Mallorca-Radlegende Guillem Timoner stirbt im Alter von 97 Jahren

Der aus Felanitx stammende Bahnradfahrer holte insgesamt 1.500 Siege

Guillem Timoner an seinem 90. Geburtstag.

Guillem Timoner an seinem 90. Geburtstag. / Guillem Bosch

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Eigentlich hatte sich Guillem Timoner vorgenommen, die 100 vollzumachen. Das hatte die Radsportlegende aus Felanitx im Südosten von Mallorca 2016 anlässlich seines 90. Geburtstags den Journalisten erzählt. Nun ist Timoner am Donnerstag (17.8.) im Alter von 97 Jahren gestorben. Der sechsfache Weltmeister und 27-fache spanische Meister hinterlässt "einen Namen für die Geschichte des Radsports", wie er selbst einmal sagte. Die MZ veröffentlicht zum Tod von Timoner einen Artikel über das letzte Zusammentreffen mit dem damals 88-Jährigen im Jahr 2014:

Es ist unmöglich, die Geschichte der Bahnrad-Tradition auf der Insel zu erzählen, ohne Guillem Timoner einen Besuch abzustatten. Der inzwischen 88-Jährige ist bestens vorbereitet auf die Presse. In seiner Villa Timoner in Felanitx hat sich der wohl bekannteste Radrennfahrer Mallorcas so etwas wie einen persönlichen Erinnerungs-Parcours zurechtgelegt, den er nach eigener Aussage beinahe täglich geht.

Mehrere Räume seines Hauses hat Timoner vollgestellt mit Trophäen, Medaillen und Fahrrädern. An den Wänden hängen Plakate, die die Rennen ankündigen. Aus jeder Schublade kramt Timoner Fotos, Zeitungsausschnitte und Alben hervor. Die Tour durch sein Haus hat es in sich, in unter zwei Stunden kommt man kaum wieder heraus.

Das Haus von Guillem Timoner gleicht einem Museum.

Das Haus von Guillem Timoner gleicht einem Museum. / Guillem Bosch

Timoner dominierte die Radsportwelt nach Belieben

Timoner, der in den 50er und 60er Jahren die internationale Radsportwelt nach Belieben dominierte, kann sich tatsächlich noch an fast alle seiner Rennen genau erinnern. Bei insgesamt 1.500 Siegen, davon 27 spanische Meisterschaften, ein Europameistertitel, sechs Weltmeistertitel und zahlreichen zweiten und dritten Plätzen ist das eine reife Leistung. „Ich bin sehr oft in Deutschland gefahren“, hebt er an.

Was in der damaligen Zeit unter Diktator Franco nicht ganz einfach war – nämlich frei durch Europa zu reisen –, durfte Timoner sozusagen mit dem Placet des caudillo, der ihn mehrfach nach Madrid zu Ehrungen einlud. So etwa zur WM 1960, die in der ehemaligen DDR stattfand. „Das war in Chemnitz, der damaligen Karl-Marx-Stadt“, erzählt Timoner. Dort fuhr der Mallorquiner seinen dritten Weltmeister-Titel ein. Im Jahr darauf stand er kurz vor einem abrupten Karriereende.

Briefe ermuntern ihn zum Weitermachen

Beim Sechs-Tage-Rennen in Madrid 1961 stürzte Timoner und brach sich den rechten Arm, das Schlüsselbein und die Schulter. „Ich habe ans Aufhören gedacht. Aber dann habe ich so viele Briefe, Telegramme und Besuche im Krankenhaus bekommen, dass ich die Kraft hatte, weiterzumachen“, erzählt er noch heute gerührt. Drei weitere Weltmeistertitel folgten.

Guillem Timoner (re.) mit seinem Rivalen Antoni Karmany.

Guillem Timoner (re.) mit seinem Rivalen Antoni Karmany. / 'HISTORIA DEPORTIVA DE SANT JOAN'

Begonnen hatte seine Karriere 1939 im kleinen Dörfchen s‘Horta nahe Felanitx. Der damals 13 Jahre alte Timoner wollte dort an einem Radrennen teilnehmen. „Die Organisatoren haben mich zunächst ausgeschlossen: Ich dürfte erst mit 16 Jahren mitmachen. Man hatte Angst, ich könnte Stürze verursachen.“

Mit 13 beim ersten Rennen gleich Sieger

Doch, man ahnt es bereits, es kam ganz anders. Der kleine Guillem durfte doch mitfahren und raste zur Verblüffung aller als Erster über die Ziellinie. Trotzdem wollte ihm der Verband keine Rennlizenz geben, das Mindestalter betrug auch hier 16. Mit ein wenig Lug und Trug schaffte es der kleine Guillem, dem Verbandspräsidenten höchstpersönlich die Lizenz abzuschwatzen.

Schnell stellte sich heraus, dass die Insel zu klein war für sein Talent. Seine erste nationalen Titel holte Timoner im Jahr 1945, beide als sogenannter Steher in der Motorrad-Verfolgung, seiner Spezialität. Zwar fuhr der Felanitxer auch alle anderen Modalitäten, aber in keiner anderen war er so erfolgreich, nahezu unbesiegbar, wie hinter dem Motorrad.

Man habe ihm mit 70 die Lizenz entzogen, klagt er

Den Straßenradsport ließ er bereits zu Beginn seiner Karriere sausen. „Ich wollte, dass mich die Leute permanent sehen. Diese Rundfahrten, bei denen man nur einmal kurz an den Leuten vorbei rast, haben mir nie gefallen.“ Timoner hatte nie einen Trainer, brachte sich alles selbst bei, und macht auch heute noch jeden Tag Sport.

Plakette zu Ehren von Guillem Timoners 90. Geburtstag in Felanitx.

Plakette zu Ehren von Guillem Timoners 90. Geburtstag in Felanitx. / Guillem Bosch

In einem kleinen Büchlein schreibt er akribisch auf, wie viele Minuten es jeden Tag sind. Zwei selbst gebaute Hometrainer dienen ihm dabei als Fitnessgeräte. Ein bis zwei Stunden bringt Timoner darauf täglich zu. Und wer weiß, wenn er dürfte, würde er wohl auch noch heute bei Rennen mitfahren. Bitterlich beklagt er, dass man ihm im Alter von 70 Jahren die Lizenz entzogen hat – aus Altersgründen. „Vollkommen ungerechtfertigt. Ich war völlig fit.“

Das hielt ihn aber im Juni nicht davon ab, bei einer Hommage in s‘Horta noch einmal aufs Rad zu steigen. Der Ort gedachte dem 75. Jubiläum des ersten Timoner-Sieges mit einer Rundfahrt.