Mickie Krauses Rückzugsort auf Mallorca ist ein Schneckenhaus. "Caracol" (Schnecke) steht auf einer Fliese an der Eingangspforte. In dem Bungalow direkt am Meer geht es rund zu. Zum einen, weil seine vier Kinder (15,13,11,2) in den Ferien hier leben. Zum anderen, weil der Architekt wirklich ein Schneckenhaus im Sinn hatte, als er das Gebäude in den 60er-Jahren entworfen hat. "Es gibt hier kaum eine gerade Wand", sagt Mickie Krause, als er uns empfängt. Das Haus windet sich um sich selbst, überall entstehen Ausbuchtungen, in denen die Kinder ihre Matratzen gelegt haben. Ein kleiner Turm mit Wendeltreppe schraubt sich zur Dachterrasse hoch, auch hier wurde eine Kuschelecke eingerichtet.

Der Blick fällt unweigerlich auf das Meer. Eine Blaupause, auf der Segelboote schwimmen. Eine kleine Pforte im Garten führt die paar Meter hinunter zum Strand. Die Gedanken kommen ins Schwimmen, Zikaden geben in den Pinien ihr rauschendes Konzert, das viel umschwärmte andere Mallorca ist hier so nah, man kann es fast greifen. Der politisch und mediale Lärm um den Ballermann reduziert sich wieder auf die wenigen Hundert Meter zwischen ­Bierkönig und Megapark, wo das Leben eine Showbühne mit Bierpfützen ist. Man kann verstehen, warum Mickie Krause sich 2013 dieses Haus gekauft hat.

Treue Seele

Kerzengerade sitzt er auf seinem Stuhl auf der Veranda, in der Hand ein Glas Wasser, auf dem Kopf die Perücke, ohne die Mickie Krause wieder zu Michael­ Engels wird, der vor 47 Jahren in Münsterland Wettringen (8.000 Einwohner, Nordrhein-Westfalen) geboren wurde und wo er auch heute noch ein Haus hat, in dem er die meiste Zeit des Jahres mit seiner Familie lebt. Das gleiche Dorf, in dem er 1991 seine heutige Frau kennengelernt hat. Bei einem Ferienlager. "Ich war Pfadfinderleiter, sie Teilnehmerin." Was an sich schon nicht gut angekommen sei. Dazu noch die fünfeinhalb Jahre Altersunterschied zwischen den beiden. Sie 15, er 21.

"Heute bin ich ganz froh darüber", sagt er. Am Lagerfeuer ist nicht nur der Funke zwischen den beiden übergesprungen, auch Mickie Krauses Karriere wurde hier befeuert. Der 1,87 Meter große Junge mit den blauen Augen liebte es, die Abendunterhaltung zu übernehmen. Oder wie er es ausdrückt: "Am Lagerfeuer habe ich 'Über den Wolken' von Reinhard Mey gesungen. Da hat man mein musikalisches Talent erkannt."

Zwei Ausbildungen hat er gemacht. Die erste zum Textilveredler. "Das war eine Firma mit gut 300 Mitarbeitern, wir haben im großen Stil Textilien bedruckt, vom Bayern-München-Handtuch bis hin zum David-Hasselhoff-Kissen." Nach dem Zivildienst hat er eine neue Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher angefangen. "Ich wollte immer schon einen pädagogischen Beruf ergreifen und bin bis heute ja auch dabei geblieben."

Atze, Mickie und Walter

1992 lernt er Atze Schröder kennen. Sein ehemaliger Musiklehrer Walter Zurbrügg stellt die beiden vor. "Zurbrügg war in der Woche Lehrer, am Wochenende hat er mit verschiedenen Bands Lieder aus den Top-40-Charts auf Zeltfesten gespielt." Man gründet ein Comedy-Format. Mit ­dabei ist auch schon Amaretto, das ist der Mann, der unter diesem Synonym Songs für Mickie Krause wie "Schatzi, schenk mir ein Foto" oder "Geh mal Bier holen" schreibt, aber auch für andere Künstler wie Tim Toupet oder Anke Engelke arbeitet.

Als Atze Schröder aus dem Comedy-Format aussteigt und sein Solo-Projekt vorantreibt, macht Mickie Krause die Witze auf der Bühne. "Da habe ich gemerkt, ich besitze ein Moderationstalent." Fortan tritt er auf Modeschauen, Galas, Stadtfesten oder Betriebsfesten­ auf. 1996 wird er Sänger bei 'Erika Rehbein und das Schlagerkarussell'. "Ich habe dafür gesorgt, dass die Band funktioniert." Dass die Band funktioniert? "Jeder war austauschbar, ich halt eben nicht. Die hatten vorher einen sehr guten Frontman, der zwar besser singen, aber das Publikum nicht packen konnte."

Kein Muskel zuckt in seinem Gesicht, wenn Mickie Krause über Mickie Krause spricht. Er redet ruhig, wohlüberlegt, blickt seinem Gegenüber direkt in die Augen. Und er scheint auf eine bestimmte Frage zu warten, die er mit seinen Aussagen provoziert. Es reicht ein Stichwort: Selbstvertrauen? "Jaaaa, musst du schon haben. Ohne Selbstvertrauen kannst du weder auf deutschen noch auf spanischen Bühnen überleben." Wenn Leute auf der Bühne nach wenigen Minuten mit Eiswürfeln beworfen werden, dann sei das auch ein Zeichen von mangelndem Selbstvertrauen, "das wird es bei mir nicht geben."

Und wenn es einem mal nicht so gut geht? "Ich habe mal in einem Interview gesagt, dass ich von 365 Tagen im Jahr an 360 gut drauf bin und hoffe, dass ich an den fünf Tagen keinen Auftritt habe." Gut 200 Auftritte habe er im Jahr alleine in Deutschland, dazu würden noch einmal 40 auf Mallorca hinzukommen. Er klopft dreimal auf den Tisch: "Seit 1998 habe ich vielleicht zwei Auftritte absagen müssen."

Er bewundert Heidi Kabel

Die Schauspielerin Heidi Kabel (27. August 1914-15. Juni 2010) bewundere er. Die habe während eines Theaterstückes in der Pause erfahren, dass ihr Mann gestorben sei. "Sie ist wieder raus zum Publikum und hat das Stück bis zu Ende durchgezogen. Mit viel Routine und wahrscheinlich mit viel Selbst­bewusstsein."

Seine erste große Bühne auf Mallorca, das war das Riu Palace, das seit 2015 geschlossen ist. "So wie Boris Becker sagt, Wimbledon sei sein Wohnzimmer, so war das Riu Palace meines." Am 2. Juli 1998 hatte er dort seinen ersten Auftritt, zusammen mit den damaligen Schlagersängern Olaf Henning und Sandy Wagner. "Das war damals noch eine andere Zeit, die Leute haben 15 oder 20 Mark Eintritt bezahlt und wussten, den Jürgen Drews, den gibt's im Oberbayern, Mickie Krause können wir im Riu Palace sehen."

Ja, er sei schon traurig, dass es den Club nicht mehr gibt. Das Publikum sei damals dankbarer gewesen. Dankbar seien sie heute auch noch, aber damals wurde man am Ballermann noch nicht mit so vielen Künstlern „zugeschlagen". Das sich dadurch der Wettbewerb verschärft, einige Künstler aggressivere Shows fahren und sich das auf das Publikum überträgt, könne er verstehen. "Keine schöne Entwicklung. Manche lassen den Respekt im Flieger." Aufhören will er deswegen nicht.

Genauso wenig wie er aufhört, regelmäßig zu joggen. Erst heute war er 11 Kilometer laufen, obwohl ihn eine Muskelverhärtung plagt, die er sich bei einem Marathon in Leipzig zugezogen hat. Mickie Krause geht über die lange Distanz. Komme, was wolle.

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Honk!

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Jöli

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