"Den Preis zahlen wir alle": Wie Mallorca mit der großen Zahl von Urlaubern umgehen sollte

Der Journalist Armando Pomar, der jetzt für seine Doktorarbeit über das Phänomen des Overtourism ausgezeichnet wurde, über die Folgen des Booms, Party-Urlauber und den Spielraum der Politik

Am Strand auf Mallorca.

Am Strand auf Mallorca. / Simone Werner

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Eigentlich ist Armando Pomar schon in Rente. Doch der Radiojournalist hat weiter eine wöchentliche Sendung beim öffentlichen Rundfunk RTVE, und auch die Entwicklungen im Tourismus auf den Balearen beschäftigen ihn intensiv. Seine Doktorarbeit „Analyse und Hintergründe der turismofobia. Der Fall Palma“ wurde jetzt als beste Arbeit des Jahres an der Balearen-Universität ausgezeichnet.

2023 kamen 17,8 Millionen Urlauber auf die Balearen, ein neuer Rekord. Wie interpretiert der Autor einer Overtourism-Studie diese Zahlen?

Es werden in Zukunft noch mehr Urlauber kommen, wenn sich die kriegerischen Konflikte in Europa nicht verschärfen sollten. Aber dafür bezahlen wir auch einen Preis.

Im Titel Ihrer Doktorarbeit sprechen Sie von „turismofobia“. Aber Sie selbst sagen, dass der Begriff das Phänomen nicht genau trifft.

Wir haben es mit einer Touristifizierung zu tun. Das Phänomen beschreibt die Reaktionen von Einwohnern touristischer Zonen, die von der massiven Ankunft von Urlaubern negativ betroffen sind. Von Ausnahmen abgesehen sagt niemand auf Mallorca, dass er keine Urlauber will. Aber immer mehr Menschen sind besorgt über den Preis, den wir alle dafür zahlen, während die Gewinne nur den Unternehmern der Branche zugutekommen.

Inwiefern?

Je mehr Urlauber kommen, desto teurer wird es für die Allgemeinheit. Energie- und Wasserverbrauch nehmen zu, es fällt mehr Müll an, es gibt mehr Besucher in den Naturräumen, an den Stränden, es werden mehr Polizisten gebraucht. Die Kosten, die dafür anfallen, zahlen wir alle durch unsere Steuern. Die Einnahmen fließen aber nur der Branche zu.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Nicht nur ich, auch die Welttourismusorganisation weist auf die Probleme hin, die an jedem stark nachgefragten Reiseziel der Welt zu beobachten sind. Die Gewinne müssen umverteilt werden, in erster Linie in Form der Gehälter. Die Unternehmen müssen zudem in die betroffenen Gebiete investieren. Wenn also eine deutsche Firma hier Mietwagen verleiht, sollten die Gewinne nicht nach Deutschland abfließen. Drittens: Es dürfen keine Entscheidungen in der Tourimuspolitik getroffen werden, ohne dabei immer auch die Residenten einzubeziehen. Sie müssen an der Debatte beteiligt sein und sich einbringen können, und zwar hier genauso wie im Fall der Gentrifizierung in Berlin.

Armando Pomar ist trotz Rente weiter auf Sendung.   | FOTO: MANU MIELNIEZUK

Armando Pomar ist trotz Rente weiter auf Sendung. | FOTO: MANU MIELNIEZUK / Frank Feldmeier

Haben Sie den Eindruck, dass dies unter der aktuellen Landesregierung möglich ist?

Das ist kein parteipolitisches Problem. Linke wie rechte Regierungen haben versucht, die Probleme zu lösen. Die Balearen dürften weltweit eine der Tourismusregionen mit den meisten Gesetzen hinsichtlich Limits und Umweltschutz sein. Die Insel waren auch europaweit Vorreiter bei der Beschränkung der so lukrativen Ferienvermietung. Alle versuchen, die Probleme zu lösen, aber es gelingt nicht. Warum nicht? Wir haben so viel Werbung gemacht, und die knapp 18 Millionen Besucher auf den Balearen posten nun Fotos von den Orten, die sie entdeckt haben, in ihren sozialen Netzwerken. Der Rest der Welt sieht nun auch, wie schön Mallorca ist. Also nichts wie hin! So kommt es, dass sich an jedem Tag im August die Zahl der Bewohner verdoppelt. Die Insel ist dafür aber nicht ausgelegt.

Was also tun?

Man kann natürlich niemanden verbieten, hierherzukommen, die Freizügigkeit ist ein hohes Gut. Wenn eine Familie eine Woche Urlaub auf Mallorca verbringen will, hat sie nicht nur alles Recht dazu, es muss auch zu einem bezahlbaren Preis möglich sein. Wenn Mallorca immer teurer wird, nehmen wir den Menschen mit mittleren oder niedrigen Einkommen ihr Recht auf Urlaub. Das ist der andere Aspekt, der auch zur Debatte gehört.

Mallorca-Urlauber im Südwesten der Insel nahe Sant Elm.

Mallorca-Urlauber im Südwesten der Insel nahe Sant Elm. / Cati Cladera/Efe

Wo ließe sich dann bei der Regulierung ansetzen, wenn nicht über den Preis?

Das können wir am Beispiel Formentera sehen, die Insel beschränkt die Zufahrt von Privat-Pkw. Auf Mallorcas Straßen sind täglich 100.000 Urlauber in ihren Autos unterwegs. Hier könnte man beispielsweise ansetzen.

Sie fordern, dass Mallorca die Nachfrage aktiv steuern sollte, statt nur die Folgen zu erleiden.

Das ist leicht und schwer zugleich. Viele Hoteliers füllen weiterhin ihre Häuser über die Reiseveranstalter, weil sie damit wenig Arbeit haben, aber trotzdem gut verdienen. Viele von ihnen leben heute in New York. Die Lösung wäre also, dass ein Hotelier selbst die Preise und die Zielgruppe bestimmt und etwa keine jungen Partyurlauber annimmt. Das größte Problem haben wir derzeit nicht mit ausländischen, sondern mit spanischen Jugendlichen.

Magaluf poliert sein Image auf, auch die Playa de Palma versucht es. Wenn alle auf Qualitätstourismus setzen, haben wir dann nicht erst recht ein Umweltproblem? Bedeutet mehr Luxus nicht noch mehr Ressourcenverbrauch?

Ich glaube, Mallorca benötigt mehr Qualitätstourismus. Diese Zielgruppe stellt höhere Ansprüche an die Nachhaltigkeit und verlangt lokale Produkte – anders als im Zwei-Sterne-Hotel, das am Buffet importiertes Fleisch anbietet. In Palmanova zum Beispiel gibt es trotz Investitionen weiter billige Apartmenthotels, wo in der Lobby Alkohol verkauft wird. Den balearenweit 400.000 Hotelbetten stehen im Winter nur elf, im Sommer nur 20 Inspektoren gegenüber. Wie will man das kontrollieren?

Ist die Regierung überhaupt Akteur oder nur Getriebener der Entwicklung?

Der Markt ist frei. Keine Regierung agiert wirklich interventionistisch, auch nicht die Sozialisten. Die Tourismusindustrie folgt den Regeln von Angebot und Nachfrage. Die Probleme, die daraus resultieren, muss aber sehr wohl die Politik lösen, vom Wasser über den Müll bis hin zur Gesundheitsversorgung.

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