Anmachversuche, unechte Makler und versteckte Kameras: Was einen bei der Wohnungssuche auf Mallorca erwartet

WG-Zimmer für 999 Euro? Die harte Realität der Wohnungssuche auf Mallorca. Ein Erfahrungsbericht

Wer nicht schnell genug auf Anzeigen reagiert, verliert.

Wer nicht schnell genug auf Anzeigen reagiert, verliert. / Velazquez

Simone Werner

Simone Werner

Vor über eineinhalb Jahren bin ich mit meinem Freund in eine neue Wohnung gezogen. Damals war das Letzte, woran ich gedacht habe, dass ich mich schon bald wieder auf die Suche nach einer neuen Bleibe machen muss. Und jetzt ist sie da, diese Situation, die absurder kaum sein könnte. Gehen wir noch ein paar Monate zurück im Kalender: Im Herbst 2022 posierten mein Freund und ich zu Hause für ein Foto. Es sollte als Symbolbild für eine Geschichte in einer katalanischsprachigen Wochenzeitung herhalten. Thema: Paare, die wegen der hohen Preise und des angespannten Mietmarktes trotz Trennung weiter zusammen wohnen.

Wenn die Foto-Situation zur Realität wird

„Absurd. Wer bringt denn so etwas übers (gebrochene) Herz?“, haben wir uns damals wohl beide gefragt. Kein Jahr später ist das, was auf dem Foto zu sehen ist, Realität geworden. Wir haben uns getrennt. Sogar die Raumaufteilung stimmt auf dem Foto: Ich schlafe fortan allein im Schlafzimmer, mein Ex auf der Schlafcouch im Zimmer nebenan. So zerstritten wie auf dem Foto sind wir nicht. Trotzdem will ich, sobald es geht, raus aus seiner Wohnung.

Das Symbolfoto, das im Herbst 2022 entstanden und nun Realität geworden ist.

Das Symbolfoto, das im Herbst 2022 entstanden und nun Realität geworden ist. / Isaac Buj

Ganz schlechtes Timing

Schon am Tag nach der Trennung mache ich mich auf die Suche nach einer Bleibe. Schlechter hätte das Timing dafür wohl kaum sein können. Es ist April. Die Sommersaison steht bevor. Heißt: Neben Tourismusangestellten kommen auch Menschen, die ihr Büro für einige Wochen auf die Insel verlegen. Wo sollen sie alle, oder besser: wir alle, unterkommen? Die Medien, auch wir, schreiben, dass Hotels teilweise ihren eigenen Angestellten Zimmer anbieten müssen. Ich bin keine von ihnen, also schaue ich über den herkömmlichen Weg.

WG-Zimmer für 999 Euro

Erste Anlaufstelle: das Portal Idealista. Bei der Suche nach WG-Zimmern in dem Viertel, in dem wir aktuell wohnen (zwischen Santa Catalina und Son Armadams), traue ich meinen Augen nicht. 999 Euro für ein Zimmer in einer 4er-WG, 750 Euro für ein anderes in einer 3er-WG. Hat sich da wer im Preis vertan? Nein. Aber ich sollte beim Preis-Filter wohl besser eine Maximalgrenze eingeben. Das hatte ich vergessen. Also: 650 Euro. Kein einziger Treffer mehr. Auch in anderen Vierteln ist die Lage mau. Und Einzimmerwohnungen braucht man mit diesem Budget erst gar nicht zu suchen. Trennungsschmerz hin oder her: Ich beschließe, trotzdem nicht ins nächstbeste Zehn-Quadratmeter-Zimmer zu ziehen. Eine riesige WG soll es auch nicht sein. Ich schreibe zig Nachrichten, rufe an. Niemand, wirklich niemand antwortet.

20 dauerhaft geöffnete Tabs auf dem Computer

Gut, dass es noch Fotocasa, pisos.com, wg-gesucht.de, Badi, Habitaclia, Milanuncios, pisocompartido.com und Facebook gibt: Von jetzt an sind es 20 geöffnete Tabs auf meinem Computer. Ich aktualisiere sie jede Stunde. Die Apps der Portale habe ich mir zudem auf mein Handy geladen. So kann ich auch unterwegs schauen. „Tu dich mit einer Freundin zusammen. So könnt ihr für 1.200 Euro etwas Gutes finden“, rät mir eine befreundete Maklerin. Also gut. Nur sucht keine meiner Freundinnen gerade eine Wohnung. Dafür aber zig andere Mittzwanziger und -dreißiger. Da wird schon jemand Passendes dabei sein.

Wer zur Besichtigung eingeladen werden will, muss schnell sein.

Wer zur Besichtigung eingeladen werden will, muss schnell sein. / ISMAEL VELAZQUEZ

Doch kein Jackpot

Vor sieben Minuten ist eine Wohnung in Camp d’en Serralta eingegangen. 1.100 Euro kalt, unmöbliert, der Kühlschrank und die Waschmaschine fehlen, dafür sind die Räume auffällig lichtdurchflutet. Ich erreiche den Anbieter, der sich mir als Makler mit dem Namen Mateu Colom* (Name von der Redaktion geändert, Anm. d. Red.) vorstellt. Seine Fragen kenne ich längst auswendig: Arbeitsstelle? Vertragsart? Gehalt? Wer will langfristig mit einziehen? Ich sage ihm, dass ich bei der deutschen Ausgabe der spanischen Zeitung „Diario de Mallorca“ arbeite. Er gibt mir einen Termin für übermorgen. Jackpot. Ich kann es kaum glauben.

Ganz schön alt für einen Makler

Fast pünktlich kommt er, mit einem „Diario de Mallorca“ unter dem Arm an. Die Wohnung beeindruckt mich sofort. Mateu Coloms mitgebrachte Liste mit rund 60 Telefonnummern von weiteren Kandidaten aber auch. Wie realistisch sind meine Chancen? Wir plauschen, Colom fragt mich nach meinem Sternzeichen. „Typisch Spanier“, denke ich und gebe nicht viel auf seine Kommentare dazu. „Wie ich sehen würde, dass ich Leuten vertrauen kann“, will der überdurchschnittlich alte, geschätzt 80 Jahre alte Makler von mir wissen. „Ich versteh die Frage nicht, Mateu.“ Er fasse eher übers Anfassen Vertrauen. „Darf ich dir zwei Küsschen geben?“ Ich verziehe erschrocken mein Gesicht, sage aber erst einmal nichts, da ist es schon wieder vorbei. Küsschen links, Küsschen rechts. Danach streicht mir Mateu Colom noch zärtlich über den Arm.

Erst das Geld, dann die Empfehlung

Meine in der Zwischenzeit gefundene mallorquinische Auserwählte und ich hätten gute Karten, betont er wiederholt. Wir sollen ihm aber 1.100 Euro zahlen. Nur dann könne er uns bei der in Barcelona lebenden Besitzerin vorschlagen. Mein Misstrauen wächst. Er gibt mir eine Visitenkarte von sich. Weil ich ein seltsames Gefühl habe, fotografiere ich mit meinem Handy unauffällig seine Kandidatenliste ab. Ein klassischer Betrug scheint es nicht zu sein. Die Wohnung gibt es ja, und den Schlüssel dafür hatte Colom auch. Also recherchiere ich.

Quasi unauffindbar im Netz

Sein Name ist im Netz quasi nicht zu finden. Genauso verhält es sich mit seiner angeblichen Immobilienagentur. Nur einen uralten LinkedIn-Eintrag gibt es. Und: An der auf der Visitenkarte angegebenen Adresse ist laut Google eine ganz andere Immobilienagentur ansässig. Ich rufe dort an. Die Maklerin, mit der ich wegen einer anderen Wohnung schon in Kontakt war, ist sehr verwundert. Eine weitere Immobilienagentur gebe es dort nicht, versichert sie mir. Es könne aber sein, dass ein älterer Mann, der vor Jahren mal im Immobiliengeschäft tätig war, dort wohne.

Mateu Colom löchere ich unterdessen per WhatsApp unauffällig mit ein paar Fragen. Die ganze Sache lässt mich nicht mehr los: „Wie kommt es, dass du gar keine Website hast? Suchst du nur Mieter für die eine Wohnung?“, will ich wissen. „Nur für die, die mir Bekannte geben“, schreibt er. Ob die 60 Telefonnummern frei erfunden waren, frage ich mich und rufe stichprobenartig bei einer an. Ein Vicente meldet sich und bestätigt mir, dass er die Wohnung gesehen hat. Sonst sei ihm nichts komisch vorgekommen.

Doch kein Makler?

Ich kann es Mateu Colom nicht nachweisen. Mein Fazit ist aber: Er ist eine Privatperson, gibt sich als Makler aus, obwohl er keiner (mehr?) ist. So kann er die Kaution einheimsen, die im April noch der Mieter, später laut neuem Wohnraumgesetz der Vermieter zahlen muss. Unterschrieben hat, das erfahre ich wenige Tage später von ihm, ein Arzt. Egal: Schon bei dem Gedanken an Coloms’ Annäherungsversuche denke ich mir: „Hier hätte ich keine ruhige Nacht gehabt.“

Kamera und Ferienvermietung

Parallel habe ich im selben Viertel ein Zimmer in einer 2er-WG ausfindig gemacht. Der Vermieter, ein Kolumbianer, wolle bloß keine Party, sondern jemand Ruhiges. Klingt gut. Als ich tagsdrauf auf seinem Sofa sitze, ist das Erste, was er mir eröffnet, dass im Juni, Juli, August und vielleicht noch darüber hinaus, jede Woche teils zwei Urlauber in einem dritten Zimmer schlafen würden. Danach sei aber Schluss mit der (illegalen) Ferienvermietung. Als er den Satz gerade zu Ende gesprochen hat, kommen zwei britische Mädchen herein: „Hey guys. What’s up?“, begrüßen sie uns. Falscher Film. Wöchentlich wechselnde Mitbewohner sind das Letzte, was ich suche. Da ist die Tochter des Kolumbianers, von der ich bisher nichts wusste, noch das geringste Problem. Sie komme jeden Sommer sechs Wochen.

Als mein Blick durchs Wohnzimmer schweift, entdecke ich eine Kamera. „Hast du eine Kamera aufgestellt?“, frage ich den Mitte Dreißigjährigen. „Ja. Ich habe eine PlayStation5, und da hier ständig Leute ein- und ausgehen, will ich auf Nummer sicher gehen. Keine Sorge, wenn du hier einziehst, baue ich sie ab.“ Ich traue der Sache nicht.

Entweder das Angebot fehlt oder ein Mitbewohner.

Entweder das Angebot fehlt oder ein Mitbewohner. / ISMAEL VELAZQUEZ

Auf Freundinnen-Suche

Mittlerweile bin ich mit einem neuen potenziellen Mitbewohner in Kontakt. Aus der Mallorquinerin wurde nichts. Sie steht auf Altbauwohnungen, ich schwöre hingegen auf Climalit-Fenster. Nennen wir den Neuen Ricardo. Er sucht auf Milanuncios nach einem Mitbewohner, um gemeinsam etwas zu mieten. Nach ersten Gesprächen habe ich ein gutes Gefühl, mache Besichtigungen aus. Den Maklern erzähle ich, ich will mit einem Freund einziehen.

Pärchen werden bevorzugt

Ricardo ist die Sache schlauer angegangen: Da Pärchen bei den Eigentümern offenbar besser gesehen sind, kündigt er mich direkt als seine Freundin an. Vermieter gehen davon aus, dass Pärchen länger zusammenleben als Freunde. Das kann ich aktuell so gar nicht bestätigen. Ich hasse Lügen, aber irgendwann geht mir der Satz „Ich suche zusammen mit meinem Partner“ dann doch gut über die Lippen.

Zwei Besichtigungstermine

Nach zwei Wochen Hin und Her haben wir für Freitag zwei Besichtigungen ausgemacht. Ricardo habe ich bisher noch nicht persönlich getroffen. Am Donnerstag soll der große Tag sein. Wir sind in einer Bar verabredet, verstehen uns auf Anhieb gut. Er erzählt mir, dass er Deutsch lernt und schon zwei deutsche Freundinnen hatte. Außerdem tanzt er auch Salsa und Bachata. Klingt nach einem zu mir passenden Mitbewohner.

„Morgen bei der Besichtigung muss aber authentisch herüberkommen, dass wir ein Pärchen sind“, sagt er, bevor wir uns verabschieden. Was meint er? „Na ja, ich werde dann schon deine Hand nehmen oder dir einen Kuss geben.“ Ich lache los und winke ab. Mit meinem damaligen (richtigen) Freund habe ich schließlich auch ohne das ganze Theater eine Wohnung bekommen.

Mitbewohner- oder Partnersuche?

Noch nicht einmal wieder zu Hause angekommen, sehe ich mehrere WhatsApp-Nachrichten von Ricardo auf meinem Handy. Er müsse mir noch etwas sagen, sei eben zu schüchtern gewesen. „Schieß los“, fordere ich ihn auf. Er habe sich sehr, sehr wohlgefühlt mit mir und würde mich gern bei weiteren Drinks besser kennenlernen, auch über das Wohnungsprojekt hinaus – am besten jetzt gleich. „Bitte, was?“, denke ich mir. Ich kann’s nicht fassen, nach einem nur zweistündigen Kennenlernen. Wie soll ich bis morgen um 10 Uhr einen Ersatz für die Besichtigung finden, und wie bitte erkläre ich das der Maklerin? Nachdem ich Ricardo einen Korb gegeben habe – vom Regen in die Traufe zu kommen, ist keine gute Idee –, hat er meine Nummer nur drei Sekunden später blockiert. „Immerhin kam seine Ansage noch rechtzeitig“, denke ich mir.

Wenn die Idealista-App zum täglichen Begleiter wird.

Wenn die Idealista-App zum täglichen Begleiter wird. / ISMAEL VELAZQUEZ

Zweigleisig Fahren

Mein Zwischenfazit: Einen interessierten Mitmieter zu haben, reicht nicht. Man sollte immer direkt einen zweiten in petto haben. Zu hoch ist die Abspringer-Quote. Ich versuche, die Suche mit Humor zu nehmen. Sehe ich in einer Anzeige etwas Kurioses oder bekomme ich eine seltsame Nachricht, fotografiere ich sie ab. Das werden Erinnerungen. „Ich bin die Mutter von Elias. Kannst du dich bitte bei mir melden, wenn du eine Wohnung gefunden hast? Ich habe zwei Kaninchen (ist das ein Problem?)“, meldet sich eine Frau auf mein Gesuch auf Idealista. Will ich mit einem Jungspund zusammenleben, der es nicht einmal auf die Reihe bekommt, sich selbst bei mir zu melden? Nein. Schmunzeln muss ich dennoch – auch später immer wieder.

Homeoffice-Arbeiter ungerne gesehen

„Tagsüber befinde ich mich viel am Schreibtisch und suche daher jemanden, der nicht viel zu Hause ist. In der Wohnung leben auch eine Katze und ein Hase. Auch der Hase läuft frei rum. Selbstverständlich ist er stubenrein. Ich hoffe, du auch?“, schreibt eine Frau auf der Plattform wg-gesucht. Auch ein anderes Zimmer, das ich finde, schaue ich mir besser gar nicht erst vor Ort an. So tierlieb bin ich dann doch nicht. „In der Wohnung leben sechs Katzen. Sie sind die wirklichen Chefs des Hauses“, lautet die Ansage.

„Vegetarierin oder am besten Veganerin“ bin ich zwar auch nicht, aber von einem anderen Anzeigentext fühle ich mich dann doch kurz angesprochen: „Gesucht wird eine Frau britischer, nordamerikanischer, deutscher, französischer, Schweizer oder österreichischer Herkunft. So können wir zusammen unsere Fremdsprachen-Kenntnisse verbessern. Im Mietpreis ist eine Stunde Spanisch pro Woche enthalten.“ Wäre die Wohnung nicht so heruntergekommen, würde ich’s mir glatt überlegen.

Bliebe noch ein Wohnmobil

Klassiker, wie dass man das Wohnzimmer nicht mitbenutzen oder keinen Besuch (auch nicht vom Partner) haben darf, überblättre ich schon wie im Affekt. Das kommt nicht infrage. Während ich versuche, neuen Mut zu schöpfen, trudeln in einer WhatsApp-Gruppe mit 855 Mitgliedern Fotos von einem Wohnmobil ein. „Schon einmal darüber nachgedacht, in einem Wohnmobil zu leben? Freiheit, Autonomie, Unabhängigkeit: ab 600 Euro pro Monat“, steht dabei. Wer sich auf das (illegale) Angebot einlassen will, kann sich bei einem Alfredo melden. „Puh Alfredo, eigentlich müsste ich dich anzeigen“, denke ich mir. An Dreistigkeit kaum noch zu überbieten, ist aber ein anderes Angebot: Eine Frau, die mit ihrer Tochter zusammenlebt, vermietet ein Zimmer. „Nur zum Schlafen und nicht länger als sieben Tage“, so die Bedingungen. Mir reicht’s. Ich brauche eine Pause. Die Frage ist nur, ob ich sie mir leisten kann.

Kontakt mit der Autorin aufnehmen:

Hinweise zu Wohnungen in Palma oder potenziellen Mitbewohnern gerne per E-Mail an: simone@mallorcazeitung.es

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