Warum eine Mallorca-Deutsche den Traumberuf Fußballprofi für ihre Freundin aufgab

Jennifer Stammler spielte einst mit den weltbesten Fußballerinnen. Dann traf sie eine Entscheidung, die alles veränderte

Jennifer Stammler trainiert derzeit die Kinder im Fussicamp Cala Millor.

Jennifer Stammler trainiert derzeit die Kinder im Fussicamp Cala Millor. / FUSSICAMP

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Wäre Jennifer Stammler keine so gute Freundin gewesen, hätte sie vielleicht selbst bei einer WM mitgespielt. So bleibt der 37-Jährigen heute nur die Zuschauerrolle. Die Fußballerin wird in den kommenden Wochen die WM in Australien und Neuseeland für die MZ begleiten und kommentieren. Das Turnier ist am Donnerstagmorgen (20.7.) gestartet. Spanien hat am Freitag 3:0 gegen Costa Rica gewonnen. Die DFB-Elf ist zum Auftakt am Montag um 10.30 Uhr gegen Marokko dran (ZDF überträgt).

So sieht der Pokal der  Frauen: WM 2023 aus.

So sieht der Pokal der Frauen: WM 2023 aus. / dpa

Der Anfang als gekonnte Straßenfußballerin

Stammler kommt aus Heppenheim. „Mein Vater war Fußballtrainer. Als Trainerkind musste ich daher mit auf den Platz“, erzählt sie. Schon als Kind war sie eine begeisterte Sportlerin. „Ich war die klassische Straßenfußballerin, die nach der Schule mit den Jungs gekickt hat.“ Dass sie das einzige Mädchen in der Clique war, störte keinen. „Ich wurde bei der Teamwahl als Erste gewählt und war voll in die Gruppe integriert.“ Neben dem Fußball spielte sie noch erfolgreich Handball. Als Linkshänderin war sie auch dort begehrt.

„Mein Papa sah jedoch mein Talent im Fußball und schickte mich nach Karlsruhe zum KSC“, sagt Stammler. Für den Vater bedeutete das eine einstündige Fahrt zu den Trainingseinheiten, für die Tochter, dass sie den Handball aufgeben musste. „Das hat mich sehr traurig gemacht. Noch heute hänge ich sehr an dem Sport und suche verzweifelt nach Leuten, mit denen ich mich über die Spiele austauschen kann.“

Der Weg zur Porfi-Karriere

Beim KSC entwickelte sich die Angreiferin langsam zur Profispielerin. Ein Talentscout wurde auf sie aufmerksam und lotste den Blondschopf zum 1. FFC Frankfurt, damals das Nonplusultra im Frauenfußball, angeführt von der Weltfußballerin Birgit Prinz. Zwei Trainingseinheiten pro Tag machten eine Ausbildung oder ein Studium neben dem Sport unmöglich. Dafür war die Profilaufbahn greifbar. „In meinem ersten Bundesligaspiel durfte ich 90 Minuten ran. Ich war überrascht und unglaublich nervös.“ Trotz der Stars im Kader kam Stammler auf ihre Einsätze und feierte die Meisterschaft. Die 18-Jährige spielte dann auch in der U19-Nationalmannschaft.

Im Sommer 2005 traf sie jedoch eine Entscheidung, die ihre Karriere zusammenbrechen ließ. „Meine beste Freundin überzeugte mich, nach Köln zu ziehen, um bei ihr in der Nähe spielen zu können.“ Statt in der Bundesliga um weitere Titel zu kämpfen, spielte Stammler künftig für den VfR Limburg in der dritten Liga. „Mein Papa war stinksauer. Ich hatte zu dem Zeitpunkt Angebote anderer Bundesligisten. Die fragten mich: ‚Ist das dein Ernst?‘“ Von dem Taschengeld, das ihr der Drittligist zahlte, konnte sie zwar leben. Doch ihre Karriere erholte sich davon nicht mehr.

„Ich finde mein Leben schön und würde gar nicht viel ändern, aber natürlich frage ich mich, wie weit ich gekommen wäre, wäre ich damals bei Frankfurt geblieben“, sagt Stammler. Da die dritte Liga mehr Hobby als Leistungssport war, begann die Deutsche eine Ausbildung als Pflegeassistentin. Sie zog nach Leipzig, wo sie die vergangenen zwölf Jahre lebte. „Dort schaffte ich mit meinem Team sogar noch einmal den Aufstieg in die zweite Liga, der Verein hatte aber kein Geld dafür.“

Ein Mädchen trainiert im Fussicamp auf Mallorca.

Ein Mädchen trainiert im Fussicamp auf Mallorca. / Fussicamp

Umzug nach Mallorca

Bevor sie Anfang des Jahres auf die Insel zog, stand sie kurz davor, eine Ausbildung zur Justizvollzugsbeamtin anzufangen. „Meine Lebensgefährtin träumte jedoch von einem Luftwechsel und wollte schon immer mal nach Mallorca ziehen“, sagt die 37-Jährige. Sie änderte ihren Plan und heuerte beim Fussicamp als Trainerin an. „Es ist doch schön, dass ich so weiter dem Fußball erhalten bleibe.“

Die Deutschen sieht Stammler in einer guten Position, um den Hype um den Frauenfußball aus dem Vorjahr fortzuführen. „Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Männer sind derzeit so schlecht, da können die Frauen nur gewinnen.“ Zu schlagen gelte es im Kampf um den Titel vor allem die USA. „Es wäre auch mal wieder Zeit, dass die Deutschen Weltmeister werden.“ Zuletzt war das 2007 der Fall. Und wer weiß, hätte sich Jennifer Stammler damals anders entschieden, hätte sie möglicherweise zum Kreis der Spielerinnen gehört, die die Trophäe in die Luft reckten.