Ein Mann steht mit gezogener Pistole vor zwei Passanten und hält diese in Schach, während hinter ihm seine zwei Kumpanen mit dem geraubten Geld fliehen. Eine Ecke weiter warten die Besucher eines McDonald’s auf ihr Essen. In einer anderen Straße wird ein Haus gebaut, doch einer der Bauarbeiter ist vor allem mit seiner Bierflasche beschäftigt. Die „Titanic“ ist kurz davor, gegen den Eisberg zu fahren. Es ist viel los in diesem einen Augenblick, den Holger Becker in seiner Lego-Stadt festhält. Selbst eine große Kirche aus Lego steht inmitten der Stadt. „Sie ist komplett eingerichtet“, erzählt Becker. „Da ist jede Sitzbank drin, der Altar, Taufbecken, Kerzen in den Ecken, sogar der Orgelspieler sitzt oben im Turm – alles aus Lego.“

Jedes Jahr präsentiert der Gerüstbauer seine Lego-Sammlung auf dem Weihnachtsmarkt in Santa Ponça. „Für den ersten Markt vor 15 Jahren hatte ich die Idee, einen Tisch aufzubauen, damit die Kinder etwas zu gucken haben. Also habe ich gedacht, wenn ich schon dabei bin, kann ich auch ein bisschen mehr machen. Das ist dann etwas ausgeufert“, meint der Lego-Fan lachend und blickt liebevoll über seine Sammlung. Viele von Beckers Lego-Modellen sind von ihm konzipiert und nicht nach Anleitungen zusammengebaut. „Ich probiere, versuche Variationen, die so nicht geplant sind, und experimentiere herum“, erzählt Becker. Das eigene Konzipieren und Tüfteln mache ihm zwar am meisten Spaß, dennoch gelinge nicht alles auf Anhieb. „Ich habe auch schon Modelle nach Wochen in die Ecke geschmissen und von neu angefangen“, räumt er ein. Die Legosteine erwirbt er entweder auf E-Bay oder auf einschlägigen Internetseiten. „Dort handeln die Lego-Fetischisten und Großhändler untereinander.“

Lego-Männchen warten am Bahnhof auf den Zug Nele Bendgens

Auf einem weiteren Tisch, gegenüber der Stadt, ist ein großer Jahrmarkt aufgebaut, dessen Herzstück der Eiffelturm ist. „Ich habe mir Fotos aus dem Internet angeguckt“, erklärt Becker. „Dann habe ich den Eiffelturm in Segmenten nachgebaut, da saß ich Wochen dran.“ Ein Karussell des Jahrmarkts macht ihm allerdings immer noch zu schaffen, denn der Free-Fall-Tower will nicht so richtig funktionieren. Er könne die Gondel langsam hochfahren und schnell heruntersausen lassen. „Aber dann knallt sie nach unten und zerfällt.“

Die technischen Lego-Sets sind am kompliziertesten aufzubauen Nele Bendgens

Es sind noch viel mehr Details in der Lego-Stadt zu entdecken. Auf den Balkonen sind Blumen angebracht, ein Sonnenschirm steht auf einer Dachterrasse, auf einer Parkbank sitzt der Weihnachtsmann. Hinter dem Schaufenster einer Konditorei ist eine riesige Torte zu sehen. Becker deutet auf eines der Lego-Häuser: „So eines habe ich vor einem Jahr in Deutschland gesehen, habe es fotografiert und dann nachgebaut.“ Was genau er umsetzt, entscheidet der Deutsche spontan, wie er sagt. „Im vergangenen Jahr im Lockdown wurde bei mir gegenüber ein Kran aufgebaut. Der steht jetzt hier nachgebaut, und er funktioniert. Das habe ich mir an dem Original genau abgeguckt.“

Welches Ersatzteil bräuchten Sie denn? Nele Bendgens

An einer Wand reihen sich Regale mit zahlreichen Kisten, die Ersatzteile für alle möglichen Bausätze enthalten. Wenn in einem Lego-Set ein Steinchen fehlen sollte, kann es hier nachgekauft und so das Modell vervollständigt werden. Das teuerste Set in seiner Sammlung ist der Sternen-Zerstörer aus der Star-Wars-Saga. „Ich habe das Modell als Bausatz unter dem Tisch liegen und würde mich für 800 Euro davon trennen“, macht der Lego-Fan auch der MZ den Sternen-Zerstörer schmackhaft. „Das ist was für den Urlaub oder für den nächsten Lockdown.“ Generell gilt die Regel: Todo a la venta. So stehen neben vielen Modellen auch Preisschilder. „Wenn einer sagt, er wolle alles haben. Dann 50 Mille, Lastwagen und weg“, meint der Tüftler trocken.

Holger Becker hat ganze Städte aufgebaut. Nele Bendgens

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Nicht nur Preisschilder sind neben den Lego-Modellen angebracht, es ist auch der Hinweis zu lesen „Nichts anfassen“. „Das ist sehr schwer für die Kinder, wenn sie das ganze Lego so toll aufgebaut sehen“, meint Carolin Osterkamp, Beckers Assistentin. „Das Lego ist wie ein Magnet.“ Damit sich die Kleinen trotzdem austoben können, gibt es eine Lego-Spielecke, wo die eigene Kreativität für 3 Euro die Stunde umgesetzt werden kann.

Für 2022 hat Holger Becker große Pläne: Er suche ein Ladenlokal, wo er seine Sammlung ausstellen und Modelle verkaufen könne. Auch dort soll es dann eine Spielecke geben, wo Eltern ihre Kinder beschäftigen können. „Außerdem plane ich dort eine Ausstellung, aber doppelt so groß wie diese.“ Auf diese Weise hofft Becker, sein Hobby endlich zum Beruf machen zu können.