechtlichung (judicialización) der Politik entsprechen.“
Angesichts der heftigen Kritik aus dem Justizwesen, darunter auch progressiv ausgerichteter Vereinigungen, schränkten die Sozialisten ein, dass keine neuen Untersuchungsausschüsse geplant seien und lediglich zwei Verfahren in Fällen mutmaßlicher politischer Verfolgung der Separatisten aufgenommen werden sollen, die bereits mit den separatistischen Parteien vereinbart wurden.
Begriff der lawfare taucht nicht auf
Im Gesetzentwurf für die Amnestie, der am Montag (13.11.) von der PSOE im Unterhaus eingereicht wurde, taucht der Begriff lawfare nicht mehr auf. Stattdessen geht es in der Debatte nun vornehmlich darum, ob der Straferlass von der Verfassung gedeckt ist oder nicht. In der Carta Magna von 1978 steht zunächst nichts über Amnestien. Sie hält nur fest, dass Begnadigungen erlaubt sind, aber nicht „allgemeiner Art“. Das heißt, einzelne verurteilte Personen können begnadigt werden. Davon haben in den vier Jahrzehnten der spanischen Demokratie Tausende Menschen profitiert, sowohl unter sozialistischen wie auch unter konservativen Regierungen.
Die Befürworter der Amnestie berufen sich darauf, dass die Verfassung diese Maßnahme nicht ausdrücklich ausschließt. Die Gegner argumentieren, dass auch andere Umstände wie die Sklaverei oder die Todesstrafe nicht explizit ausgeschlossen und deswegen nicht automatische erlaubt seien. Juristen sind sich nicht einig über die Verfassungskonformität der Amnestie. Viele lehnen den Vergleich zum Gesetz von 1977 ab, mit dem die Verbrechen der Franco-Diktatur verziehen wurden. Die sieben Autoren der Carta Magna hielten im Protokoll ihrer Arbeit fest: „Es wird vereinbart, den Bereich der Amnestie nicht in die Verfassung aufzunehmen“, wie der Juraprofessor der Universidad La Laguna, Daniel López Rubio, in der Zeitung „eldiario.es“ dokumentiert.
In diesen Ländern gibt es eine Amnestie
Der Text des Amnestiegesetzes verweist außerdem auf andere europäische Länder, namentlich Deutschland, Österreich, Belgien, Irland und Schweden, die diese Maßnahme in ihren Grundgesetzen beinhalten. Die PSOE argumentiert, dass der Schritt dem „allgemeinen Interesse“ diene, nämlich der Befriedung der Situation in Katalonien nach den Unruhen vor einigen Jahren.
Das Gesetz soll binnen zwei Monaten nach seiner Verabschiedung in Kraft treten, noch bevor das spanische Verfassungsgericht und erwartungsgemäß die europäischen Instanzen darüber befinden. Der Gesetzestext liegt der Europäischen Kommission bereits vor. „Ich habe keine Sorge geäußert, sondern nur Information angefordert“, erklärte der Kommissar für Justiz, Didier Reynders.
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