„Man kommt nicht als Urlauber nach Mallorca, sondern bekommt mit, wie die Menschen hierzulande arbeiten und leben", schwärmt Leif Johannsen über das Mobilitätsprogramm Erasmus+. Nicht nur während der Arbeitszeit, auch in den Pausen konnte er seinen persönlichen Horizont erweitern. „Ich erinnere mich, dass ich die Gerichte, die ich in der Kantine des Betriebs oder bei Restaurantgängen mit den Kollegen gegessen habe, größtenteils noch gar nicht kannte." Zweimal war Johannsen im Rahmen des EU-Programms einige Wochen lang im Filmstudio Palma Pictures tätig - zuletzt im Mai 2018. Und diese internationale Erfahrung ist nun in seinen Bewerbungsgesprächen für das duale Studium Elektrotechnik in Deutschland gut angekommen.

Die Idee des Programms: Auszubildende sollen neben ihrer Routine aus Berufsschule und Arbeit auch in Betriebe im Ausland hineinschnuppern, die dort üblichen Arbeitsweisen sowie eine neue Sprache und die Kultur des Landes kennenlernen. Die Berufsschule in Rendsburg in Schleswig-Holstein etwa schickt schon seit 15 Jahren jedes Jahr einige ihrer 3.200 Schüler ins europäische Ausland. In diesem Jahr dürfen 20 Schüler nach Helsinki, zehn nach Budapest und 33 nach Mallorca. Zwischen dem 8. und 28. September bekommt die Schülergruppe auf der Insel einen Einblick in elf Berufssparten: Kelteranlagenbauer, Fleischer, Tischler, Friseur, Raumausstatter und Industriemechaniker. Die Betriebe werden von den seit acht Jahren mit der Schule in Rendsburg kooperierenden Berufsschulen IES Politècnic, IES Son Rullan, IES Pau Casesnoves in Inca und IES Llucmajor ausfindig gemacht.

Auch für Lisa Heckhoff fand Betreuungslehrer Marko Krahmer einen solchen Platz, in einem Sattler-Betrieb in Palma. „Ohne das Programm hätte ich jetzt keine abgeschlossene Ausbildung", erzählt Heckhoff. Die 21-Jährige ist ein besonderer Fall des Programms Erasmus+. Nachdem ihr im dritten Lehrjahr in Deutschland - nicht rechtens, wie sie sagt - gekündigt worden war, stand sie ohne Abschluss da. Über die Handwerkskammer Flensburg bot Endrik Ostendorp, Sattler- und Raumausstattermeister in Palma, ihr dann an, ihre Ausbildung in Kooperation mit seinem Betrieb zu beenden. Schon seit über vier Jahren nimmt er Schüler der Berufsschule Rendsburg auf.

Zwischen Februar und Juni 2018 flog Heckhoff also immer wieder zwischen Palma und ihrer Berufsschule in Deutschland hin und her. Rund 3.000 Euro bekam sie von der EU für Flüge, Unterkunft und Verpflegung. Im Juni legte die 21-Jährige dann ihre Gesellenprüfung in Deutschland ab und flog direkt danach wieder nach Palma. „Mir war schon im ersten Monat klar, dass ich langfristig auf der Insel leben wollte", so die Deutsch-Ecuadorianerin. Schon vor sieben Jahren wollte sie mit ihrer Familie auf die Insel auswandern. Durch das Erasmus-Praktikum sei die Erinnerung an das Vorhaben wieder geweckt worden. Nun konnte sie endgültig auswandern.

Unter anderem die Arbeitszeiten hierzulande kämen ihr sehr viel mehr entgegen als in Deutschland. „Dort musste ich schon um

6 Uhr antreten. Um diese Uhrzeit hat auf Mallorca nicht einmal der Bäcker ums Eck geöffnet", erzählt Heckhoff, die mittlerweile in einem anderen Betrieb als Sattlerin arbeitet.

Im Gegensatz zur Deutsch-Ecuadorianerin konnte Johannsen vor seinen Praktika kaum Spanisch. Dem Elektroniker halfen allerdings schon die wenigen Wochen, die er auf der Insel verbrachte, sehr dabei, seine Grundkenntnisse zu verbessern, wie er sagt. „Die Mitarbeiter des Studios haben mich sehr unterstützt. Wenn beispielsweise etwas auf Englisch kommuniziert wurde, haben sie mir direkt danach gesagt, wie die Gegenstände auf Spanisch heißen", so der 21-Jährige. Kenntnisse der Sprache des Ziellandes sind keine Voraussetzung, um die EU-Förderung zu bekommen. „In den Betrieben, die im Hafen von Palma sind, sprechen viele Mitarbeiter Englisch. Daneben haben wir auch viele deutsche Einrichtungen im Programm", erzählt Krahmer. Diese Info beruhige so manchen Schüler, der noch zögert, ob er am Programm teilnehmen soll.

Manche wie Lisa Heckhoff bleiben hängen. Andere wissen, dass sie in Deutschland mit seinen Arbeits- und Lebensbedingungen besser aufgehoben sind. Leif Johannsen etwa könnte sich an mallorquinisches Essen sofort gewöhnen, wie er sagt. Aber als Elektrotechniker tue er sich mit manchen provisorischen Arbeitsweisen mallorquinischer Kollegen schwer. Aus Deutschland sei er einen anderen Sicherheitsstandard gewohnt, so Johannsen: Die verknoteten und kreuz und quer frei hängenden Stromleitungen zwischen den Häusern lassen ihn immer noch schmunzeln.