Mallorca Zeitung

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Warum das Licht auf Mallorca so besonders ist: Eine Spurensuche

Das Licht der Insel beglückt Auswanderer und inspiriert Künstler und Fotografen. Aber wie lässt sich begründen oder gar wissenschaftlich erklären, dass es so magisch und irgendwie einzigartig ist?

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Besonderes Leuchten: So einzigartig ist das Licht von Mallorca Nele Bendgens

Wenn die letzten Strahlen der sinkenden Sonne das dunkle Blau des Meeres in Bronze verwandeln, seufzen Romantiker: Ach, dieses Licht auf Mallorca! Und auch auf der Liste der Dinge, die Exil-Spanier am meisten an ihrer Heimat vermissen, steht das „besondere“ Licht wohl ziemlich weit oben.

Ob nun außergewöhnlich schön oder nicht: Licht ist zunächst einmal essenziell für das Leben auf der Erde, denn Pflanzen verwandeln die Lichtenergie per Photosynthese in chemisch gebundene Energie. Davon wiederum ernähren sich alle anderen Lebewesen. Das natürliche Tageslicht – das Licht der Sonne, das durch die Erdatmosphäre gefiltert wird – hat zudem großen Einfluss auf den menschlichen Organismus und seine Gesundheit: Lichtmangel wirkt sich auf unsere Hormone und Neurotransmitter aus, sorgt für Müdigkeit und trübe Stimmung. Kein Wunder, dass es eine äußerst beliebte Strategie ist, dem „Winterblues“ in Deutschland mit seinen kümmerlichen acht Stunden Tageslicht zu entfliehen, um auf Mallorca den Sonnenschein zu fangen.

Wetter und Geografie

Fragt man die Chef-Meteorologin María José Guerrero vom spanischen Wetterdienst Aemet nach dem Grund für das besondere Licht der Insel, hat ihre Antwort auch mit dem Unterschied zwischen Norden und Süden zu tun: „Meteorologisch gesehen ist das eine Frage der Sichtverhältnisse. Die sind hier grundsätzlich gut: Alles erscheint sehr klar, sehr hell und farbintensiver als an anderen Orten, besonders im Norden“, sagt sie im MZ-Gespräch. Lichtintensität wird vom Auge als Helligkeit empfunden, die spektrale Zusammensetzung des Lichtreizes hingegen als Farbe.

In Deutschland gebe es oft Situationen, in denen die Sichtverhältnisse eingeschränkt seien – aufgrund der Luftfronten, häufigerer Niederschläge und eines bedeckten Himmels. „Es gibt dadurch einfach weniger Licht. Und die Anzahl der Stunden, in denen es hell ist, ist niedriger als im Mittelmeerraum“, erklärt Guerrero. Auf der Insel sei zudem die Umweltverschmutzung im Allgemeinen geringer, da die Industriezentren weit entfernt sind.

Was genau ist eigentlich Licht?

Licht ist eine Form von elektromagnetischer Strahlung, die mit verschiedenen Modellen aus der Physik beschrieben wird: Strahlenoptik, Wellenoptik oder Quantenphysik. Laut Letzterer besteht es aus Lichtteilchen (Photonen).


Der Effekt des „speziellen“ Lichts auf Mallorca werde in den im Frühjahr und Sommer häufiger auftretenden Episoden abgeschwächt, wenn heiße Luft mit Wüstenstaub aus Afrika die Insel erreiche. „In diesen Momenten ist das Licht nicht so transparent wie im Rest des Jahres“, sagt die Meteorologin.

Wenn eine Warmfront aufziehe, dann werde die Sicht schlechter. „Wenn aber darauf eine Kaltfront folgt, fegt sie alles hinweg und hinterlässt transparentes Licht.“ Gerade im Winter könne man das gut beobachten, wenn sich nachts eine Kaltfront nähere: „Sie reinigt die Atmosphäre und sorgt für dieses besondere Licht.“ Guerreros Fazit: Bei unserem Eindruck von Licht spielt die Wetterlage eine ganz entscheidende Rolle. „Und die Wahrnehmung des Lichts hängt letztendlich von der geografischen Lage und von der Jahreszeit ab.“

Ein Traum für Fotografen

Die MZ-Fotografin Nele Bendgens kann aus langjähriger Erfahrung sagen, dass der Monat November auf Mallorca die schönsten Sonnenuntergänge und das beste Licht zu bieten hat. Im Winter sei es weicher, im Sommer gleißender. Modefotografen, die die langen hellen Tage für Shootings nutzen wollen, müssten mitunter versuchen, das intensive Licht mit einer Art lichtdurchlässigem Segel abzumildern.

Der mallorquinische Fotograf Sebastià Torrens, dessen Portfolio mit eindrucksvollen Naturaufnahmen der Insel aufwartet, hat es in seiner Sparte nicht nötig, zu solchen Tricks zu greifen. Auch er favorisiert den Winter: „Man hat in dieser Jahreszeit fast den ganzen Tag lang interessante Farben“, sagt er. In den heißen Monaten steige die Sonne zu schnell. Neben der richtigen Zeit im Jahr gelte es aber auch, die richtige Tageszeit zu nutzen: „Wir Fotografen bevorzugen die ersten und die letzten Stunden des Tages, wenn das Licht am attraktivsten ist“, erklärt Torrens. Die Momente des Übergangs zwischen Tag und Nacht und zwischen den Jahreszeiten seien definitiv die reizvollsten.

Für diese Aufnahme begab sich der Naturfotograf Sebastià Torrens in die Nähe von Mortitx, um das erste Licht einzufangen, das morgens die Serra de Tramuntana erhellt. Sebastià Torrens

Das Licht von Mallorca einzufangen, ist laut dem Naturfotografen, der sein Wissen auch in Kursen weitergibt, zwar nicht schwieriger als anderswo, erfordert aber Beharrlichkeit: „Jetzt im Winter gehe ich aus dem Haus, wenn es noch stockfinster ist, um rechtzeitig an die Orte zu kommen, die mich interessieren, und dort die ersten Lichtstrahlen zu erwischen“, sagt Torrens. „Der einzige Begleiter, den man dabei hat, ist die Kälte.“ Sein Rat, wie man ein besseres Foto hinbekommt, sei meistens: Kauf dir einen guten Wecker, der um sechs Uhr klingelt. „Normalerweise wird man es nicht bereuen, weil die Natur einen reich dafür belohnt.“

Inspirationsquelle für Maler

Das Naturerlebnis auf Mallorca suchten auch schon die Maler, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts für eine „goldene Ära“ der Landschaftsmalerei sorgten. „Besonders die Katalanen Santiago Rusiñol und Joaquim Mir entdeckten hier ein ganz anderes Licht, vor allem in der Serra de Tramuntana, und waren davon fasziniert. Dasselbe gilt für die argentinischen Maler, die sich in Pollença niederließen“, sagt Jaume-Bernat Adrover, Kunsthistoriker und Leiter der Fundació Cultural Coll Bardolet in Valldemossa.

Nicht nur auf der Leinwand, mittels leuchtender, kräftiger Farben, auch in Worten hätten viele dieser Künstler das Licht von Mallorca gepriesen. „Manche kamen sogar nur wegen des charakteristischen Lichts, das sie sonst nirgends fanden, auf die Insel“, so Adrover. Speziell die Kombination aus Bergen, Meer und Licht habe es den Malern angetan.

Die Strahlkraft auf die Kunst nahm auch in der jüngeren Vergangenheit nicht ab: „Joan Mirós gesamte Arbeit hier auf Mallorca basiert auf dem Licht“, sagt sein Enkel, Joan Punyet Miró. „Es war für ihn fundamental und wie eine Religion, etwas Mystisches und Poetisches.“ Besonders habe der Künstler die wunderbaren Sonnenauf- und -untergänge im Mittelmeer von seinem Haus in Cala Major aus genossen. Das Einfangen des Lichts in Joan Mirós eigenen Werken sei ein Ringen um die Farben gewesen, die dem Licht auf der Insel am nächsten kamen. Besonders bedeutsam dabei: die Farbe Kobaltblau. „Das ist ein magisches, durchscheinendes Blau, das dem Licht des blauen mallorquinischen Himmels sehr ähnlich ist“, so Punyet.

"Azul II" von Joan Miró, hier bei einer Ausstellung 2011 in der Fundación Miró in Barcelona. Andreu Dalmau / EFE

Zum ersten Mal setzte Miró sein farbliches Äquivalent zum Mittelmeer-Licht 1925 ein, den malerischen Höhepunkt dieser Symbolik erreichte es laut seinem Enkel 1961 mit dem monumentalen „Tríptico Azul I, II, III“, das heute im Centre George Pompidou in Paris hängt. Mit gebrauchten Pinseln, die für den Künstler „mehr Leben“ hatten als neue, trug er die Farbe mit spiralförmigen Strichen auf, sodass der weiße Hintergrund der Leinwand noch zu sehen war. Das Licht auf diese Weise darzustellen, sei Miró aber nur im Mittelmeerraum gelungen, sagt Punyet. „In Paris konnte er es nicht malen, weil das Licht dort bleierner, grauer, greifbarer, bedrückender war.“ Glück den Parisern, wo das Triptychon heute die Tristesse erhellt.

Miró liebte laut Punyet jedoch nicht nur das Tageslicht, sondern auch den flüchtigen Dialog zwischen Sonne und Mond um sechs Uhr morgens, wenn man beide gleichzeitig sah: Symbole wie Mann und Frau, Yin und Yang, Tag und Nacht, Leben und Tod. Und er liebte das Sternenlicht in mondlosen Nächten, das für Miró von unermesslicher geistiger Tiefe und mystischer Kraft war. „Die Nacht war der Moment, in dem Miró sich mit der ganzen Magie der Wahrnehmung des Zeitablaufs verband“, sagt sein Enkel. Und verweist darauf, dass sein Großvater dafür natürlich auch günstige Bedingungen vorfand: „Wir reden über die 1960er-Jahre, als es noch keine Lichtverschmutzung gab. Jetzt muss man mit einem Boot mitten auf das Meer fahren, um an das Nachtlicht zu gelangen, das Miró vor seinem Haus hatte.“

Eine Schattenseite des Lichts

Auch wenn man bei Nachtfahrten durch das mallorquinische Hinterland manchmal noch das Gefühl hat, sich durch völlige Finsternis zu bewegen: Lichtverschmutzung ist auch auf der Insel ein Problem. Besonders hell ist es am Flughafen, im Großraum Palma und in den Urlauberhochburgen. Aber auch abgelegene Orte wie Lluc sind als Lichtquellen auszumachen, wie eine Online-Karte zeigt.

Zu viel künstliches Licht kann nachtaktive Tiere beeinträchtigen, ein Faktor für den Verlust der Biodiversität sein und auch für den Menschen zu Stress und Gesundheitsproblemen führen – denn der Körper braucht Dunkelheit, um sich zu erholen. AstroMallorca, eine Vereinigung von Hobby-Astronomen, kämpft seit Jahren gegen die Lichtverschmutzung und wünscht sich, dass Mallorca zu einer Urlaubsdestination für Sternenbeobachter werden würde. Für das alljährliche Himmelsspektakel der Perseiden im August muss man in der Regel weit hinaus in die Berge fahren, um einen guten Blick auf die Sternschnuppen zu erhaschen.

Wo das Licht auf Mallorca gefeiert wird

Neben dem eindrucksvollen Naturschauspiel des Nachthimmels im Sommer haben auch die Sonnenuntergänge auf Mallorca eine große Fangemeinde. Ein Klassiker für dessen Zelebrierung ist der Aussichtspunkt mit Blick auf den „Lochfelsen“ Sa Foradada zwischen Valldemossa und Deià. Ein schöner, aber seltener Anblick bietet sich auch am 11. und 12. Februar beim Castell de Bellver in Palma: Dann geht die Sonne genau bei der mit der Burg verbundenen Brücke unter und strahlt unter ihr hindurch.

Darüber hinaus gibt es auf Mallorca auch Feierlichkeiten, bei denen das Licht im absoluten Mittelpunkt steht. Eine davon steht nun wieder kurz bevor: Die „Festa de la Llum“ (Fest des Lichts) findet zweimal im Jahr in der Kathedrale von Palma statt, jeweils am 11. November und am 2. Februar. An diesen Tagen fällt das Sonnenlicht durch die Hauptrosette von La Seu ein und bildet an der Innenfassade des Hauptportals die berühmte „magische Acht“ im Zusammenspiel mit der Rosette.

Hier ein Eindruck vom Februar 2022:

Ein weiteres Phänomen lässt sich zur Wintersonnenwende beobachten: Dann scheint die aufgehende Sonne direkt durch die beiden Rosetten und es wirkt, als würde die Kathedrale von innen leuchten.

In Sineu wird im November das Fest „Contrallum“ gefeiert: Dazu wird einmal im Jahr die Straßenbeleuchtung ausgeknipst, damit Lichtinstallationen sowie Kerzen und Fackeln in den Gassen durch die Dunkelheit ihre Wirkung entfalten können. Im Dezember zeigt Palma ein Lichtermeer: Begehbare Elemente, Lichtshows und der Countdown zur Inbetriebnahme machen die Weihnachtsbeleuchtung zu einem Highlight, das die Stadt in besonderem – wenn auch künstlichem – Glanz erstrahlen lässt.

Heisst es ‚El Llum‘ oder ‚la llum‘?

Auf Katalanisch kann das Licht männlich oder weiblich sein. „La llum“ für die Bezeichnung von Licht, das auf unser Sehorgan wirkt, und für Strom verwendet. „El llum“ meint Geräte, die Licht erzeugen, also Lampen, und kommt auch in einigen Redewendungen vor.


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