Was hat es mit der Kehrtwende der Konservativen in Sachen Tourismus-Politik auf sich?

Jahrelang wollten die Konservativen auf den Balearen nichts von Overtourism hören. Jetzt sprechen plötzlich auch sie von nötigen Limits im Urlaubergeschäft

Kampagne der Konservativen 2018: We love tourism.

Kampagne der Konservativen 2018: We love tourism. / B. Ramon

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Ein geradezu spektakulärer Kurswechsel der regierenden konservativen Volkspartei (PP) in der Tourismuspolitik verblüfft dieser Tage viele auf Mallorca – allen voran die Opposition, aber auch große Teile der Bevölkerung. Waren bislang von der PP praktisch keine tourismuskritischen Stimmen zu hören, scheint man sich bei den Konservativen recht spontan auf eine neue Lesart geeinigt zu haben. Plötzlich ist die Rede von „Limits“.

Den Anfang machte am Mittwoch (9.5.) die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens persönlich. Die 41-Jährige erklärte, dass das Tourismusmodell auf den Inseln „an eine Grenze gekommen“ ist. „Diese Regierung hat verstanden, dass man nicht weiter wachsen kann“, sagte Prohens. Sie spreche nicht von einem kompletten Wechsel des Wirtschaftsmodells, „denn das Modell ist das, was es ist“. Aber „ohne Zweifel“ sei ein Limit erreicht.

Neue Beschränkungen

Nachdem das Problem bekannt und benannt war, ging es die Tage danach darum, wie gegen die Massifizierung angegangen werden soll. Ein Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, sieht eine mögliche Beschränkung der Fahrzeuge in besonders überlaufenen Gebieten vor, etwa die Gegend um Sóller. Dort waren rund um den Brückentag am 1. Mai kilometerlange Staus registriert worden, die Anwohner protestierten gegen den Verkehrskollaps. Prohens wollte nicht ausschließen, bereits diesen Sommer Beschränkungen einzuführen.

Nur zwei Tage später legten die Konservativen im Inselrat nach und kündigten an, die Zahl der erlaubten Gästebetten auf den Inseln reduzieren zu wollen. Noch vor genau einem Jahr hatte Galmés angesichts eines vergleichbaren Manövers der vorherigen Linksregierung geschimpft wie ein Rohrspatz. Die Pläne des Inselrats sehen nun erstmals eine Reduzierung der Obergrenze der erlaubten Gästebetten vor, nämlich um 4,2 Prozent. Galmés erklärte, dass von derzeit erlaubten 430.000 Gästebetten in Zukunft noch 412.000 Betten erhalten bleiben sollen. Dies sei die Zahl der derzeit genutzten Gästebetten. Das bedeute einen Verlust von 7.000 Betten bei den Hotels und 11.000 Betten in der privaten Ferienvermietung.

Wiederum nur drei Tage später dann die nächste unerwartete Nachricht: Die Balearen-Regierung will entgegen der Ankündigungen vor der Wahl im Mai 2023 zumindest in diesem Jahr doch nicht das Moratorium für Gästebetten aufheben, das die Linksregierung verabschiedet hatte. Die Fraktionssprecherin der PP im Balearen-Parlament, Marga Durán, schloss eine Aufhebung dieses Jahr aus. Allerdings sei die PP weiterhin willens, das Moratorium in dieser Legislaturperiode zu kippen.

Darüber hinaus wurde bekannt, dass die Landesregierung die derzeitige Vereinbarung mit den Reedereien über ein Limit der Anläufe von Kreuzfahrtschiffen verlängern will. Zuvor war die Rede davon gewesen, dass die Regelung in der Nebensaison flexibler gestaltet werden könnte. Laut der Selbstverpflichtung der Reedereien dürfen maximal drei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen von Palma festmachen.

Wie kam es zur Kehrtwende?

Wie es bei der PP zu der Kehrtwende in der Bewertung des Tourismus kam, darüber lässt sich spekulieren. Eine mögliche Erklärung ist der zunehmende Unmut über die Auswirkungen des Massentourismus, der sich in der Bevölkerung breitgemacht hat. So haben Aktivisten angekündigt, bei einer Versammlung am Freitag (17.5.) über einen Termin für eine Großkundgebung auf Mallorca zu sprechen.

Das Kollektiv „Banc de Temps Sencelles“ hat bereits zu einer Demonstration aufgerufen: für Samstag (25.5.) um 19 Uhr auf der Plaça d’Espanya in Palma. Die Volkspartei scheint sich Sorgen zu machen, dass die Stimmung auf den Inseln dem Tourismus gegenüber auf breiter Front umschlagen könnte, und dürfte zu verhindern versuchen, dass nach der Demonstration für die katalanische Sprache mit mehreren Tausend Teilnehmern Anfang Mai eine weitere Front droht. Eine Großdemo gegen den Tourismus, ähnlich wie auf den Kanaren, wäre aus Sicht der PP weder förderlich für das Bild von Mallorca als Urlaubsparadies, noch für die Regierungsstabilität.

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