Regenmangel auf Mallorca: "Heute sind es bis zu drei Monate ohne einen Tropfen"

Der Mallorquiner Julià Carles Coll registriert seit 42 Jahren die Regenmenge auf der Insel

Julià Carles Coll arbeiten ehrenamtlich für den Wetterdienst Aemet

Julià Carles Coll arbeiten ehrenamtlich für den Wetterdienst Aemet / Nele Bendgens

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Die Augen von Julià Carles Coll leuchten wie die eines Kindes, das die Weihnachtsgeschenke unter dem Baum sieht. Dabei hat der Mallorquiner keine geschmückte Tanne vor sich, sondern einen von den Jahrzehnten an frischer Luft geprägten Regenmesser. In sein schlaues Buch, in das er die Wetterdaten notiert, muss er gar nicht schauen, um aufzuzählen, in welchen Jahren es wie viel geregnet hat. „Meine Frau hält mich schon für einen alten Sack, der ständig nur Anekdoten von früher erzählt“, sagt der 61-Jährige.

Coll ist ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des spanischen Wetterdienstes Aemet. Spanienweit gibt es davon mehr als 3.000, auf Mallorca 130. Ohne die Helfer würden viele der Wetterstatistiken auf der Insel nicht existieren. Meist wird das Ehrenamt von einer Generation zur nächsten innerhalb der Familie übergeben. „Mein Opa war für die Wetterstation in Sóller zuständig. Als ich 19 Jahre alt war, hat er mir gezeigt, wie es geht. Wenig später habe ich ihn abgelöst“, sagt Coll, der schon immer ein Faible für die Meteorologie hatte. „Als Kind war ich begeistert von den Wetterberichten mit den Regenradaren und Wetterkarten. Ich bin mit dem Meteorologen Mariano Medina aufgewachsen.“ 2005 zog Coll nach Caimari und nahm die Wetterstation mit.

Jeden Morgen wird die Regenmenge gemessen

Seine Arbeit ist dabei recht simpel. Je nach Ausrüstung müssen die Ehrenamtlichen die Windgeschwindigkeit, Regenmenge, Temperatur und sonstige Wetterphänomene wie Gewitter notieren. Im Fall von Coll sind es nur der Niederschlag und die Phänomene. Jeden Morgen um 8 Uhr schaut er im Regenmesser, wie viel es in den vergangenen 24 Stunden geregnet hat. Im Sommer, wenn es ziemlich sicher nicht regnet, kann er sich den Weg sparen. „In 42 Jahren habe ich keinen einzigen Tag verpasst“, sagt er. Weder lange Partynächte noch Urlaube haben ihn abgehalten. „Wenn ich ehrlich bin, war ich seit 30 Jahren nachts nicht mehr aus. Zudem spanne ich meine ganze Familie in die Arbeit mit ein. Die werden da nicht verschont.“

So hat seine Frau Francisca Comas in der Wohnung in Palma ebenfalls eine Wetterstation eingerichtet. „Er hat mich angesteckt“, sagt sie. „Es ist aber auch ein nützlicher Dienst für die Gesellschaft.“ Denn im Schadensfall bei Unwettern ziehen Versicherungsunternehmen die Wetterdaten von Aemet zurate und schauen, ob sie zahlen müssen. Im März zeichnete der Wetterdienst Comas als die beste Ehrenamtliche Spaniens aus. „Ich vermute, das liegt daran, dass ich eine Frau bin. Die Meteorologie ist sonst eine Männerdomäne“, sagt sie.

Bis zu 180 Liter möglich

Dabei ist der alte Regenmesser wahrlich keine hohe Wissenschaft. Der Regen dringt in eine Öffnung ein. Über einen Trichter wird das Wasser in eine kleine Plastikflasche geleitet. Die dort aufgefangenen Tropfen schüttet Coll in einen Messbecher und kann so die Regenmenge pro Quadratmeter bestimmen. „Meine Apparatur kann bis zu 180 Liter messen. In Sóller ist das Gerät schon mal an seine Grenzen gestoßen. Da musste ich nachts ausleeren.“

Der Regen fließt über einen Trichter in den kleinen Behälter.

Der Regen fließt über einen Trichter in den kleinen Behälter. / Nele Bendgens

Mit durchschnittlich 900 Liter Niederschlag im Jahr zählt das Orangendorf zu den regenreichsten Gebieten Mallorcas. Den Rekord stellt die Wetterstation Son Torrella am Puig Major mit 1.500 Litern auf. „Der trockenste Punkt ist ‚Ca’s Busso‘ in Llucmajor mit 250 Litern“, sagt Coll. „Das ist der Grenzwert für eine Region, um als Wüste bezeichnet zu werden.“

Die Daten notiert Coll in sein Buch und übermittelt sie monatlich Aemet. Geld gibt es für die ehrenamtliche Tätigkeit nicht. So ist der 61-Jährige auch selbst für die Gerätschaft zuständig. „Aemet bestimmt lediglich, wo das Messgerät zu stehen hat.“ Dabei geht es darum, dass keine Bäume in der Nähe sind, die das Messergebnis verfälschen können.

Der Mallorquiner hat auch schon darüber nachgedacht, sich eine moderne Wetterstation zuzulegen. Schließlich gibt es Maschinen, die automatisch die Werte messen und notieren. „Einerseits kosten die Apparate Geld und auf der anderen Seite wäre ich bei einem Stromausfall geliefert. Da vertraue ich lieber meinem alten Regenmesser“, sagt Coll.

Heute sind es bis zu drei Monate ohne einen Tropfen. Nicht nur im Sommer, manchmal auch im Herbst oder Winter.

Klimawandel auf Mallorca

Der Klimawandel macht ihm Sorgen. „Ich habe nicht Meteorologie studiert, aber ich beobachte seit 42 Jahren die Veränderungen“, sagt er. „Früher hat es auf Mallorca gleichmäßig geregnet, etwa alle ein bis zwei Wochen.“ Nur im Juli gab es eine Regenpause. „Heute sind es bis zu drei Monate ohne einen Tropfen. Nicht nur im Sommer, manchmal auch im Herbst oder Winter.“ Die Trockenheit sei alarmierend, meint auch seine Frau. „Viele Mandelbäume vertrocknen. Das gab es früher nicht“, sagt Comas. Das Paar hat im eigenen Garten ein Bienensterben festgestellt. „Es gibt weniger Blumen als Nahrung, und die anhaltende Hitze setzt den Tierchen zu.“

So trocken wie in diesem Jahr sei es zuletzt 1984 gewesen. „Damals waren es nur 470 Liter Niederschlag in Sóller. Jetzt fehlt zwar noch der Dezember, aber wir bewegen uns in ähnlichen Sphären“, sagt Coll. Auffällig seien zudem die hohen Temperaturen. „Früher schneite es schon Ende Oktober“, sagt Coll. In diesem Jahr herrschte da noch Badewetter.

Weiße Weihnachten auf Mallorca – das wünschen sich nicht nur die Deutschen. Zumindest etwas Regen darf es auf der Insel sein, sonst haben die ehrenamtlichen Helfer des Wetterdienstes nichts zu tun.

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