Es sind nur etwa 25 Aktivisten und Aktivistinnen, die sich am Sonntag (31.7.) versammelt haben. Aber man muss auch sehr tierlieb sein, um Ende Juli um 11 Uhr morgens in der prallen Sonne auf der Plaça del Cort in Palma de Mallorca zu stehen. Schwarz angezogen halten sie Schilder hoch, auf denen die Sätze „Esto es violencia“ und „Esto es tortura“ stehen. Passanten und die Cafébesucher auf dem Platz klatschen ihnen immer wieder zu. „Das ist Gewalt“, „Das ist Folter“, heißt es auf den Schildern. „Mallorca gegen Stierkämpfe!“, skandieren die Tierschützer.

Weltstars kommen in die Arena

An diesem Donnerstag und Freitag (4. und 5.8.) wird Palmas Stierkampfarena um 21.30 Uhr tatsächlich für ihren eigentlichen Zweck gebraucht. Die wahrscheinlich einzigen beiden Stierkämpfe in diesem Jahr stehen an. Die Veranstalter Funciones Taurinas haben sich das etwas kosten lassen: Es kommen Weltstars der Torero-Szene. José Antonio Morante, bekannt unter dem Künstlernamen Morante de la Puebla, wird seit 25 Jahren in Stierkampfarenen bejubelt. Cayetano Rivera gehört einer Stierkämpfersaga an, schon sein Vater und Großvater waren bekannte Stierkämpfer. Während die beiden Legenden schon in Palma aufgetreten sind, kommt der Peruaner Andrés Roca Rey zum ersten Mal. Der 25-Jährige ist der gegenwärtige Superstar unter den Toreros.

Die Karten für das Spektakel kosten zwischen 90 und 234 Euro, und die Tierschützer sind fest entschlossen, den Veranstaltern das Geschäft so weit wie möglich zu vermiesen. Die Versammlung am Sonntag vor dem Rathaus ist nur ein Vorgeschmack. Die beiden Stierkampftage sind für die animalistas die eigentlichen Großkampftage.

Am Donnerstag gibt es eine große Demonstration an der Plaça d’Alexander Fleming, am Freitag einen weiteren Protest direkt vor der Stierkampfarena. „Stierkämpfe sind nicht Teil der Kultur der Balearen, und die Gesellschaft der Inseln lehnt sie immer mehr ab“, sagt Arantzazu Laguna, die für die Tierschutzorganisation Anima Naturalis den Protest am Sonntag organisiert hat. In sämtlichen Umfragen sprächen sich die Mehrheit der Bewohner Mallorcas gegen Stierkämpfe aus.

Tod der Stiere war verboten

Tierschützer versuchen nun schon seit Jahrzehnten, die Stierkämpfe von der Insel zu verbannen. 2017 sah es fast so aus, als hätten sie es geschafft. Die linksgrüne Landesregierung änderte das Tierschutzgesetz dergestalt, dass bei Stierkämpfen auf den Balearen die Stiere weder verletzt noch getötet werden durften. Da beides Teil der klassischen Stierkämpfe ist, fanden nach diesem Beschluss erst einmal keine weiteren corridas mehr statt. Im Dezember 2018 kassierte das Verfassungsgericht in Madrid das neue Gesetz aber wieder ein und verwies darauf, dass Stierkämpfe in Spanien zum „nationalen Kulturgut“ erklärt worden sind. Auf der gleichen Grundlage hatte das Verfassungsgericht das Verbot von Stierkämpfen in Katalonien gekippt.

Die Tierschützer können es bis heute nicht fassen. „Es ist unglaublich, dass ein solches Spektakel, das aus der Folter und dem Mord an Tieren besteht, als Kultur gilt und sogar staatliche Förderungen erhält“, sagt Laguna. „Folter ist weder Kunst noch Kultur“, schreit sie in ihr Megafon. Die schwitzenden Tierschützer sprechen ihr nach. „La tortura no es arte ni cultura.“

Zuschauer sind vor allem Spanier

Doch so emotional das Thema für Tierschützer ist, so emotional ist es auch für Stierkampfliebhaber. Sie sehen darin eine Tradition, eine Kunst und eine Lebensart. Und so ist der Konflikt um die Stierkämpfe im Gegensatz zu vielen anderen Problemen der Insel ein innerspanischer. Auch wenn einer der Tierschützer am Sonntag die corridas ein Aushängeschild für den Tourismus nennt, sind laut Protest-Organisatorin Arantzazu Laguna die Zuschauer vor allem Spanier. „Es ist eigentlich peinlich, im 21. Jahrhundert vor Menschen aus anderen Ländern zugeben zu müssen, dass wir hier immer noch so etwas veranstalten“, fügt sie hinzu.

Dass durch den Protest vor allem andere Spanier überzeugt werden sollen, ist auch an den Schildern zu sehen. Während am Samstag (30.7.) bei einer Demonstration gegen die Pferdekutschen, die Touristen durch die Altstadt fahren, Schilder auf Deutsch hochgehoben wurden, ist bei dem Stierkampfprotest nur Spanisch zu lesen.

Nur eine Residentin

Unter den Tierschützern ist an diesem Tag nur eine einzige Ausländerin dabei. Die Schwedin Lena Stenström sagt, ihr sei der Kampf um Tierrechte sehr wichtig: „Ich finde diese Stierkämpfe barbarisch.“ Schon wenn sie davon spricht, kommen der Dame im blonden Bob Tränen.

Sie lebe seit acht Jahren auf der Insel und findet es peinlich, dass nicht mehr ausländische Residenten zu solchen Aktionen kommen. „Dabei wohnen hier so viele Schweden zum Beispiel, aber die trinken lieber Kaffee, als sich einzusetzen.

Sind alle Genehmigungen da?

Noch könnte das Rathaus von Palma in Theorie die Stierkämpfe unterbinden. Es sind noch nicht alle Genehmigungen erteilt, weil noch nicht alle Sanitäts- und Dopinguntersuchungen durchgeführt wurden. Wenn das Rathaus nichts findet, muss es die Kämpfe allerdings genehmigen. Und wenn es nicht vor der Veranstaltung alles überprüft, darf die Veranstaltung trotzdem stattfinden. Im Moment sieht es danach aus.

Nach einer halben Stunde ist die Protestaktion vorbei. „Wir können das Blutvergießen nicht aufhalten, aber wir wollen zumindest dafür sorgen, dass es nicht unbemerkt geschieht“, sagt Organisatorin Arantzazu Laguna schon mal vorab. Sie hofft, dass es sich bei den angesetzten Stierkämpfen am Donnerstag und Freitag um eines der letzten Aufbäumen gegen den Niedergang dieser Tradition handelt. In zehn Jahren, denkt sie, wird es so etwas in Spanien nicht mehr geben. Und bis dahin will sie sich für das Leben der Stiere einsetzen.