An diesem Wochenende (4.5./5.5.) zeigt sich die neue Eskalation im Streit um die Inselsprache auf Mallorca auch im Straßenbild: Mehr als 60 Vereinigungen haben dazu aufgerufen, sich an der Diada per la Llengua zu beteiligen, einer Aktion, mit der Flagge gezeigt werden soll für die katalanische Sprache im öffentlichen Leben auf Mallorca und gegen die Sprachpolitik der konservativen Landesregierung auf den Balearen.

So wird auf Drängen der Rechtspartei Vox - sie ist nicht Teil der Regierung, ihre Stimmen benötigt aber die Volkspartei (PP) im Balearen-Parlament für eine Regierungsmehrheit - Katalanisch in der öffentlichen Verwaltung und im öffentlichen Schulwesen zurückgedrängt. Geplant ist für Sonntag (5.5.) eine Protestaktion im Zentrum von Palma, bereits seit Mittwoch (1.5.) wird beim Correllengua symbolisch eine Fackel von Ort zu Ort getragen.

Die Inselsprache verteidigen: Aufruf zum Protest in Palma. Veranstalter

Sprachenstreit mit Tradition

Der Streit um den Stellenwert des Katalanischen schwappt in regelmäßigen Abständen hoch.

  • Mal in Zeiten der Linksregierung: Die Antich-Regierung geriet im Jahr 2008 mit der damaligen Fluggesellschaft Air Berlin aneinander, als diese die Aufforderung zu einer Katalanisch-Variante der Borddurchsagen auf Mallorca-Flügen mit einem deftigen Leitartikel des Bordmagazins konterte.
  • Mal in Zeiten der konservativen Regierung: Im September 2013 gingen in Palma rund 100.000 Menschen gegen die Politik der Bauzá-Regierung auf die Straße, um gegen ein dreisprachiges Unterrichtsmodell in den Schulen und die befürchtete Zurückdrängung des Katalanischen zu protestieren. 
  • In den acht Jahren der Linksregierung Armengol (2015-2023) blieb es vergleichsweise ruhig an der Sprachenfront. Allerdings gerieten die Sozialisten, die beim Schutz des Katalanischen einen pragmatischen Kurs fuhren, mit ihrem linken Juniorpartner Més per Mallorca aneinander, die in der Sache weniger Kompromissbereitschaft an den Tag legten.

Worum geht es jetzt? Die konservative Volkspartei (PP) hat vor dem Hintergrund des Protests gegen den damaligen Premier José Ramón Bauzá, der wohl hauptsächlich wegen dieses Konflikts bei den Wahlen 2015 die Macht verlor, kein Interesse an einem neuen Auflodern des Konflikts.

Die heutige Ministerpräsidentin Marga Prohens ist in der Inselprache geerdet. Doch die Rechtspartei Vox konnte im Regierungspakt von 2023 Maßnahmen für mehr Spanisch in der öffentlichen Verwaltung und in den Schulen durchsetzen, die die PP mehr oder weniger umsetzen muss, wenn sie an der Macht bleiben will. Vox will sogar eine eigene Behörde, die über die "Sprachfreiheit" wacht.

Drei ideologische Schlachtfelder

Ein ideologisches Schlachtfeld ist das Schulwesen. Geplant ist, zum neuen Schuljahr die jahrzehntelang bestehende Sprachregelung in den Klassenzimmern der öffentlichen und halbstaatlichen Schulen zu kippen, wonach die vorherrschende Unterrichtssprache Katalanisch ist. Die jetzigen Pläne sehen vor, die Eltern wählen zu lassen, in welcher Sprache ihre Kinder unterrichtet werden sollen.

Die freie Sprachwahl soll zunächst nur für Kinder gelten, die im September ihren Bildungsweg beginnen, sowie für die gesamte Grundschule. Die Eltern können die Unterrichtssprache in den Fächern Mathematik, Geografie/Geschichte sowie in einer der Fächer Biologie/Geologie, Physik/Chemie oder Technologie wählen. Für Sprachschützer ist dies ein Affront, gilt doch die Schule angesichts des allgegenwärtigen Spanisch im öffentlichen Leben mit als wichtigste Voraussetzung, dass die Inselsprache lebendig bleibt.

Allerdings ist noch längst nicht ausgemacht, inwieweit die freie Sprachwahl in der Praxis überhaupt möglich ist: Die Landesregierung hat es den Schulen freigestellt, an der Reform teilzunehmen - ein Großteil der Lehrerschaft ist dagegen.

Bereits umgesetzt wurde mit einem Beschluss im vergangenen Jahr die Abschaffung der Katalanisch-Pflicht im öffentlichen Gesundheitssystem. Die konservative Balearen-Regierung verweist auf die Notwendigkeit, qualifiziertes medizinisches Fachpersonal auf die Insel zu locken und halten zu können. Zudem gebe es immer Mitarbeiter vor Ort, mit denen sich Patienten auf Katalanisch verständigen und so von ihrem Sprachenrecht Gebrauch machen könnten. Diesen Argumenten halten Sprachschützer entgegen, dass es zahlreiche rein spanischsprachige Regionen im Land gebe, die genau das gleiche Problem des Fachkräftemangels wie die Balearen hätten. Auf den Inseln seien vor allem die Lebenshaltungskosten und der Wohnraummangel abschreckend.

Ein drittes ideologisches Schlachtfeld ist die öffentliche Verwaltung, auch hier soll nach Lesart von Vox mehr Sprachfreiheit gelten. Im Rathaus von Palma etwa wurde das Regelwerk zum Gebrauch von Spanisch und Katalanisch in der kommunalen Verwaltung geändert. Hatte zuvor bei der Kommunikation mit den Bürgern die Inselsprache Vorrang, soll nun Information auf Katalanisch und Spanisch gleichermaßen angeboten werden. Hier lautet das Gegenargument, dass der Schutz der Inselsprache, die in vielen gesellschaftlichen Bereichen benachteiligt sei, nicht zum Spielball de jeweiligen parteipolitischen Machtverhältnisse werden dürfe.

Aufruf zum Correllengua in Sa Pobla. Tonina Crespí

Immer neue Zwischenfälle und Zankäpfel

Zu diesen lodernden Konflikten kommen beständig neue Zwischenfälle hinzu. So wurde im Februar bei einem Fußballspiel ein Trainer von der Schiedsrichterin vom Platz gestellt, weil er Katalanisch gesprochen habe.

Mehr als eine Anekdote war auch die spanienweite kontroverse Debatte, nachdem sich die Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez, ihr Koalitionspartner Sumar und die nationalistischen Parteien darauf verständigt hatten, bei den Debatten im spanischen Parlament neben Spanisch auch den Gebrauch von Katalanisch, Baskisch oder Galicisch zuzulassen.

Zuletzt sorgte die Entscheidung des spanischen Königshauses für Entrüstung, der „Acadèmi de sa Llengo Baléà“ königlichen Rang zu verleihen, obwohl diese die als unwissenschaftlich geltende These einer eigenen balearischen Sprache vertritt.

Was ist Katalanisch überhaupt?

Dazu muss man wissen: Mallorquinisch, Menorquinisch oder Ibizenkisch sind Dialekte des Katalanischen, das im Gegensatz zum Spanischen (castellano) ohnehin sehr uneinheitlich ist. Die Sprachwissenschaft unterscheidet zwei große Dialektgruppen. Das Westkatalanische (català occidental ) wird in etwa zwischen Andorra im Norden und Murcia im Süden gesprochen. Der Rest des Sprachraums, also der östliche Teil von Katalonien sowie die Balearen und der südöstliche Teil Frankreichs, wird dem Ostkatalanischen (català oriental ) zugerechnet. Die Unterteilung beruht vor allem auf der unterschiedlichen Aussprache. Daneben gibt es zudem eine Menge Wörter, die sich zwar von Region zu Region und von Insel zu Insel unterscheiden, aber als verschiedene Varianten allesamt im Katalanischen als richtig anerkannt sind.

Eine wichtige Rolle im Konflikt spielt zudem der historische Umstand, dass die katalanische Sprache während des Franco-Regimes (1939-1975) im öffentlichen Leben verpönt war. Die Sprache blieb zwar im privaten Umfeld lebendig. Die heute ältere Generation der Mallorquiner lernte Katalanisch aber nicht in der Schule und kämpft so etwa mit Rechtschreibproblemen. Die große Zahl spanischsprechender Einwanderer vom Festland oder aus Lateinamerika ist heute ebenso eine Herausforderung für die Inselsprache wie der Umstand, dass in den Medien und sozialen Netzwerken Spanisch dominiert.

Pünktlich zum Protest an diesem Wochenende gegen die Zurückdrängung des Katalanischen hat die Rechtspartei Vox noch einmal nachgelegt: Die "balearische Sprache" solle anstelle von Katalanisch in der Landesverfassung verankert werden. Die regierende Volkspartei hat bereits klargestellt, dass dies mit ihr nicht zu machen sei. Man könne dem Juniorpartner aber nicht verbieten, sich dafür auszusprechen.